Ausstellung in Frankfurt
Von Detlef Sundermann
Das 1951 errichtete Frankfurter Fernmedehochhaus gelt seinerzeit als sensationell. Das Museum für Kommunikation Frankfurt hat dem Gebäudekomplex eine Sonderausstellung gewidmet, die bis zum 9. März 2025 zu sehen ist.Vollgestopft mit Kommunikationstechnik
Ältere Semester mögen sich noch daran erinnern, an das „Fräulein vom Amt“ oder das Telegramm. Doch wo saß die Auskunftsgeberin, wenn etwa eine Telefonnummer gesucht wurde oder die Verbindung ins Ausland gehen sollte? Oder gingen die eiligen und teuren Kurznachrichten ein, die ein Bote dem Empfänger überbringen sollte? Auf jeden Fall im Frankfurter Fernmeldehochhaus.
Das Museum für Kommunikation Frankfurt hat diesem seinerzeit – auch schon wegen seiner Höhe von 69 Metern – sensationellen Gebäudekomplex eine Sonderausstellung gewidmet. In der Schau geht es jedoch nicht allein um die Architektur und deren Entstehungsgeschichte. Die zahlreichen Fotografien zeigen ebenso die Menschen und deren Arbeitsplätze. Immerhin waren bis zu 5000 Personen in dem riesigen Gebäudekomplex samt dem Hauptpostamt 1 am nördlichen Rand der Zeil tätig, von dem das Hochhaus der weithin sichtbarste Bau war.
Die eher schlichte Travertinfassade mit der strengen Gliederung der Fensterreihen verbarg eine künstlerisch ausgestaltete Innenarchitektur mit einem Hauch von Luxus zum Wohlgefallen aller Beschäftigten. Offenbar sollte die Gestaltung ein Gegenpol zu den mit voluminöser Kommunikationstechnik vollgestopften saalartigen Räumen sein. Die Post gab sich als wertschätzender Arbeitgeber. Geeignete Mitarbeiter zu bekommen, war damals wohl ein Problem. Die Fernmeldezentrale kannte zudem keine Schließzeiten, der Schichtbetrieb lief rund um die Uhr. Ob der viele Beschäftigten soll es eine kleine Stadt gewesen sein. Das Fitnessstudio gab es zwar noch nicht, aber dafür eine zum Sonnendeck gestaltete Dachterrasse, natürlich mit Liegestühlen und Schattensegeln. Neben Arbeiten und Pausieren soll auch das Zwischenmenschliche nicht zu kurz gekommen seien. Gefeiert wurde im bundesweit größten Fernmeldeamt ebenso, ganz offiziell etwa zu Fasching. Vermutlich weniger in den oberen Etagen, wo schon wegen der erschütterungsempfindlichen Technik noch nicht einmal der Aufzug hingefahren seien soll.
Vor 20 Jahren abgerissen
In diesem Jahr jährt sich der Abriss des monumentalen Komplexes zum 20. Mal. Seine bauliche Seele bestand aus einem Skelett aus Stahl bestand. Für Kuratorin Margret Baumann, Chefredakteurin des Magazins „Das Archiv“ der Deutschen Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte, war dies der Anlass, eine Ausstellung zu konzipieren, bei der sie vor allem auf Bilddokumente von sechs Fotografen und einer Fotografin zurückgriff. Ilse Wiesner war bei der Post angestellt, ebenso Hans Kanne, der als Autodidakt zum Fotograf wurde. Die anderen Namen sind Max Göllner, Hans Michael Heynen, Erich Rossel sowie Tom von Wichert und Wilfried Woscidlo.
Für die Ausstellung durchforstete Baumann Archive und Nachlässe, so weit sie noch vorhanden waren. Einen Fundus an Bildern entdeckte die Kuratorin vor rund zehn Jahren im Keller des Bonner Postarchivs. „Dort lagen in einem Karton wunderbare Architekturfotos.“ Diesen Schatz hat sie für die Schau geöffnet. Eine Auswahl daraus wird nunmehr präsentiert. Die Reproduktion habe sich jedoch zum Teil schwierig gestaltet, zum Teil seien lediglich Kontaktabzüge oder Glasplattennegative vorhanden gewesen.
Symbol des Wiederaufbaus
Die Bauphase des Fernmeldeensembles samt dem Hauptpostamt 1 an der Zeil dauerte von 1951 bis 1958. Das riesige Fernmeldeamt ragte dabei zeitweilig mit seinem Stahlskelett wie eine Ruine über die zum Teil noch in Trümmern liegende Innenstadt. Es war für die Frankfurter ein Symbol des Wiederaufbaus. Nur der Dom war mit seinem 95 Metern höher. Das Gotteshaus hätte die Post gerne übertrumpft wegen der Richtfunkstrecken, deren meterhohen Muschel- und Parabolantennen auf der obersten Etage unter dem zeittypischen Flugdach eine „freie Sicht“ benötigen. Aber Oberbürgermeister Walter Kolb soll dem Staatsbetrieb klargemacht haben: Höher als der Dom baut keiner. Die Entstehungsphase des Fernmeldehauses sei nur spärlich dokumentiert, sagt Baumann. Erst nach dem Bezug habe die Post immer wieder eigene und beauftragte Fotografen in das Haus geschickte, nicht zuletzt ob der Stippvisiten ausländischer Politikdelegationen. An dem Standort wurden nämlich auch ausländische Fachkräfte für ihre Heimatländer ausgebildet. Vor allem Frauen etwa aus Nigeria oder Iran (seinerzeit Persien) wurden dort in der Vermittlung, im Telegrammdienst und anderen Bereichen trainiert.
Dass Frankfurt zum Zentrum für Telefon, Telegramm oder Bildfunk wurde, ergab sich aus dem aus immer mehr neuen Leitungen bestehenden Telefon- und Telegrafiestrang, der sich Acht-förmig durch Deutschland zog und dessen Kreuzungspunkt schon vor dem Krieg just an der Stelle lag, wo das Fernmeldehochhaus hingestellt wurde. Die „Kabel-8“, später auch Trägerfrequenzband genannt, entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen der Telefonie. Während das oberirdische Frankfurt nach dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche lag, war der Knotenpunkt unbeschadet geblieben, der bis dahin schon aus rund 10 000 Schaltkreisen bestand. Dieser Knoten machte auch den Abriss im Jahr 2004 zum großen Problem. In den 1990er Jahren beschloss die Post und deren Nachfolgerin die Telekom, das ganze Areal einschließlich der Hauptpost an einen Investor abzustoßen. Das Fernmeldeamt war nur noch zum Teil belegt, die Bausubstanz sanierungsbedürftig und der Richtfunkknoten ob der neu erstandenen Bürotürme bereits seit 1979 auf dem „Ginnheimer Spargel“ verlegt worden.
Der Abriss sowie die Neubebauung mit einem Hotel- und Bürohaus durften die kommunikationstechnische Lebensader in keiner Weise beeinträchtigen. Langjährige Techniker wurden daher mit dem aufwendigen Rückbau der Anlagen in den Vermittlungssälen beauftragt. Danach ging es mit dem Rückbau des einstigen architektonischen Wunders in Deutschland sehr schnell. Dessen Baugrube war 130 Meter lang, 22 Meter breit und acht Meter Tiefe gewesen. Für den bau waren einst zwei reichte – sehr schnell, für das zwei Herren einst sogar aus Nürnberg angereist waren – mit dem Fahrrad.
„Das Fernmeldehochhaus Frankfurt 1951-2004. Ein kurzer Abriss“ ist bis 9. März 2025 im Museum für Kommunikation Frankfurt. Öffnungszeiten, Anfahrt und Rahmenprogramm unter: mfk-frankfurt.de/das-frankfurter-fernmeldehochhaus/
Titelbild: Der Gebäudekomplex kurz nach der Fertigstellung.
Anfang der 1970er Jahre habe ich im Frankfurter Fernmeldehochhaus gearbeitet. Drei Mitschüler aus Laubach und ich hatten vierwöchige Ferienjobs als Telegrammboten ergattert. In Früh- oder Spätschicht radelten wir durch die Innenstadt, um die eiligen Nachrichten zuzustellen. In einem großen Saal warteten wir mit den anderen Boten auf unsere Aufträge. Mehr als die Arbeit und das Gebäude sind mir die Begleitumstände in Erinnerung. Wir wohnten für die Zeit des Jobs in einem winzigen Zimmer in einem Studentenwohnheim. Das Zimmer hatte uns eine Studentin überlassen. Es war viel zu klein für uns vier – und es gab keinen Wecker. Der war für die Frühschicht dringend nötig. Der Versuch, einen kostenlos in einem Kaufhaus an der Zeil zu besorgen, endete mit Hausverbot. Wir legten unser knappes Geld zusammen – noch hatten wir keinen Pfennig verdient – und kauften anderswo einen. Auch für unsere Wohnungsnot schien sich eine Lösung anzubahnen. Wir waren erst ein paar Tage da, der herrschte große Aufregung im Wohnheim. Gegenüber wurde eine lange leerstehende stattliche Villa besetzt, um gegen Immobilienspekulationen zu protestieren. Wir schlossen uns sogleich den Besetzern an. Die Stimmung war gut, die Nachbarn spendeten Suppe und Würstchen. Aber schon nach knapp zwei Stunden wurde unser Traum von einer großzügigen Unterkunft zerstört: Das Haus wurde von Polizei umzingelt. Wir ließen uns auf deren Angebot ein, das Haus zu verlassen. Am nächsten Morgen mussten wir zur Frühschicht ins Fernmeldehochhaus.