Eine deutsche Partei

Die AfD hautnah

Von Bruno Rieb

Wie eine seltsame Mischung aus Lustspiel und Horrorfilm wirkt, was eigentlich als AfD-Dokumentation gedacht war. Zwei Wochen vor dem Kinostart war der Dokumentarfilm „Eine deutsche Partei“ am Mittwoch, 1. Juni 2022, im Butzbacher Kino zu sehen, mit eifriger Diskussion mit dem Regisseur Simon Brückner und der Politikwissenschaftlerin Dr. Alexandra Kurth von der Uni Gießen im Anschluss. Die Butzbacher Stiftung „Kultur und politisches Bewusstsein“ hatte die Vorstellung ermöglicht.

Filmemacher Simon hatte mit seinem Team drei AfD-Politiker von 2019 bis 2021 begleitet, drei Selbstdarsteller, die er in sechs Kapiteln durch den Morast der parteiinternen Flügelkämpfe tappen lässt. Der Film habe ihr offenbart, wie stümperhaft agiert wird“, sagte Rechtsextremismusexpertin Kurth. Der Film lasse hinter die Kulissen blicken, zeige zum Beispiel, dass AfD-Politiker der eigenen Zählkommission bei Vorstandswahlen nich trauen.

Die Duskussion nach der Vorstellung: (von links) Politikwissenschaftlerin Dr. Alexandra Kurth, Kinobetreiber Michael Krause und Regisseur Simon Brückner (Fotos: Bruno Rieb)

Skurrile Komik

Eine Landtagsfraktion ist in einer längeren Szene zu sehen. Sie diskutiert ihren Antrag, in Schulklassen das Grundgesetz auszulegen und die Deutschlandfahne aufzuhängen. Im Verlauf der Diskussion wird deutlich, dass es sich um einen reinen Schauantrag handelt, der von den anderen Parteien abgelehnt werden soll, um sie als Feinde des Grundgesetzes anprangern zu können. Es zeigt sich aber auch, dass AfD-Mitglieder selbst Probleme mit dem Grundgesetz haben.

„Gab es keine klügeren Strategie-Debatten?“ fragte die Politikwissenschaftlerin den Filmemacher. „Ich hätte sie gerne gezeigt“, antwortete der. Beim Schneiden des Films sei die Gefahr entstanden, eine Art „Heute-Show“ zu machen. „Es hatte eine Art skurrile Komik.“ Er sei nicht dort gewesen, um irgend jemanden in die Pfanne zu hauen. „Das machen die auch ganz gut selbst“, sagte Brückner an anderer Stelle.

Eine Delegation des AfD-Nachwuchses „Junge Alternative“ ist zu sehen, die ins Aartal nach der Flutkatastrophe reist, um Spendengeld zu überreichen. Recht verlassen stehen die Rechtsextremen im verwüsteten Tal mit ihrem überdimensionalen 10000-Euro Gutschein herum, als wollte niemand etwas mit ihnen zu tun haben. Katastrophaler politischer Katastrophentourismus.

Den Zenit längst überschritten

Wie er es geschafft habe, dass die AfDler ihn so nahe herangelassen haben, wollte Kinobetreiber Michael Krause vom Regisseur wissen. Es habe viel Misstrauen gegeben, räumt der ein und spricht von einem „Überraschungsmoment“ und der „Gunst der Stunde“. Es habe ihn überrascht, wie wenig vertikale Kontrolle es in der AfD gebe. „Die einzelne Parteigliederung war ziemlich frei“, stellt er fest. Er habe „so etwas wie ein historisches Dokument“ machen wollen. Und: „Ich wollte fair sein.“

Die „Gunst der Stunde“ könnten die harten Flügelkämpfe in der AfD zu jener Zeit gewesen sein. Der Film endet mit dem Hinweis, dass drei Wochen nach Ende der Dreharbeiten der eher gemäßigte Jörg Meuthen die AfD verlassen hat. Wie weit Brückner tatsächlich hinter die Kulissen blicken durfte, bleibt offen. Was er sehen durfte, reicht aber aus, um die AfD als Gurkentruppe zu erkennen, die ihren Zenit überschritten hat, die durch ihre Radikalisierung aber umso gefährlicher werden könnte. Der Film lässt den mit der AfD und ihren Akteuren wenig vertrauten Zuschauer ziemlich alleine. Es wird lediglich eingeblendet, bei welchen Gelegenheiten gedreht wurde. Informationen, welche Personen zu sehen sind, fehlen. Hintergrundinformationen gibt es gar keine.

Parteien wie die AfD würden durch eine Welle der Empörung getragen. Wenn die verebbe werde in der Partei der nächste zum größten Feind, stellte Kurth fest. „Die AfD wird nicht die letzte Partei in diesem Spektrum sein“, sagte sie. Sie nannte die „Republikaner“ und die Schill-Partei als vergleichbare Parteien, die das Spektrum rechts von der CDU einigen wollten.

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