Kleine Bühne Gambach

Berührende Geschichte der Josefine

Von Bruno Rieb

Die Kleine Bühne Gambach macht großes Theater. Mit „Josefine“ bringt sie ein Stück über die Judenverfolgung in Frankfurt auf die Bühne, das sehr, sehr nahe geht. Das neue Stück ist der Abschluss der Trilogie „Gegen das Vergessen“, in denen sich die Gambacher Laienspielgruppe mit Außenseitern und Verfolgten befasst.

In „Ratzkatrain“ ging es um die Hexenverfolgung, in „Heidenpeter“ um die Räuberbanden des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Und nun rückt das Geschechen recht nah: die Judenverfolgung in der Nazi-Zeit. Erzählt wird die Geschichte der Josefine Schain, Tochter eines aus Polen stammenden Juden und einer deutschen, katholischen Mutter. Als Halbjüdin erfährt sie den Hass der verhetzten Nazi-Anhänger.

Wie Ausgrenzung funktioniert

Anschaulich erzählt die Kleine Bühne Gambach in dem Stück die wachsende Ausgrenzung der Familie. Der Vater verliert seine Arbeit, die Tochter wird in der Schule geächtet. Anrührend spielt Julia Färber die an diesen Verhältnissen verzweifelnde Josefine. Die Schains sind katholisch. Auch Vater Josef (Michael Hantschel) ist zum Katholizismus konvertiert. „Ich sehe aus wie alle anderen auch. Ich spreche die selbe Sprache, höre die selbe Musik, habe die selbe Religion und glaube an den selben Gott. Ich habe keine ansteckende Krankheit , ich lache, wenn ich mich freue und weine, wenn ich traurig bin, genau wie alle anderen. Und trotzdem bin ich so ganz anders. Ein Wesen, das alle hassen. Aber ich habe keinem etwas zuleide getan“, sagt Josefine verzweifelt.

Besonders eindringlich wird diese Ausgrenzung in einer Szene in der Schule dargestellt. Der neue Klassenlehrer Zimmermann (Jirko Ziegenbalg) stellt sich mit den Worten vor: „Wir werden eine neue Welt schaffen. Und dazu braucht es eine neue Erziehung. Und dazu braucht es neue Lehrer.“ Seine erste Amtshandlung ist, Josefine vor ihren Mitschülerinnen herabzusetzen, so dass selbst ihre engste Freundin zu ihr auf Distanz gehen muss. Es ist die beklemmendste Szene des Stückes.

Josefine (Julia Färber) wird von Lehrer Zimmermann (Jirko Ziegenhain) vor ihren Klassenkameradinnen Ilse (Valerie Ziegenbalg, links) und Gertrud (Amelie Groß) gedemütigt. (Foto: Rieb)

Es sei nicht leicht gewesen, „Josefine“ auf die Bühne zu bringen, weil das Stück den Schauspielern selbst sehr nahe ging, sagt Regisseur und Autor Johannes Schütz. Auf das Schicksal von Josefine ist er gestoßen, weil sie Schülerin der Frankfurter Schule war, an der er selbst Jahrzehnte später lange Lehrer war. Er ist auf dem Weg von Gambach zu seiner Schule in Frankfurt meist auf dem Glaus 16 im Frankfurter Hauptbahnhof angekommen, erzählt Schütz. Von diesem Gleis aus waren damals Juden in den Tod geschickt worden. Schütz: „Der letzte größere Transport mit 302 Personen nach Theresienstadt erfolgte am 14.2.1945 und selbst am 15.3.1945 wurden noch fünf weitere Menschen verschleppt. Ich bin mehr als tausend Mal auf Gleis 16 angekommen und abgefahren und habe von all dem nichts gewusst.“

Menschlichkeit im totalitären Staat

Schütz beschäftigte sich mit dem Schicksal der Halbjüdin und schuf daraus das Theaterstück. Er legt darin am Beispiel der Josefine bloß, wie ein totalitärer Staat funktioniert. Das Stück verfällt bei alledem aber nicht in Resignation. Josefine überlebt die Nazi-Diktatur mit Hilfe des Hauptwachtmeisters Kohl, ein alter Freund der Familie und zugleich ein überzeugter Nazi, der sich aber einen Funken Menschlichkeit bewahrt hat. Michael Färber bringt in der Rolle des Hauptwachtmeisters diese Zerrissenheit auf die Bühne. In den letzten Kriegstagen versteckt er Josefine in seiner Wohnung und rettet sie so vor dem Tod im KZ.

Krönender Abschluss der Uraufführung am Freitag, 12. November 2021 war, als nach der Vorstellung zwei Töchter von Josefine Schain auf die Bühne kamen und sich beim Regisseur und den Darstellern für die Aufführung bedankten.

Weitere Aufführungen sind am 19., 20., 26. und 27. November um 19.30 Uhr im Bügerhaus in Münzenberg-Gambach. Einlass ist jeweils ab 19 Uhr. Bei allen Aufführungen gilt die 2G-Regel. Karten für 17,50 Euro gibt es hier: ticketino.com/de/Organizer/2579400 (In die Suchzeile „Josefine“ eingeben)

Titelbild: Hauptwachtmeister Kohl (Michael Färber) erklärt der Familie Schain, dass sie nach Polen ausgewiesen wird. Von links: Josefine (Julia Färber), Vater Josef Schain (Michael Hantschel), Mutter Katharina Schain (Doris Regina). (Foto: Bruno Rieb)

kleine-buehne-gambach.de

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