Hammersbach

Rücktritt – Weg aus dem ZWIGL-Desaster

Von Klaus Nissen

Am Ende blieb ihm nur der Rückzug. Hammersbachs Bürgermeister Michael Göllner (SPD) legte am 8. März 2024 sein Amt als Vorsteher des Zweckverbands interkommunales Gewerbegebiet Limes (ZWIGL) nieder. Dieser Schritt ist Bedingung, damit das Areal am Rasthof Langenbergheim noch ein Stück wachsen kann.

Rückzug des Bürgermeisters von Hammersbach

Drei riesige Logistikhallen stehen auf den früheren Äckern an der A45 zwischen Himbach, Eckartshausen und Langen-Bergheim. Die neueste Halle – ein gut 300 Meter langer und 15 Meter hoher Gebäudeklotz – darf seit seiner Errichtung im vorletzten Jahr nicht genutzt werden. Denn der Verwaltungsgerichtshof Kassel erklärte auf Antrag des Umweltverbandes BUND die Erweiterung des Gewerbegebiets für ungültig, auf dessen Areal die Halle steht.

Diese neue Halle an der A45 darf nicht als Logistikzentrum genutzt werden. Der Investor spricht von Schäden in Millionenhöhe. Foto: Nissen

Grund für diese Blockade ist ein acht Jahre alter Fehler. Anno 2016 beschlossen zwölf der 15 Büdinger, Limeshainer und Hammersbacher Mitglieder in der ZWIGL-Verbandsversammlung die Westerweiterung um zwölf Hektar in Richtung Autobahn. Laut Satzung hätte dieser Beschluss aber einstimmig sein müssen, um zu gelten.

Göllner ließ sich vom Formfehler nicht bremsen

Verbandsvorsteher Göllner trieb den Bau der dritten Logistikhalle trotzdem voran und ließ sich auch durch eine weitere Klage der neuen schwarz-grünen Koalition in Hammersbach nicht bremsen. Der BUND gewann den Konflikt – er fordert nun den Abriss der dritten Halle und die Wiederherstellung des Ackers. Und der Generalunternehmer Wolfgang Dietz aus Bensheim droht mit Millionen-Forderungen an den Verband, falls die Halle dauerhaft nicht genutzt werden darf.

Mehr als ein Jahr dauerte die Suche nach einem Weg, um das Desaster zu vermeiden. Er habe mehr als hundert Stunden lang die Verhandlungen der Akteure moderiert, berichtet der CDU-Landtagsabgeordnete Heiko Kasseckert.

Bei diesem Treffen im Jahr 2019 sah es noch so aus, als könne die dritte Logistikhalle ohne große Probleme gebaut und betrieben werden. Doch der entscheidende Fehler – ein fehlerhafter Beschluss zur Gebietserweiterung – war da schon drei Jahre alt. Heiko Kasseckert (vorne rechts) moderierte später den Ausweg. Und der Verbandsvorsteher Michael Göllner (Mitte) dachte noch nicht an Rücktritt. Links neben ihm Investor Wolfgang Dietz und Limeshains Bürgermeister Adolf Ludwig. Foto: Nissen

Nun scheint ein Kompromiss in Sicht. Dazu gehört vor allem der Rückzug des Verbandsvorstehers Michael Göllner. Der habe das Vertrauen von CDU, Grünen und der Limeshainer Bürgerliste verloren, schrieben die drei Parteien zumWochenende in einer gemeinsamen Erklärung. Sie werfen ihm vor, er habe einfach ignoriert, dass die Gebietserweiterung fehlerhaft war.

Göllner trat nun als Verbandsvorsteher zurück. Er bleibt als Bürgermeister aber mit seinen Kollegen Adolf Ludwig aus Limeshain und Benjamin Harris aus Büdingen im dreiköpfigen Zweckverbands-Vorstand. In seiner Erklärung vom Freitag sieht sich Göllner als Opfer einer „beispiellosen Einmischung in die Angelegenheiten des Vorstandes“ durch CDU, Grüne und Bürgerliste. Von einer „Erpressung“ durch die Grünen spricht in einer weiteren Erklärung gar Susana Cidjovic vom Vorstand der Hammersbacher SPD – Göllners Heimatpartei. Göllner habe „als Verbandsvorsitzender (…) hervorragende Arbeit geleistet“ und eine „Erfolgsgeschichte“ geschrieben.

Neue Halle wird begrünt

Moderator Kasseckert sieht dagegen „grobe handwerkliche Fehler“ in Göllners Arbeit als Verbandsvorsteher. CDU, Grüne und Bürgerliste assistieren: „Das Handeln Göllners war zu keinem Zeitpunkt Teil der Lösung, sondern vielmehr Problemursache.“ Göllner habe stets nur in Sonntagsreden zum Dialog aufgerufen, aber nie dafür die Initiative ergriffen.

Nach seinem Rücktritt scheint der Weg frei für einen Kompromiss zu sein, der zumindest die dritte Logistikhalle benutzbar macht. Um hohe Schadenersatzforderungen und langjährige Prozesse zu vermeiden, soll der Zweckverband laut Eric Duda einen im vorigen November ausgehandelten Vergleich der Gemeinde Hammersbach mit den Investoren akzeptieren. Der sieht mehr Begrünung und ein geringeres Bauvolumen in der Westerweiterung vor. Im dritten Anlauf soll dazu in den nächsten Monaten die Verbandsversammlung einstimmig grünes Licht geben. Ein Termin steht aber noch nicht fest. Der auf Abriss der Halle klagende BUND ist in diesen Kompromiss nicht eingebunden. Es bleibt also ein Prozessrisiko.

Auch die geplante Osterweiterung des gemeinsamen Gewerbegebiets von Hammersbach, Limeshain und Büdingen ist Teil des von Heiko Kasseckert vermittelten Kompromisses. Die ZWIGL-Satzung will man ändern – in Zukunft sollen Erweiterungsbeschlüsse nicht mehr einstimmig, sondern mit einer 80-Prozent-Mehrheit gelten. Um Ackerboden zu schonen, soll das Gewerbegebiet im Osten nicht mehr um 16, sondern um 10,7 Hektar wachsen. Am alten Friedberger Handelsweg soll Schluss sein. Eine ursprünglich von der Dietz AG geplante vierte Logistikhalle darf es dem Kompromiss zufolge nicht geben.

So sieht der Kompromiss zur dritten Halle aus

Der saarländische Elektroteile-Großhändler Hager hat einen Mietvertrag für die neue Logistikhalle neben der A45 an der Autobahn-Auffahrt Langen-Bergheim. Doch er darf das von der Dietz AG erbaute Areal nicht nutzen, um das Rhein-Main-Gebiet mit ihren Produkten zu beliefern.

Es gibt nun einen Ausweg: Wenn bis zum 31. März eine Lösung in Sicht ist, greift ein Ende 2023 verhandelter städtebaulicher Vertrag. Demnach verzichtet die Dietz AG auf Schadenersatz und beteiligt sich mit maximal 600 000 Euro an den Kosten einer verbesserten Autobahn-Auffahrt. Außerdem wird der Investor dann Toiletten und Duschen für die vielen Fernfahrer bauen, die das Logistikzentrum ansteuern.

Das blau umrandete Gebiet links markiert die umstrittene Westerweiterung des interkommunalen Gewerbegebiets. Dort steht inzwischen die dritte Logistikhalle, die auf Weisung des Verwaltungsgerichstshofes nicht genutzt werden darf. Im Intergrund können noch gut zwei Hektar für kleinere Betriebe aus der Region nicht bebaut werden, so lange der acht Jahre alte Formfehler bei der Ausweisung des ERweiterungsgebietes nicht geheilt ist. Foto: Gemeinde Hammersbach

Die neue Hager-Halle darf dann noch ein verkleinertes, maximal zwölf Meter hohes viertes Segment bekommen. Die Hallenfassade muss zu mindestens 30 Prozent mit Rankpflanzen belebt werden. Auf drei Vierteln der Dachfläche sind Solarmodule zu installieren.

Der BUND trägt diesen Kompromiss nicht mit und fordert den Hallenabriss. Als Grüner sei er emotional ebenfalls dafür, räumt Eric Duda ein. Aber: „Fakt ist, der Boden ist zerstört.“ Es mache keinen Sinn, die neue Halle verfallen zu lassen, während die Firma Hager irgendwo anders im Rhein-Main-Gebiet eine andere Logistikhalle miete oder gar eine neue baue und dann dort Ackerboden vernichte.

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