Ein großer Wurf – auf dem Papier!
Der Weltnaturschutzkonferenz in Montreal ist der beabsichtigte große Wurf gelungen: Ein Drittel der Erdoberfläche will die Weltstaatengemeinschaft unter Schutz stellen. So zu lesen auf dem letztlich beschlossenen Papier, doch Papier kann sich gegen das Bedrucken mit guten Absichten nicht wehren.Krieg leert die Kassen
War es nicht auch ein lange ersehnter großer Wurf, als die Weltklimakonferenz 2015 in Paris beschloss, die menschengemachte Erderwärmung auf höchstens zwei, besser noch anderthalb Grad Celsius zu begrenzen? Und ist nicht gleichwohl seither die Sättigung der Atmosphäre mit Treibhausgasen auf ihren allerhöchsten Stand gestiegen?
China, das bevölkerungsreichste Land der Erde, verfeuert, temperaturtreibend, so viel Kohle wie nie zuvor. Deutschland lässt Kohlekraftwerke länger laufen, um den Mangel an Russengas auszugleichen. Für den Natur- wie den Klimaschutz ist die politische Weltlage denkbar ungünstig.
Der Ukraine-Krieg kostet Russland wie die westliche Allianz Tag für Tag Unsummen an Mitteln, mit denen man für Klima und Natur Berge versetzen könnte. Dabei hängt aller Umweltschutz doch letztlich am Geld. Und gerade jetzt gefährdet der Wegfall von billigem Erdgas die industrielle Basis deutschen Wohlstands. Dabei hat der Corona-Virus schon genügend in der Staatskasse gewütet.
Politischer Flächenschwindel
Hic Rhodos, hic salta, sagt der Lateiner. Auf unseren Fall gemünzt: Klopfe nicht in Montreal große Sprüche, wenn Du nicht hier in Deutschland Großes vorweisen kannst. „In Deutschland sind bereits große Flächenanteile an Land und im Meer geschützt,“ lässt unsere Umweltministerin Steffi Lemke verbreiten. Das ist Hochstapelei.
Gerade einmal knapp drei Prozent des deutschen Staatsgebietes sind in Nationalparken wie denen für das Wattenmeer hinreichend streng geschützt. Weitere neuntausend meist viel zu kleine Flurstücke, entsprechend sechseinhalb Flächenprozent, stehen unter Naturschutz, aber nicht einmal die konventionelle Landwirtschaft wie der Maisanbau und auch nicht die Jagd auf Hasen sind davon ausgesperrt.
Klimaschutz beißt Naturschutz
Wer sich schön rechnen will, zählt auch die Naturparke – in Hessen sind es die Mittelgebirge – zum irgendwie geschützten Bereich, doch dort ist selbst Straßen- und Siedlungsbau möglich, wenn es die politischen Gremien beschließen. Nein, auf beinahe jedem Quadratmeter unserer dichtbevölkerten Republik wird darum gekämpft, das Äußerste an möglichem Nutzen herauszuholen. Jede Schmälerung des privaten Nutzens zugunsten des Naturschutzes kostet den Staat blankes Geld.
Besser spielen auf dem eigenen Rasen
Zu allem Übel kommt: Naturschutz und Klimaschutz beißen sich. Wer Wirtschaftswald aus der Nutzung nimmt, dem fehlt der nachhaltige und klimaverträgliche Rohstoff Holz. Und nicht von ungefähr berufen sich klagende Umweltschützer auf Rotmilan und Haselmaus, wo Rotortürme aufgestellt werden sollen. Auch Schweinswale und Robben freuen sich nicht auf die neuen Flüssiggas-Häfen an den deutschen Küsten.
Es ist löblich und verdienstvoll, wenn wir die Lebensräume von Elefant und Tiger im Irgendwo mitfinanzieren. Es ist gut, wenn sich die Menschheit für den Weltnaturschutz Ziele setzt, an denen das Tun und Nichtstun aller nun hoffentlich gemessen wird. Doch nicht in „Botokudien“, sondern auf dem eigenen Bolzplatz stehen wir im Tor. Hoffentlich schneiden wir – um im Beispiel zu bleiben – nicht so schmählich dabei ab wie die Nationalmannschaft in Katar. Mit der Armbinde Welt-Umweltschutz gewinnt man kein Spiel, in Doha nicht und auch nicht in Montreal.
Dr. rer. pol. Dietrich Jörn Weder war Jahrzehnte lang leitender Umweltredakteur und Fernsehkommentator des Hessischen Rundfunks. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als freier Autor für Print- und Audiomedien. Er betreibt den Blog Wachposten Frankfurt, auf dem er Kommentare zu aktuellen Themen veröffentlicht. Wachposten
Titelbild: Ein Tiger im Frankfurter Zoo. (Foto: Dietrich Jörn Weder)