Flatter hat mehr Zeit

Im Auto half er 17 Kindern auf die WeltLR Arnold_Carl Cellarius_Erwin Jahn

In  43 Jahren im Rettungsdienst hat Carl Cellarius alias „Flatter“ fast einer halben Million Menschen geholfen. Im Rettungswagen half er bei der Geburt von 17 Kindern. Jetzt bricht eine neue Zeit für den  bekannten Friedberger an.

Flatter hat mehr Zeit

Wer in der Leitstelle des Wetteraukreises arbeitet,  muss Stress wegstecken können. Sobald jemand die Notrufnummer 112 anruft, ist es nämlich eilig. Der Anruf läuft im siebten Stock des ehemaligen Sparkassen-Hochhauses in Friedberg ein. Die beiden dort sitzenden Disponenten sind für rund 300 000 Menschen zwischen Butzbach, Bad Vilbel und Gedern zuständig. Da passiert es auch schon mal, dass mehrere Einsätze gleichzeitig zu organisieren sind. Pro Jahr gibt es im Kreis etwa 40 000 Rettungsdiensteinsätze und 2 500 Feuerwehreinsätze.

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Ein großer, freundlicher Mann, der viel Stress aushält: Carl Cellarius. Foto: Wetteraukreis

Auf den erfahrensten Mann im siebten Stock müssen die Leute von der Leitstelle jetzt aber verzichten.  Carl Cellarius, schon seit 1992 dabei, geht in Rente. Landrat Joachim Arnold und der Personalratsvorsitzende Erwin Jahn haben ihn am 12. August 2015 persönlich verabschiedet.

Die Statistik hat „Flatters“ 43-jährige Berufskarriere penibel verfolgt: 450 000 Menschen hat Carl Cellarius gerettet oder Hilfe zukommen lassen. „Die Arbeit in der Leitstelle ist sehr verantwortungsvoll, weil wir entscheiden müssen, welche Rettungsmittel notwendig sind. Wenn jemand auf der Straße stürzt und sich eine blutende Kopfwunde zuzieht, benötigt er keinen Notarzt. Wer aber über Brustschmerzen klagt, mit Ausstrahlung in den Arm, der zeigt Symptome eines Herzinfarktes. Da heißt es schnell handeln“, schildert Carl Cellarius.

Besonders schwierig ist es in solchen Situationen, die Anrufer zu beruhigen, um die genauen Symptome zu erkennen. Da ist der 1,90 Meter große Mann aber genau richtig, seine ruhige Art überträgt sich schnell auf die Gesprächspartner.

Nicht jeden konnte er retten

Das dramatischste Erlebnis in seinem Berufsleben war sicher der Großbrand Anfang der Neunzigerjahre in Bad Nauheim, bei dem 14 Menschen zu Tode kamen. „Als Fahrer eines Rettungstransportwagens  habe ich einen Schwerverletzten von der Unfallstelle in das Hochwaldkrankenhaus gefahren.“

Traurig ist auch die Erinnerung an das Jahrhunderthochwasser 1981 in Bruchenbrücken, wo er leider ohne Erfolg einen Feuerwehrkollegen reanimierte. Zu den schönen Erlebnissen von Carl Cellarius gehört , dass er 17 Kindern im Rettungswagen den Weg in unsere Welt gebahnt hat.

Spross einer Kellermeister-Familie

Der großgewachsene Mann trägt seinen lateinischen Namen nicht zu Unrecht. Der Cellarius oder Kellerer hatte früher die Aufsicht über den Weinberg und den Weinkeller. Tatsächlich betrieb Familie Cellarius bis in die 70er Jahre hinein eine Weinkellerei in Schotten. „Schon als Bub hab ich da mitgearbeitet“, sagt Carl Cellarius. Dass „Flatter“ mal eine Berufskarriere im Rettungsdienst machen würde, hätte man dem 15-jährigen Schottener Bub wohl nicht vorausgesagt. Er absolvierte nämlich zunächst eine Lehre als Schlosser, fand Heike Bauer aus der Kreis-Pressestelle heraus.  „Das hat mich aber nicht wirklich befriedigt“, erzählt er weiter. Und so drückte er wieder die Schulbank, holte die Realschul- und Fachhochschulreife nach und begann 1972 seinen Zivildienst beim Deutschen Roten Kreuz.

Dort blieb Carl Cellarius zunächst als Transportsanitäter, bildete sich dann zum Rettungsassistenten weiter. Parallel zu seiner Arbeit als Rettungsassistent und Fahrer von Rettungswagen war er beim Roten Kreuz auch in der Leitstelle eingesetzt. Als die 1992 kommunalisiert wurde, trat Carl Cellarius in die Dienste des Wetteraukreises. Parallel dazu arbeitete er noch bis 2007 als nebenamtlicher Rettungsassistent. Auch war Carl Cellarius fast 25 Jahre bei seiner Feuerwehr Friedberg als Gruppenführer aktiv und bei mehreren tausend Einsätzen dabei. Acht Bandscheibenvorfälle und vier Operationen haben dieser Karriere allerdings ein Ende bereitet.

„Helfen ist ungeheuer befriedigend“

„Menschen zu helfen, hat mir viel Freude bereitet und ist ungeheuer befriedigend, vor allem, weil ich mein Wissen so sinnvoll und nutzbringend anbringen konnte. Ich habe mein Hobby als Beruf ausüben können. Dafür bin ich dankbar“, berichtet er stolz.  . Seine umgängliche Art, sein soziales Engagement wird dem Wetteraukreis fehlen, sagte Personalrat Erwin Jahn. Der Ruhestand werde  sicherlich nicht langweilig: Sowohl in der Feuerwehr als auch in der Politik erwarten Carl Cellarius nach Jahns Prognose noch anspruchsvolle Ehrenämter.

Und die Politik. „Flatter“  ist seit Jahrzehnten für die Grünen aktiv – lange im Kreistag, seit 2011 als Stadtverordneter und Vize-Vorsitzender des Friedberger Parlaments.  Er betätigt sich auch in der Betriebskommission der Kreis-Entsorgungsbetriebe, im Abwasserverband und im Kreis-Denkmalbeirat.  Nach der Pensionierung dürfte er noch mehr Zeit dafür haben.

 

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