So können mehr Wohnungen entstehen
Von Klaus Nissen
Wer im Rhein-Main-Gebiet eine Mietwohnung braucht, hat schon verloren. Es gibt kaum noch freie und bezahlbare Bleiben. Was tun? Der Deutsche Gewerkschaftsbund im Hochtaunus (DGB) ließ das Problem am 13. März 2023 von ExpertInnen beschreiben. Beim Treffen im Oberurseler Kulturcafé Windrose gab es auch Vorschläge, wie mehr Menschen passende Wohnungen finden könnten.Wohnungsmangel im Rhein-Main-Gebiet
Oberursel ist ein teures Pflaster. Wer dort das Glück hat, eine Wohnung mieten zu können, zahlt mindestens 16 Euro kalt für den Quadratmeter. In Bad Homburg liegt die durchschnittliche Miete bei 14,08, im Hochtaunuskreis bei 12,09 Euro. Hessenweit kostet eine jetzt zu beziehende Mietwohnung im Durchschnitt 10,48 Euro, berichtete Elke Barth. Die Bad Homburgerin ist die wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion.
Die Preise steigen, ergänzte der Frankfurter Sieghard Pawlik. Zum 1. Januar stiegen die Mieten der gut 90 Jahre alten Wohnungen der Carl von Weinberg-Siedlung an der Miquelallee, sagte der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete und aktuelle Frankfurter Stadtrat. Die 48-Quadratmeter-Wohnungen kosten dort nun 51 Euro mehr pro Wohnung, die Hundert-Quadratmeter-Wohnungen wurden um 78 Euro teurer. Pawlik: „Mir sagte eine Frau: Ich habe drei Jobs. Aber durch diese Erhöhung kann ich mir meine Wohnung nicht mehr leisten.“
Wenn eine Wohnung dann noch saniert wird, komme leicht ein monatlicher Kostenblock von 144 bis 200 Euro auf den jeweiligen Mieter zu. „Wir sprechen draüber, ob Menschen in bestimmten Bereichen dieses Ballungsraumes überhaupt noch wohnen können.“ Denn leider lebt nur eine Minderheit der Frankfurter in den Wohnungen der alten Baugenossenschaften. Der 81-jährige Sieghard Pawlik kennt als Vorsitzender des Mieterbundes „Hoechster Wohnen“ beispielsweise eine Genossenschaft mit 1500 Wohnungen, die im Schnitt nicht mehr als 5,74 Euro pro Quadratmeter kosten.
Bauherren im „Bürokratie-Irrsinn“
Viele andere Mieten sind nicht nur wegen der Rendite-Erwartungen der Wohnungsbesitzer sehr hoch. Das Bauen ist teuer und kompliziert geworden. Für die Herstellung eines Quadratmeters Wohnfläche müsse er mindestens 4000 Euro aufbringen, klagte der SPD-nahe Investor Sven Greiling beim Treffen in Oberursel. Und dann komme noch der „Bürokratie-Irrsinn“ hinzu: Auf eine Baugenehmigung müsse er auch bei einfachen Sachlagen bis zu einem Jahr warten. Und dann gebe es Auflagen, die einen Bau kaum noch rentierlich machten.
Was kann man tun? Auf jeden Fall muss den Baugenossenschaften das Investieren leichter gemacht werden, meinte Barbara Reuter. Die haben nämlich schon große Grundstücks- und Wohnungsbestände, die man sanieren und aufstocken könnte. Etwa ein Drittel des dazu nötigen Kapitals können diese Genossenschaften selber aufbringen, sagte die Vorsitzende des Netzwerks Frankfurt für Gemeinschaftliches Wohnen.
Während Tausende Familien und Singles vergeblich nach einer Mietwohnung suchen, stehen tausende Wohnungen und Häuser leer. In Frankfurt stehen nach Schätzung von Sieghard Pawlik etwa 300 Häuser mit 2700 Wohnungen leer – zum Teil schon seit 15 Jahren. Im Stadtteil Höchst lasse der Vonovia-Konzern 51 seiner Wohnungen seit mehr als einem Jahr leerstehen.
Im Publikum berichtete eine Frau aus Oberursel, dass in ihrem aus acht Wohnungen bestehenden Genossenschafts-Komplex nach dem Tod der Bewohner drei Wohnungen schon länger frei sind. „Die Leerstände sind bekannt, aber es regt sich einfach nichts“!
Allein in riesigen Wohnungen
Sie wohne in Glashütten, erzählte eine Dame aus dem Publikum. „Wir haben wir viele Flachdach-Bungalows auf 1500 Quadratmetern im Ort. Da leben Witwen alleine drin, die liebend gern woanders hinziehen würden. Aber barrierefreie Zweizimmerwohnungen fehlen im ganzen Landkreis.“ Sie selber wohne alleine auf 140 Quadratmetern in fünf Zimmern, und ihr Lebensgefährte habe ein Reiheneckhaus. Aber man habe noch keine gemeinsame Wohnung gefunden.
Zur Linderung des Wohnungsmangels hatten die Podiumsgäste jede Menge Vorschläge parat. „Wir müssen die Leerstände unterbinden!“ forderte Sieghard Pawlik. „Sie sind ein unverzeilicher gesellschaftlicher Skandal!“ Leerstand müsse zu einer Rechtswidrigkeit erklärt werden. Und wenn das nicht reicht, so sekundierte der frühere Frankfurter DGB-Vorsitzende Harald Fiedler, brauche es Gesetze, die Enteignungen möglich machen.
Leerstände sind nicht nur durch spekulierende Eigentümer zu erklären, meinte die Abgeordnete Elke Barth. Es liege auch daran, dass manche, teils schon sehr alte Eigentümer mit der Sanierung und Vermietung ihrer Liegenschaftens schlicht überfordert seien. Denen müsse man dabei helfen. Die Kommunen könnten beim Wohnungstausch behilflich sein.
Gut findet die Abgeordnete beispielsweise die Wohnrauminitiative Frankfrt-Rhein-Main. Sie trete als Generalmieterin auf, die Wohnungen mietet, renoviert und verlässlich die Mieten zahlt. Die eigentlichen Bewohner sind dann Leute, die aus eigener Kraft kaum Chancen auf dem Markt hätten. In Kassel bekommen so zum Beispiel Studenten, entlassene Strafgefangene und Leute eine Bleibe, die eine negative Schufa-Auskunft aufweisen.
Komplexe Bauordnungen entrümpeln
Für wichtig hält Elke Barth auch Leerstandskataster in den Städten. Schon diese Bestandsaufnahme habe in München dazu geführt, dass 350 leere Wohnungen belebt wurden. „Es hätte 132 Millionen Euro gekostet, wenn man so viele Wohnungen neu bauen würde.“
Der Staat sollte auch die komplexen Bauordnungen entrümpeln, meinte die hessische Oppositionspolitikerin. Und Investoren, die bezahlbaren Wohnraum schaffen, sollten Steuererleichterungen bekommen. Wichtig wäre zudem dass beim Bau geförderter Wohnungen mit verbilligten Mieten in Hessen diese nicht mehr nach 25 Jahren, sondern viel später oder nie aus der Sozialbindung entlassen würden.
Die Kommunen sollten nicht weiter kostbares Land für neue Einfamilienhäuser hergeben, meinte ein Mann aus dem Publikum. Kommunales Bauland sei künftig nur noch in Erbpacht freizugeben.
Der sozialdemokratische Wohnungsbauer Sven Greiling wies zudem auf die vielen Dachböden in der Region hin. Die Bauordnung müsste deren Umbau in Wohnraum gestatten. „Diese Wohnungen könnte man für acht bis neun Euro pro Quadratmeter vermieten.“
Sehr gut zugehört und berichtet.
Schade dass das keine andere Zeitung getan hat . Oder war wo was ?