Warum Medea?

Veronika Brendel über Oper in Friedberg

Monatelang probte ein Ensemble aus Profis und Laien, um die Oper „Medea“ von Luigi Cherubini aus dem Jahr 1797 im Theater Altes Hallenbad in Friedberg aufzuführen. Ende September 2018 gab es schließlich vier ausverkaufte Vorstellungen.  Landbote-Redakteur Klaus Nissen befragte die Regisseurin  Veronika Brendel,  wie und warum das Stück auf die Bühne kam.

Warum Medea?

Wie viele Menschen schauten sich die Medea-Aufführungen im ehemaligen Jugendstil-Hallenbad an?

Das kann ich  nicht genau sagen. Ich schätze pro Aufführung durchschnittlich 140, insgesamt also rund  560 Zuschauer.

König Kreon (Timon Führ, Mitte) gibt seinen Segen zur Vermählung seiner Tochter Clauce (Sonia Doniat) mit Giasone (Alec Otto). Im Hintergrund der Chor „Klangbad“. Das Theater Altes Hallenbad war selbst die Kulisse für die Oper. Foto: Nissen
Wie seid Ihr auf Medea gekommen?

Es gab mehrere Gründe. Wir versuchen, aus Kostengründen Opern zu spielen, bei denen wir keine Aufführungsrechte zahlen müssen. Dann muss die Chorpartie für den Chor singbar sein. „Klangbad“ ist ja unter der Leitung von Daniel Görlich  ein Chorprojekt über das ganze Jahr, und die Chorsänger werden dann nicht extra für die Oper ausgewählt. Mich als Regie beschäftigt das Drama der Medea. Ich  habe dazu auch ein Stück im Hinterkopf, das ich mit meinem Ensemble von der Theatercompagnie Die Tagträumer  realisieren möchte.

Inhaltlich ist es ein zeitloses Thema: Eifersucht, Verlassenwerden und Rache. Dass jemand seine eigenen Kinder umbringt, ist ja eher ein männliches Verhalten. Ist Medea nicht eine tragische Figur beiden Geschlechts?
Medea ist  eine Dramengestalt der griechischen Mythologie. In ihrer Gefühlswelt ist sie zeitlos. In der Oper von Cherubini  wird die Vorgeschichte, die Flucht aus Kolchos, nicht behandelt. Aber Medea ist eine Flüchtende, sie ist eine Fremde in Korinth. Für alle handelnden Personen, zum Beispiel  den König Kreon, der sie des Landes verweisen möchte,  ist das wichtig. Deshalb habe ich unter anderem  eine Sprecherin in der Inszenierung eingeführt.

Das Schwanken zwischen den Gefühlsebenen, Eifersucht / Liebe, Verlassenwerden/ Festhalten, Rache/ Verzeihen zu erfassen und in Gesang und Worten auszudrücken, ist eine Herausforderung. Für mich zählt nicht die Tat des Mordens, sondern der Weg dorthin –  und in der Oper ist der  Weg sehr lang. Es geht um die schwankenden Gefühle.

Medea (Cornelia Haslbauer) versucht, ihren Mann Giasone (Alec Otto) zu sich zurück zu holen. Doch sie weiß schon, dass er sich endgültig von ihr getrennt hat. Foto: Nissen
 Medea ist wütend und traurig, weil ihr Mann Giasone sie verlässt. Es dauert aber lange, bis sie handelt.
Vielleicht handelt ein Mann schneller auf eine Verletzung. Er würde wohl schneller zur Tat schreiten, und die Oper wäre bedeutend kürzer. Das Stück handelt aber auch von der Macht.  Der Wunsch,  mächtig zu sein und König zu werden, lenkt Giasone.
Woher kamen die Solisten und woher das Orchester?

Die Solistinnen und Solisten kommen aus ganz Deutschland, aus Holland und Südafrika. Die meisten sind vom Projekt  so begeistert, dass sie auch beim nächsen Mal dabei sein möchten. Die Musiker des Orchesters arbeiten im Rhein-Main-Gebiet.  Auch hier entsteht eine „Tradition“; sie schätzen es,  mit dem Dirigenten Klaus D.Jung zu arbeiten.  Cornelia Haslbauer, die die Medea sang, hatte für das ganze Projekt den Hut auf.

Wie groß war das gesamte Ensemble?

Mit all den Personen, die auch im Hintergrund arbeiten, sind es bestimmt 70 bis 80 Personen. Das Ensemble auf der Bühne besteht aus 52 Personen.

Es sind ja viele Laien dabei, die für mich ein erstaunliches Niveau erreicht haben. Was hat sie motiviert, so lange zu proben und für wenig Geld zu singen?
Der Chor „Klangbad“ gab der Oper stimmliche Fülle. Er umfasst gut 20 Sängerinnen und einige wenige Sänger. Foto: Nissen

Wie gesagt, der Chor probt nicht nur vor der Aufführung, sondern es es ist ein Jahresprojekt. „Medea“ war meine dritte Operninszenierung im Hallenbad. Und ich glaube, mein Versuch, den Chor auch spielerisch und szenisch ins Geschehen einzubinden, ist für die Chorsängerinnen und -sänger reizvoll und spannend.

Wie groß war überhaupt das Budget für die Oper? Es wurde gesponsort vom Kultursommer Mittelhessen, von der Aventis-Foundation und der Initiative „KulturMut“. Und es gab ein Crowdfunding.

Die Frage kann ich nicht genau beantworten. Auf jeden Fall zu wenig. Es ist ein Opernprojekt, bei dem noch viel Eigeninitiative und ehrenamtliche Arbeit gefragt ist.

Kann man dem großen Aufwand nicht Rechnung tragen und noch einige Gastspiele geben?

Gastspiele sind schwierig.  Es ist schwer,  geeignete Orte sind zu finden. Und dann ist es ein finanzielles und zeitliches Problem.

Oder wenigstens im Aha ein paar Vorstellungen zusätzlich geben?

Das wäre möglich. Und ich würde es sehr befürworten, da die Inszenierung auf den Raum abgestimmt ist. Das Alte Hallenbad ist quasi die Bühne.

Im Aha wurde ohne eigenes Bühnenbild gesungen, und das Publikum hat es offenbar nicht vermisst. Geht das bei allen Opern?
Das Ensemble am Ende der Aufführung. Foto: Altes Hallenbad

Ich glaube, es ist schwierig bei großen Inszenierungen den Raum des Alten Hallenbades zu  übersehen. Es ist spannend zu überlegen, auf eine Guckkastenbühne zu verzichten. Die Oper, das Stück, der Inhalt suggeriert in mir eine räumliche Vorstellung, die ich dann versuche mit dem Raum in Einklang zu bringen. Ich arbeite auch im Theater meist ohne großes Bühnenbild, ich „choreographiere“ die auf der Bühne agierenden Personen. Bei meinen Inszenierungen wird der Raum vor allem durch das Licht suggeriert. Auch die Kostüme in ihrer Farbgestaltung spielen eine große Rolle. Bei den Operninszenierungen waren auch meine Kostümbildnerin und mein Lichttechniker beteiligt, mit denen ich schon einige Jahre zusammenarbeite.

Ist schon eine Oper für 2019 ausgeguckt?

Wir denken im Moment eine Oper an. Mal schauen. Vielleicht „Aida“.

Mehr über Medea
Das Drama der Zauberin Medea stammt aus der Antike. Im Frankfurter Liebighaus sind im Herbst 2018 wertvolle und uralte Objekte zu sehen, die einen Bezug zu Medeas und ihrem Gattn Jason haben. Mehr darüber hier.

Über das Friedberger Medea-Projekt hat die Sängerin Cornelia Haslbauer im September 2018 dem Kultur-Radio hr2 ein Interwiew gegeben. Nachzuhören ist es hier:

Das 30 Jahre lang geschlossene Alten Hallenbad in Friedberg wurde 2009 von einem Förderverein übernommen, der es seitdem zu einem Kulturhaus umbaut. Eine  ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Kultur-AG veranstaltet jährlich mehr als zwei Dutzend Theaterabende, Konzerte und andere Events. Aktuelle Neuigkeiten stehten auf der Facebookseite „Theater Altes Hallenbad“.

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