Menschen der Wetterau

Interessante Leute einfühlsam beschrieben

von Bruno Rieb

Wichtige, interessante und originelle Wetterauer stellen die Landbote-Autoren Corinna Willführ und Klaus Nissen in ihrem Buch „Menschen aus dem Wetteraukreis“ vor. Mit 24 Porträts bringen sie den Lesern Leute nahe, die Theater spielen, die Umwelt schützen, sich für Einwanderer engagieren, Musik machen, Kultur schaffen oder Unternehmen leiten. Der Fotograf Dirk Ostermeier hat dazu eindrucksvolle Schwarzweißfotos von den bedeutenden Wetterauern gemacht.

Der Hallenbad-Retter und die Polizeichefin

Da ist zum Beispiel Uli Lang, der gerade mit seiner „Gesellschaft der Freunde des Theaters Altes Hallenbad“ Friedberger Geschichte schreibt. Der langjährige Leiter der Gesamtschule Konradsdorf rettet das denkmalgeschützte Jugendstilbad der Kreisstadt, indem er es mit seiner Gesellschaft zum Theater umbaut. „Wenn ich meinen 80. Geburtstag feiere, will ich alles fertig haben“, zitiert Klaus Nissen den heute 77-Jährigen und fügt an „Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er es schafft!“

Stellen das Buch vor (von links) : Landrat Jan Weckler, Klaus Nissen, Corinna Willführ, Dirk Ostermeier und Olaf Burblys vom Verlag Kommunikation & Wirtschaft in Oldenburg

Anja Fuchs ist Chefin der Wetterauer Polizei. „Die schmale Frau mit den halblangen blonden Haaren und der randlosen Brille, Chefin von mehr als 300 Kolleginnen und Kollegen, trägt kein Businesskostüm – und auch keine Uniform“, wundert sich Corinna Willführ. Aber immerhin: „Stets bereit für den Einsatz hängt ihre Uniform in einer Schrankwand ihres Büros – samt Schutzweste und Handschellen.“

Der Missionarssohn und die Frau Kraft

Spannend ist die Biografie des Friedbergers Johannes Hartmann, Sohn eines strenggläubigen Christen. Sein Vater ging mit der gesamten Familie als Missionsarzt nach Indonesien. „Hinter dem Haus fing direkt der Urwald an. Ich lernte im Fluss zu schwimmen. Die Sprache haben wir von den einheimischen Kindern beim Spielen schnell gelernt. Das war Freiheit pur“, zitiert ihn Klaus Nissen in seinem Porträt. Hartmann studierte später in Gießen, wurde als Student Kommunist, bekam als Lehrer Berufsverbot, machte eine Druckerlehre, war Sozialarbeiter – bis er 1995 endlich Lehrer werden durfte, zunächst in Altenstadt, dann an der Henry-Benrath-Schule in Friedberg. Seit 2011 ist er pensioniert. Mit dem Verein „Internationales Zentrum Friedberg“ fördert er das Zusammenleben von Einheimischen und Zugewanderten. In der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingshilfe Wetterau und dem Runden Tisch für Flüchtlinge in Friedberg bringt er ehrenamtliche Helfer mit staatlichen Stellen zusammen und organisiert Förderprogramme für die Integration der Flüchtlinge.

Der Schauspieler und Regisseur Markus Karger ist mit der „Frau Kraft“ von „einer Kunst- zur Kultfigur avanciert“, schreibt Corinna Willführ. Er habe eine eigene Figur für seine Heimat zwischen Wetterau und Vogelsberg geschaffen, eine mit Wiedererkennungswert, „und für sich eine Rolle, in der er, der Mann, sich als stets Wandelbarer zeigen kann: für die Travestie.“ Ob in der Wetterau oder in Finnland, der Heimat seines Lebensgefährten, gelte für Markus Karger: „Sei wer du bist und steh‘ dazu.“

Obmeni und der Barde Hesse

Ronka Nickel, Laura Ute Melzer und Ulrike Obenauer werden gemeinsam porträtiert. Sie haben die Kunstinitiative „Obmeni“ gegründet, mit der sie dem Begriff „Heimat“ einen anderen Wert geben wollen, „weg von sentimentaler Verklärung“, schreibt Willführ. Die drei verstehen laut Willführ Heimat „als einen Ort der Sicherheit, an dem sich Menschen, unabhängig von Alter und Geschlecht, Herkunft und Religion, in Toleranz für ihre Lebensweisen und Werte begegnen können.“

Der Liedermacher Martin Schnur, der über 200 Songs geschrieben hat, Karin Frech, die die gemeinnützige Gesellschaft „Frauen-Arbeit-Bildung“ leitet, die Schauspielerin Lilli Schwethelm, der Meisterkoch Reiner Neidhart, die Fußballweltmeisterin Sandra Mimmert und der Bad Vilbeler Pfarrer Klaus Neumeier sind weitere Porträtierte.

Gottfried Lehr ist dabei, dessen Leidenschaft die Renaturierung der Nidda ist und der als „Barde Hesse“ gerne zur Wandergitarre Lieder in Frankfurter Mundart singt. Mit Frank Uwe Pfuhl wird einer der bedeutendsten Naturschützer der Wetterau beschrieben. „Pfuhl schreibt Machbartkeitsstudien und Projektanträge. Er entwickelt Vorschläge, wie alte Steinbrüche und Radwege naturfreundlich touristisch nutzbar gemacht werden können und wie Erlebnispädagogik in einer Kommune aussehen kann. Frank Uwe Pfuhl ist wohl der bekannteste und vielseitigste Naturschützer im Wetteraukreis“, schreibt Klaus Nissen. Der Autor, Kabarettist und Musiker Dietrich Faber hat Manni geschaffen, der ist „rank und schlank“, „eher der Spargeltyp“, schreibt Willführ, ist ein „selbsternannter und als solcher ebenso verkannter Held“. Faber: „Manni will ein Macho sein, ist es aber nicht.“ Der Erfolg seines Debüts „Toter geht’s nicht“ hat Faber überrascht, wie Willführ schreibt. „Mit dem Ton, meinem Stil, wie ich Familiengeschichte, Humor und Krimi auf Augenhöhe verbinde, habe ich wohl was getroffen, was angesagt war“, zitiert Willführ den Autor.

Die Autoren des Buches könnten gut selbst zu den Porträtierten gehörten, denn sie (be)schreiben schon lange Wetterauer Geschichte: Beide gehörten lange zur Friedberger Redaktion der Frankfurter Rundschau und schreiben heute als freiberufliche Journalisten über die Wetterau und ihre Bewohner. „Corinna Willführ und Klaus Nissen kennen aus ihrer langjährigen journalistischen Arbeit die Wetterau sehr genau. Die geografische Spanne von Butzbach bis Kefenrod ist für die beiden keine große Unbekannte. In den vergangenen Jahrzehnten haben sie über unsere Region recherchiert und geschrieben. Eine Erfahrung, die in den einfühlsamen Portäts spürbar wird“, schreibt Landrat ‚ Jan Weckler im Vorwort zu dem Buch, das vom Wetteraukreis herausgegeben wurde. Die Fotos von Dirk Ostermeier ergänzen die Texte perfekt, stellt Weckler fest. Ostermeier ist freier Fotograf in Frankfurt.

Klaus Nissen, Corinna Willführ, Dirk Ostermeier: „Menschen aus dem Wetteraukreis“, 104 Seiten, Querformat 27,5 mal 21 Zentimeter, Paperback, ISBN 978-3-863-415-9, 19,80 Euro. Im Internethandel ist das Buch nur als E-Book erhältlich. Das Buch kann auch direkt beim Verlag Kommunikation und Wirtschaft in Oldenburg bestellt werden, E-Mail titzmann@kuw.de, Telefon 044109353-138.

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