Der Pfad zur Eisenerzgewinnung
23 Kilometer lang ist der „Eisenpfad“, ein Rundwanderweg von Gedern über Hirzenhain zurück in die Vulkanstadt im Vogelsberg. Er beginnt am Informationszentrum „Alte Schmiede“ neben dem Schloss in Gedern, führt durch Täler und Wälder an Orte, die mit der Eisenerzgewinnung in Oberhessen und dem Niddertal verbunden sind.
Kulturgeschichte und Geologie
Ein Schloss als Ausgangspunkt für eine Wanderung, die in die Geschichte der Eisenverarbeitung und der Industriekultur führt: In Gedern im Vogelsberg ist dies kein Widerspruch. Denn direkt neben dem einstigen Sitz der Grafen von Stolberg-Königstein, am Informationszentrum „Alte Schmiede“ beginnt der Eisenpfad: Ein 23 Kilometer langer Rundwanderweg, der sich der Kulturgeschichte und Geologie zwischen der Vulkanstadt und der Gemeinde Hirzenhain, bekannt als Standort der Buderus-Werke und ihrer Kunstgießerei, widmet.
Es ist still in der „Alten Schmiede“. Aus dem großen Blasebalg entströmt keine Luft, auch wenn in der Esse ein kleines Feuer lodert. Die Flammen in dem Kamin sind elektrisch erzeugt, der 120 Jahre alte Blasebalg ein Museumsstück. Doch beide erinnern an die lange Tradition der Eisenerzgewinnung und -verarbeitung in der Region um Gedern und im Niddertal. Jahrhundertelang waren beide für ihre reichen Vorkommen an Eisenerz bekannt. Eine Urkunde aus dem Jahr 1375 belegt bereits eine Waldschmiede in der Gemeinde Hirzenhain. Erste Hochöfen wurden dort schon im 17. Jahrhundert gebaut.
Waldschmieden und Eisenhütten
Dass sich weitere Waldschmieden und Eisenhütten im Niddertal beispielsweise in Sichenhausen, Ortenberg und Steinberg (heute ein Stadtteil von Gedern) befanden, ist den Informationstafeln am Informationszentrum „Alte Schmiede“ zu entnehmen. Auch dass die Grafen von Stolberg, also jene, denen einst das Schloss gehörte, schon um 1600 planmäßig eine Bergbausiedlung angelegt haben. Ebenso was Pingen sind, was mit den Schlacken aus den Rennöfen geschah – und dass sich zwischen Hirzenhain und Gelnhaar bis heute ein Steindenkmal befindet, dass an das Schicksal eines Köhlers und seines Sohnes erinnert. Seine Inschrift: „Hier verbrannte der Kohlprenner Engel mit seinem Sohn von 7 Jahren 1786.“
Geübte Wanderer können den Rundweg – realisiert mit Unterstützung aus dem europäischen LEADER-Programm für Oberhessen 2007 bis 2013 – gut in einem Tag bewältigen, gilt es doch obgleich durch Berg und Tal nur insgesamt einen Anstieg von 393 Meter zu bewältigen. Um die Landschaft zu genießen und die Informationen an den zehn Infotafeln zur Geologie und Kulturgeschichte aufnehmen zu können, empfiehlt es sich, die Tour an zwei Tagen zu gehen – möglichst am Wochenende. Denn das Kunstgussmuseum in Hirzenhain ist nur sonntags geöffnet.
Vom Gederner Schloss weist den Wanderer ein schwarzes Kreuz aus den Bergbausymbolen Schlägel und Eisen auf gelbem Grund (auf dem Kopf stehend) den Weg am Spießweiher vorbei zum einstigen Standort der Waldschmiede Steinberg (empfehlenswert ein Abstecher zur Waldkirche Steinberg) bis nach Hirzenhain. Auf dem Weg dahin trifft man auf die Eselsbrücke. Jene Überquerung der Nidder, die einst zu zwei Mühlen führte und die 1972 von der Naturschutzgruppe Steinberg renoviert wurde. Am Rande des steinernen Rundbogens kann man bei einer Rast das Gelesene und die eigenen Vorstellungen, wie hart und entbehrungsreich das Leben der Bergleute und Köhler einst war, noch einmal passieren lassen. Der letzte Kilometer bis zum Ortsmittelpunkt von Hirzenhain ist geprägt von den Blicken auf die Buderus-Werke – einzigartige Gebäude der Industriekultur, die heute „Zu vermieten“ oder „Zu verkaufen“ sind.
Kunstguss-Museum
Über die Straße führt der Eisenpfad dann zur Kunstgießerei und in das Kunstguss-Museum. Vor dem Eingang eine Skulptur: Der Mann, der Eisen gießt. Ein bekanntes Motiv aus der Gemeinde am Rande des Vogelsbergs. Bekannter als der Schmetterling, den das Ortsschild am Eingang zeigt. Doch gerade dieser ist ein Zeugnis, wie filigran in der Kunstgießerei gearbeitet wurde. Der Schmetterling hat mehr als 250 Durchbrechungen und wiegt gerade einmal 3,9 Gramm. Zu entdecken ist er in einer Vitrine, viel weniger auffällig als die Ofenplatten mit biblischen Motiven, an denen man entlang bis zu den Museumsräumen läuft. Viel, viel kleiner als die Büsten und Reliefs, die in den Räumen ausgestellt sind. Nicht wenige davon stammen aus preußischem Besitz, beherbergen doch die Räume des Hirzenhainer Kunstguss-Museums die „größte Sammlung preußischen Kunstgusses außerhalb Berlins“.
Geschichte eines einstigen Industriedorfs
„Aussichten und Ansichten der Wandlungen eines Industriedorfs“ präsentiert derzeit eine kleine Ausstellung im Kunstguss-Museum.“ Ihr Ziel ist es, „ die kulturhistorische Bedeutung eines Industriedorfs darzustellen“, wie Jörg Firnges, langjähriger Leiter der Kunstgießerei, erklärt. „Ohne Buderus“, ergänzt Christof Noß, „hätten wir heute keine Heizung.“ Die aktuelle Ausstellung erinnert auch daran, dass Buderus für seine Mitarbeiter bereits 1920 „eine Speiseanstalt und ein Badehaus“ in Hirzenhain errichten ließ und dafür sorgte, dass seine Arbeiter einmal jährlich mit ihren Kindern ins Theater konnten. Die Villa Buderus, um 1960 ein Kindererholungsheim, ist heute im Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden. Der Friedhof der Familie Buderus sehr wohl. Auch wenn ab Ortsmitte ein kleiner Anstieg zu diesem zu bewältigen ist: Der Abstecher lohnt sich.
Seit dem 18. Jahrhundert produzierte die Firma Buderus in der kleinen Gemeinde reich verzierte Ofenplatten. Doch die Geschichte der Produktionsstätte reicht viel weiter zurück. Denn bereits im Jahr 1678 erbaute die Familie Buderus als Erbpächter die ersten Hochöfen. Und die Ofenplatten aus ihrer Produktion sollten nicht nur ihren Zweck erfüllen, sondern durch kunstvolle Verzierungen auch das Auge erfreuen. Bis sich die Geschäftsleitung von Buderus entschloss, in Hirzenhain eine Kunstgießerei einzurichten, vergingen viele Jahre. 1950 nahm diese ihren Betrieb auf. Auch sie ist seit einigen Wochen Geschichte, denn die Produktion in der Kunstgießerei wurde eingestellt. So kann man leider den Männern mit den Helmen, den Schutzbrillen, den Schutzhosen, den dicken Handschuhen nicht mehr zusehen, wie sie die Form für eine Plakette in den Boden bringen, sie mit Sand sichern. Wie sie Tiegel mit einer grell leuchtenden Masse füllen, der Bronze, bevor sie sie in die Form bringen.
Doch der Wanderer, der sich in Gedern auf den Eisenpfad begeben hat, ist in Hirzenhain erst auf der Hälfte seines Weges angelangt. Vom Ortsausgang geht es gen Osten zurück nach Gedern. Vorbei an einem Köhlermeier und nördlich vom Stadtteil Wenings an einem Pingenfeld. Als Pingen werden Schächte mit einer Tiefe von bis zu 20 Metern und einem Durchmesser von bis zu drei Metern bezeichnet. Keine wirklich sicheren Arbeitsstätten für die Bergarbeiter vergangener Zeiten. Konnten die Pingen doch durch Regen schnell geflutet werden. Westlich des Pingenfelds gibt es noch eine weitere Besonderheit. Vermerkt ist sie im Flyer zum „Eisenpfad Gedern“ mit einem roten Pfeil „Farberde“. Große Vorkommen an Rohstoffen prägten einst das Niddertal. Vor allem: Basalt. Dieses Gestein findet sich heute als Kopfsteinpflaster in jeder Altstadt der Region. Doch auch Buntsandstein zum Bau von Häusern, seltene Farberden, Kalk und Kaolin kommen wurden hier geborgen – nur wenige Kilometer vor dem Ende des Rundwegs und damit dem Ausgangspunkt am Schloss Gedern.
Das Kunstguss-Museum in Hirzenhain ist sonntags von 10 bis 12 und von 13 bis 16 Uhr geöffnet.
Für Geschichte, Gegenwart und Zukunft des „Industriedorfs Hirzenhain“ machen sich Menschen stark, die sich in der Hirzenhainer Gilde zusammengeschlossen haben. Näheres unter hirzenhainer-gilde.de
Öffnungszeiten des Informationszentrums „Alte Schmiede“ und mehr über den Eisenpfad unter www.vulkanstadt.de