Rewe-Logistikzentrum

Entscheidung lässt auf sich warten

Von Detlef Sundermann

Auf dem 26,4 Hektar großen einstigen Ackerland an der A45 bei Wölfersheim-Berstadt wird voraussichtlich auch in diesem Jahr nicht mit dem Bau des umstrittenen Rewe-Lager begonnen. Auf Anfrage des Landboten teilte die Pressestelle des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Kassel mit, dass das Normenkontrollverfahrens des Bundes für Umwelt und Naturschutz (Bund) Wetterau gegen den Bebauungsplan wegen des komplexen Sachverhalts in diesem Jahr nicht entschieden werden könne.

Ende Mai 2019 hatte der Bund mit einer 50-seitigen Begründung am VGH Klage gegen den Bau eingereicht. „Die Zielabweichung vom Regionalplan Südhessen ist die Voraussetzung für alle weiteren Planungsschritte zur Realisierung des Logistikzentrums. Das betrifft insbesondere die Verabschiedung eines entsprechenden Bebauungsplans, die wir durch unseren Eilantrag verhindern wollen“, erklärte damals Bund-Chef Werner Neumann. Im Regionalplan war das Baugebiet bislang als Vorrangfläche Ackerland ausgewiesen. In der Genehmigungsphase seien während der Offenlage von Umwelt- und Naturschutzverbänden sowie von Einzelpersonen mehrere 1000 Einwendungen vorgebracht worden. „Die guten Argumente gegen das Logistikzentrum wurden im Rahmen der Beschlussfassung der Gemeinde Wölfersheim zum Bebauungsplan lapidar zurückgewiesen. Eine fachliche Prüfung der Auswirkungen findet leider nicht mehr statt“, so Neumann zum Klageentschluss.

Eilantrag gegen Erdarbeiten

Damit sich der Status quo auf dem Gelände bis zur Entscheidung des VGHs nicht verändert, reichte der Bund im Sommer 2020 einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Gießen ein. Rewe soll mit der Bauvoranfrage einen Antrag auf Oberbodenabtrag vorgelegt haben, noch bevor vor es eine gültige Baugenehmigung gab – und begann mit den Arbeiten. Um das weitere Abtragen von wertvollen Mutterboden zur Geländenivellierung und damit irreversibel Schäden zu verhindern, erwirkte der Bund mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Gießen einen Baustopp. Dagegen legte Rewe Beschwerde ein, die der VGH zurückwies. „Mit der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung werden Umweltvorschriften verletzt“, hieß es in der Begründung des VGHs. Denn die Vorschriften des Naturschutzes aus dem Bebauungsplan seien für die Baufeldräumung nicht übernommen worden.

Auf Anfrage teilt der Wetteraukreis mit, dass zum aktuellen Stand der Überarbeitung der Genehmigung derzeit keine Angaben gemacht werden. Auch von Rewe Mitte gibt es nur eine knappe Mitteilung. Bis zur Gerichtsentscheidung werden man sich nicht zur Sachlage äußern, heißt es. Im dritten Quartal 2020 sollte Baubeginn sein. Mit dem Neubau sollen die Lager in Rosbach und Hungen für Rewe geschlossen werden. Welche Folgen die Verzögerung für die beiden Lager hat, blieb ebenfalls unbeantwortet. Auch Rewes Eigenwerbung für das Logistikzentrum ist verstummt. Die aufwendige gestaltete Internetseite der Rewe Mitte zum Großprojekt ist mittlerweile auf den bloßen Hinweis „Diese Website wird zurzeit aktualisiert.“ geschrumpft.

Die Geschichte

Im Februar 2017 war bekannt geworden, dass Rewe Mitte bei Wölfersheim ein Logistikzentrum bauen will, in einer Dimension, mit der der Handelskonzern sein 2014 eröffnetes Großlager bei Neu-Isenburg deutlich in den Schatten stellt. Rewe begründete den Neubau bei Wölfersheim mit dem Zusammenführen der Lager in Rosbach und Hungen sowie den moderneren Arbeitsplätzen für die rund 500 Beschäftigten. Wölfersheim sei unter zehn geprüften potenziellen Standorten der beste gewesen, hieß es. Vermutlich unter anderem, weil die A45 zur Verkehrshauptschlagader der Großlogistiker geworden ist, die sich dort aneinander reihen. Ende Juni 2019 votiert die Mehrheit im Gemeindeparlament für den Bau, dagegen stimmten die Grünen und ein Mitglied der Freien Wähler. D Aussicht auf mehr Gewerbesteuer und neue Arbeitsplätzen im Ort hatte es dem Gros der Gemeindevertreter angetan. „Die letzten zwei Jahre haben mehr denn je gezeigt, wie wichtig krisenfeste und wohnortnahe Arbeitsplätze sind und wie stark wir alle von einer gesicherten Lebensmittelversorgung profitieren“, sagt Bürgermeister Eike See (SPD) heute.

Die Protestbewegung

Mit dem Großlager wird Natur erheblich beeinträchtigt,, sondern auch Ackerboden höchster Güte geht verloren, beklagen BUND und der Regionalbauernverband Wetterau-Frankfurt. Boden dieser Klasse geben es weltweit nur noch wenig, der zudem beim verschärfenden Klimawandel ausreichend Erträge hergebe, so der Bauernverband. Überdies falle im Rhein-Main-Gebiete immer mehr Acker Neubaugebieten zum Opfer, was zu einer Reduzierung der gesamten Anbaufläche in der Region führe, heißt es. Um in Wölfersheim die Vernichtung des Bodens auf immer und ewig durch das Zubetonieren zu verhindern, hat sich schnell unter dem Namen „Bürger für Boden“ ein Bündnis aus Landwirten, Erzeugervereinigungen, der beiden Kirchen sowie aus Natur- und Umweltverbänden gebildet. Ein Protestacker wurde auf dem Bauareal bewirtschaftet. Ein Fonds ist eingerichtet worden, um Anliegern bei einer Klage finanziell beizuspringen. Zwei Grundbesitzer zeigten sich stur und weigerten sich, an Rewe zu verkaufen. Um einem fragwürdigen Enteignungsverfahren aus dem Weg zu gehen, plante Rewe um, statt auf 30 nun auf 26,4 Hektar.

Mit dem Aufkommenden Widerstand gegen das Lager hält sich Rewe mit den Fakten zum Bau zurück. Es gibt auch bislang keine öffentliche Darstellung der Architektur. Bislang galt: Gebäudefläche bis zu 110 000 Quadratmeter ( entspricht gut 40 Fußballfelder). Die mögliche Dimension: 600 Meter Länge, 180 Meter Breite und 36 Meter Höhe. Mehr als 550 Filialen sollen einmal von dort beliefert werden. Das tägliche Verkehrsaufkommen soll laut Rewe bei 2000 Pkw- und 1500 Lkw-Bewegungen liegen.

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