Dienstags wird es eng im Amts-Foyer
Genau 1354 Flüchtlinge muss der Wetteraukreis noch in diesem Jahr unterbringen – bis zu 150 Menschen pro Woche. Wie die Verwaltung diese Aufgabe ganz konkret angeht, schildert Kreis-Pressesprecher Michael Elsaß in der folgenden Reportage.
Flüchtlinge kommen an
„Willkommen im Wetteraukreis“ heißt eine Informationsmappe, die jeder in Friedberg eintreffende Flüchtling in die Hand gedrückt bekommt. In acht Sprachen, gibt sie den Menschen Hinweise, wo sie gelandet sind und worauf sie achten müssen. Vor dem Willkommen müssen die Bediensteten der Kreisverwaltung aber noch eine Menge organisieren.
Vor den Flüchtlingen kommt die Bindungsliste ins Verwaltungsgebäude des Kreises an der Friedberger Pfingstweide. Am Mittwoch oder am Donnerstag der Vorwoche trifft sie ein und kündigt die Flüchtlinge mit Namen, Nationalität und Geburtsdatum an. Und mit Informationen, welche familiären Bindungen bestehen. „Das ist für uns ganz entscheidend, um eine gute Zusammenlegung der Personen zu organisieren. Eine echte Sisyphusarbeit“, berichtet Tanja Bretthauer, Leiterin der Fachstelle Migration in der Kreisverwaltung. In diesem Jahr muss sie fast 3000 Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen. Für den Dienstag sind 96 von ihnen angemeldet
Am Montagmorgen kommt dann eine Abgangsliste aus der Erstaufnahme-Einrichtung. Sie enthält die Namen der Menschen, die tatsächlich am Folgetag in die Wetterau kommen. Am Dienstagvormittag werden die Anträge schon vorbereitet: Name, Geburtsdatum, alles, was schon festgehalten werden kann. Unter den 96 Neuankömmlingen sind drei Jugendliche, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind. Rund 15 bis 20 Minuten dauert es, ein Antragsformularset auszufüllen.
Ab 14 Uhr warten dann die Kreis-Bediensteten auf die Ankunft der Flüchtlinge. Tanja Bretthauer: „Eigentlich sind wir vom Personalstandard dafür ausgerüstet, 45 Flüchtlinge pro Woche aufzunehmen. Jetzt haben wir Unterstützung von fünf Kollegen, die bei der Antragsaufnahme helfen, weitere Kolleginnen und Kollegen helfen bei der Eingabe der Daten in die elektronische Datenverarbeitung.“ Je später es wird, desto häufiger schaut man auf die Uhr. Die Erwartung steigt. Wie viele Flüchtlinge kommen denn nun tatsächlich? „Wir würden uns wünschen, dass die Ankunftszeigen verbindlicher eingehalten würden. Das ist aber kaum machbar, weil die Flüchtlinge aus ganz Hessen „eingesammelt“ und dann nach Friedberg gebracht werden“, erzählt Tanja Bretthauer. Heute kommen die zwei Busse erst um 15.30 Uhr.
Die Menschen steigen aus, schauen sich unsicher um und schlagen die Arme um den Leib, weil es kalt geworden ist in Deutschland. Viele Syrer sind dabei, fast ebenso viele Menschen aus Afghanistan, einige aus Pakistan, Irak oder Eritrea. Vom Westbalkan ist nur eine Frau in die Wetterau gekommen. Die meisten Asylsuchenden aus den Ländern, die jetzt der Bundestag als sichere Herkunftsländer klassifiziert hat, werden von den Erstaufnahmeeinrichtungen gar nicht mehr an die Kommunen weitergeschickt.
Im Foyer des Verwaltungsgebäudes an der Pfingstweide 7 wird es nun eng und laut. Die Verwaltungsleute rufen die Flüchtlinge auf, um sie zur Antragsaufnahme zuzuordnen. Mancher Name wird zwei-, dreimal gerufen. Nicht weil die Person nicht da ist, sondern weil es schlicht an der Verständigung und der richtigen Aussprache mangelt. Zum Glück ist da Ahmed Rokabi. Der Sozialarbeiter mit ägyptischen Wurzeln spricht fließend Arabisch und kann das erste Chaos schnell besänftigen. Er ist es auch, der den Flüchtlingen einen ersten Überblick für die nächsten zwei Wochen gibt und immer wieder gerufen wird, wenn es mit Englisch und Deutsch nicht weitergeht.
Warten und immer wieder warten
Jetzt heißt es erst einmal warten, bis der Antrag tatsächlich aufgenommen werden kann. Amira und Danish kommen mit ihrem sechs Monate alten Sohn Mohammed aus der türkisch/irakisch7 syrischen Grenzregion. Er war Kochlehrer in einer Schule. Sie war Hausfrau. Abdullah Hadi ist gerade 25 geworden und seit zwei Monaten in Deutschland. Der Computerfachmann spricht schon recht passabel, genauso wie Mohammed Mohammed, der Arabischlehrer aus Latakia, der beim DRK in Marburg einen Deutschkurs belegt hatte. Stunden um Stunden dauert die Erfassung. Immer wieder werden die gleichen Fragen gestellt. Die Flüchtlinge nicken freundlich, wenn sie am Schluss gefragt werden, ob sie alles verstanden haben, auch wenn man da so seine Zweifel haben dürfte. Aber da, wo gar nichts mehr geht, ist Ahmet Rokabi nicht fern.
„Sie wissen nicht, was passiert“
Rokabi betätigt, dass es für die meisten Flüchtlinge sehr schwierig ist, sich mit der Situation zu arrangieren. „Sie wissen einfach nicht, was passiert, wie es weitergeht.“ Das lange Warten auf ein Interview beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist zermürbend, dazu die Tage, die nicht vergehen wollen, weil man zu Untätigkeit verdammt ist. Viele wollen die Sprache lernen und so schnell wie möglich arbeiten. Große Erwartungen haben die wenigsten. „Die Leute sind sehr bescheiden“, weiß der Sozialarbeiter aus Erfahrung. Probleme gebe es vor allem dann, wenn einander fremde Menschen so eng zusammenleben müssen. Im Großen und Ganzen sind die Menschen froh, hier zu sein, sorgen sich aber um Familie und Freunde, die vielleicht noch unterwegs sind.
Mohammed sucht seine Oma
Dann kommt als letzter Fall für diesen Nachmittag Mohammed B. ins Büro. Er kam mit einer Familie nach Deutschland, sagte aber dann vor Ort aus, dass er nicht zu ihr gehört. Tatsächlich waren es Nachbarn, mit denen er sich unterwegs zerstritten hatte. Als 17jähriger gilt er als unbegleiteter minderjähriger Ausländer (umA), der eigentlich nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft mit anderen Erwachsenen bleiben kann. Er muss in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden. Das hat auch rechtliche Gründe. Als unbegleiteter minderjähriger Ausländer kann er kein Konto eröffnen und hat auch nicht persönlich den Anspruch auf Sozialleistungen. Ahmed Rokabi redet mit dem jungen Flüchtling, der von einer Großmutter spricht, die Rokabi auch schnell erreicht. Aber auch die befindet sich derzeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Köln und wartet auf ihre Zuweisung in eine Unterkunft. Deshalb muss für den Jugendlichen erst einmal eine Amtsvormundschaft eingerichtet werden und nach der Klärung der Identität der Großmutter kann die Familie dann auch zusammengeführt werden.
Gegen 18.30 Uhr wird es langsam still in den Diensträumen im Friedberger Süden. Die Flüchtlinge haben ihre Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft bezogen oder sind mit Taxis in andere Unterkünfte gefahren. Am Abend kommt noch die Bindungsliste für die kommende Woche. 122 Menschen sind dann unterzubringen, neben vielen Syrern auch viele Iraker. Jetzt gilt es, Unterkünfte zu finden, damit auch nächste Woche alle zugewiesenen Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben. Viel Arbeit für Tanja Bretthauer und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachstelle.
Helfer gesucht
Wer helfen will, kann sich bei den runden Tischen, die in jeder Kommune im Wetteraukreis mittlerweile existieren, engagieren. Kontakt-Informationen gibt es hier.
Auch Kleidung, insbesondere für Männer in kleineren Größen ist dringend gesucht. Hier sind die Kleiderläden des Deutschen Roten Kreuzes eine gute Adresse. Aus logistischen Gründen kann der Wetteraukreis selbst keine Spendengüter entgegennehmen