Inklusion

Arbeiten wo andere auch arbeiten

Von Elfriede Maresch

Das Team der Inklusiven Arbeit Wetterau gGmbH (InkA) in Bad Nauheim vermittelt Menschen mit Handicaps in reguläre Jobs und gibt ihnen dabei „passgenaue und individuelle Unterstützung“.

Mit gutem Grund formuliert die UN-Behindertenrechtskonvention die Teilhabe in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Freizeit, Mobilität nach individuellen Wünschen als Grundrecht von Menschen mit Handicaps. Jahrzehntelang schien für viele von ihnen der Lebensweg vorgezeichnet: Arbeiten in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM), Wohnen in der Wohnstätte eines Trägers der Behindertenhilfe, Freizeitangebote dort – nur zum Teil ein „Leben in der Mitte der Gesellschaft“. Und was sagen die jungen Leute am Übergang zwischen Schule und Beruf selbst? „Ich will da arbeiten, wo andere auch arbeiten. Ich will ausprobieren, was ich gut kann und wo es mir am besten gefällt!“ Diesen Wunsch hört das Team der Inklusiven Arbeit Wetterau gGmbH. (InkA) in Bad Nauheim häufig. Die Jugendlichen, die sich hier beraten lassen, haben Behinderungen oder ausgeprägte Lernschwierigkeiten, wurden inklusiv beschult oder besuchten eine Förderschule. Aber ist vom Wunsch zur Wirklichkeit nicht doch ein weiter Weg, sind die Ziele nicht zu hoch gesteckt? „Inklusion gelingt dann, wenn die individuellen Interessen, Möglichkeiten und Grenzen der jungen Menschen gesehen, wenn sie partnerschaftlich begleitet werden“ betont InkA-Geschäftsführer Jochen Rolle. „Passgenaue und individuelle Unterstützung hilft beim Hineinwachsen in das Aufgabenfeld. Es gibt Wetterauer Arbeitgeber, die bereits Jahre lang gute Erfahrungen mit behinderten Menschen in ihren Firmenteams gemacht haben.“

Julia arbeitet in der Hauswirtschaft

„Dort arbeiten, wo andere auch arbeiten“: mit der Tätigkeit im Seniorenzentrum hat sich für Julia dieser Wunsch erfüllt. (Bildquelle: Archiv InkA)

Die 20-jährige Julia wurde mit einem Down-Syndrom geboren. Sie arbeitet in einem Seniorenzentrum in der Hauswirtschaft und nimmt dort an einer alternativen beruflichen Bildungsmaßnahme (abBi) teil. Schon während der Schulzeit in der inklusiven Sophie Scholl-Schule nutzte Julia die Chance, verschiedene Arbeitsfelder kennenzulernen. Bei Praktika in Kindertagesstätte, Garten- und Landschaftsbau, Gastronomie, Senioreneinrichtung zeigte sich, dass Julia besonderen Förderbedarf bei der Eingliederung ins Berufsleben hat, aber auch berufsrelevante Talente und Interessen. „Julia verfügt absolut über Schlüsselqualifikationen wie Pünktlichkeit, Genauigkeit und Hilfsbereitschaft“ stand in der Bewertung ihres Praktikums in einem Bad Nauheimer Hotel. Auch in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung machte sie ein mehrtägiges Orientierungspraktikum und entschied: „Dort möchte ich nicht arbeiten“.

In der Einarbeitungszeit im Seniorenheim mit 140 Bewohnern war sie anfangs schüchtern, traute sich wenig zu. Im Dialog zwischen Julia, dem Team der Einrichtung, der Betreuerin aus dem Internationalen Bund Südwest als Jobcoach und den InkA-Fachkräften wurde der Dienstablauf im Alltag geklärt. Die junge Frau übernimmt jetzt Arbeiten, die sie vor einem Jahr noch nicht alleine geschafft hätte. So das Beziehen von Betten, das Vorbereiten des Frühstücks, das Servieren von Speisen und Getränken in den Zimmern, das Sortieren, Legen und Einräumen der Wäsche. Gelegentlich wird sie auch in der Betreuung eingesetzt. Ihre freundliche und hilfsbereite Art kommt bei den Senioren gut an, sie arbeitet ordentlich und genau. Sie ist flexibler geworden, kann auch kurzfristig auf anderen Stockwerken eingesetzt werden. Ihre Teamkolleginnen achten darauf, dass sie bei Dienstbeginn klare Aufgaben und Abläufe vor sich sieht. Julia fühlt sich als Teil des Teams, fährt von ihrem Wohnort mit dem ÖPNV zur Arbeit, hat sich über ihr erstes selbst verdientes Geld unheimlich gefreut. Seniorenzentren sind in Hauswirtschaft und Pflege eine Branche mit großem Personalmangel. Julias Tätigkeit ist auch ein Gewinn für den Arbeitgeber. Es ist denkbar, dass Julia nach der abBi-Zeit in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit wechseln könnte. Dabei wird das sogenannte „Budget für Arbeit“ genutzt, das zur Förderung von Arbeitsverhältnissen behinderter Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt geschaffen wurde und der Betrieb wird durch einen vom Landeswohlfahrtsverband gewährten Minderleistungszuschuss unterstützt.

Hilfe beim Übergang zum Beruf

In der unabhängigen „Inklusiven Arbeit Wetterau gGmbH“ (InkA) haben sich zwei Gesellschafter zusammen gefunden: die Lebenshilfe Wetterau gGmbH und die Behindertenhilfe Wetteraukreis gGmbH. Gefördert wird InkA bis zu 70 Prozent bis 31. Juli 2022 durch „Aktion Mensch“, den Rest der Kosten übernehmen die beiden Gesellschafter. Die verschiedenen InKA-Angebote wie Hospitationen, Praktika, Qualifizierungen und die intensive langfristige Beratung und Begleitung sind für die Nutzer kostenfrei. InkA arbeitet vernetzt mit und für junge Menschen mit Behinderungen beim Übergang von der Schule zum Beruf, mit potenziellen Arbeitgebern, mit Eltern und Betreuern und kooperiert mit der Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsträgern, Arbeitgebern, Schulen, Berufsbildungszentren und anderen relevanten Institutionen.

Ein Baustein zur inklusiven Arbeitswelt ist das alternative berufliche Bildungsangebot (abBi). Entwickelt wurde es von InkA und wird in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Bund Südwest gGmbh. für längstens 27 Begleitmonate durchgeführt. Bewerbungstrainings, Stärkung von Schlüsselkompetenzen, professionelle Begleitung am Arbeitsplatz und auf das Arbeitsfeld bezogene theoretische Einheiten im Sinn der Berufsschule gehören dazu. Das abBi-Angebot stellt die Alternative zu einem stationären Berufsbildungsangebot dar und findet ausschließlich in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes statt.

Betriebsintegrierte Beschäftigung

Langfristiges Ziel ist, wenn möglich, der Abschluss eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses mit Unterstützung durch das Budget für Arbeit. Dabei werden die individuellen Möglichkeiten und Grenzen des jungen Menschen gesehen, die Wochenarbeitszeit beträgt in der Regel 35 Stunden, für den Anstellungsträger gibt es einen Minderleistungszuschuss und das notwendige Jobcoaching für Einarbeitung und Begleitung.

Das Potenzial der jungen Menschen mit Handicaps ist unterschiedlich. Nicht immer kann das Ziel des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses erreicht werden. Der Weg auf den ersten Arbeitsmarkt ist dennoch nicht versperrt. Im Rahmen einer so genannten betriebsintegrierten Beschäftigung können junge Menschen in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes eingesetzt werden, bleiben aber Mitarbeiter der WfbM.

Die Bad Nauheimer Beratungsstelle InkA steht allen Ratsuchenden in Fragen rund um inklusive Arbeit und um mögliche Übergänge von der Schule ins Berufsleben offen und ist telefonisch unter 06032/9356868, per Mail unter info@inka-wetterau.de zu erreichen. Die Zahl der Rat Suchenden bei InkA wächst ständig. Über 150 junge Menschen mit Behinderung hat InkA bereits begleitet – teilweise über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren. Die Förderung durch „Aktion Mensch“ läuft regelhaft im Sommer aus und so ist InkA für Spenden zur Unterstützung der Arbeit dankbar. Seit diesem Jahr kann man auch InkA-Beratungspatenschaften abschließen, um die inklusive Arbeit zu unterstützen. Mehr Informationen gibt es im Netz unter inka-wetterau.de. Die Konten sind bei der Volksbank Mittelhessen, IBAN DE 31 5138 0000 0059 7422 05 und der Sparkasse Oberhessen, IBAN DE 24 5185 0079 0027 1567 02.

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