Kiesgrube

Ein Zuhause für Tiere und Pflanzen

„Betreten verboten“ heißt es am Eingang der ehemaligen Kiesgrube zwischen den Bad Nauheimer Stadtteilen Steinfurth und Nieder-Mörlen? Warum ist das so? Was passiert dort, nachdem die Kantkies-Vorkommen seit Jahren erschöpft sind?

Kiesgrube mit Kantkies

Blick auf den Eingang zum Ostfeld, wo zwecks Rekultivierung ein kleiner Wald und eine Streuobstwiese stehen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Blick auf den Eingang zum Ostfeld, wo zwecks Rekultivierung ein kleiner Wald und eine Streuobstwiese stehen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)

Wer sich der ehemaligen Kiesgrube an einem Wochenende von außen nähert und am Tor stehenbleibt, hört leise den Wind in den Hecken und Vogelgezwitscher. In der Fläche zwischen den Bad Nauheimer Stadtteilen Steinfurth und Nieder-Mörlen baute man seit den siebziger Jahren den „Nauheimer Kantkies“ ab, der eine geologische Besonderheit ist.

Kiesgrube: Seit 2019 Naturschutzgebiet

Neulich fragte eine Leserin per E-Mail: „Was wurde da eigentlich alles abgeladen in den letzten Jahren? Ebenso in der kleineren Deponie auf der anderen Straßenseite Richtung Steinfurth? Dort war sogar immer ein Schild ‚Lebensgefahr verboten‘ angebracht.“ Die Bürgerin beschrieb, wie sie während des Lockdowns Lkw gesehen hatte, die etwas hinbrachten. Wie Reportagen der Autorin aus zurückliegenden Jahren beschrieben, handelt es sich um unbelastete Erde, verbunden mit dem Ziel, die Rekultivierung herzustellen. Nachdem die Vorkommen zur Neige gingen, wird die Grube wieder verfüllt. Sie ist seit 2019 als Naturschutzgebiet ausgewiesen und steht bereits seit 2017 unter Aufsicht des Landes.

Kiesgrube für Stromerzeugung?

Ins Gespräch kam die ehemalige Kiesgrube erneut im September, als die Bad Nauheimer Koalition aus CDU, Grünen und SPD dem Stadtparlament einen Vorschlag zur Stromerzeugung unterbreiteten. Ziel war, Möglichkeiten zu prüfen, um Freiflächen-Photovoltaikanlagen dort zu errichten. Kaum hatte das Parlament den Prüfauftrag einstimmig beschlossen, widersprach die Obere Naturschutzbehörde vom Regierungspräsidium Darmstadt (RP) diesem Gedanken. „Grund ist das Vorkommen von Uhu und Amphibien“, erläuterte Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) dem Hohen Haus. Nun sucht das Rathaus nach Flächen für Photovoltaik-Gewinnung auf großen Parkplätzen (Info). Dies geschieht ebenfalls aufgrund eines einstimmig beschlossenen Prüfantrags der Koalition (die Autorin berichtete).

Blick auf eine Fläche im Westfeld, die mittlerweile verfüllt ist. Früher war hier ein Krater. Im Hintergrund liegen die Bundesstraße B3 und der Stadtteil Nieder-Mörlen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Blick auf eine Fläche im Westfeld, die mittlerweile verfüllt ist. Früher war hier ein Krater. Im Hintergrund liegen die Bundesstraße B3 und der Stadtteil Nieder-Mörlen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Ost- und Westfeld

Der Zugang zur Kiesgrube ist untersagt. Ein Schild am Tor weist darauf hin, es bezieht sich auf die allgemeine hessische Bergverordnung. Auskünfte erhielt die Autorin durch das RP Darmstadt.
Laut der Presseabteilung des RP gewannen die Unternehmen Lahn-Waschkies und Cemex dort Quarzsand und -kies. Förderflächen waren seit 1977 das West- und seit 1993 auch das Ostfeld, die rechts und links der Landstraße L 3134 von Bad Nauheim nach Steinfurth liegen. Das Westfeld befindet sich ein Stück hinter dem Rosenpark Dräger (Steinfurth), das Ostfeld neben dem Rad- und Fußweg, der ins Rosendorf führt.

Die gesamte Fläche ist als Naturschutzgebiet "Kiesgrube Laukertsberg bei Nieder-Mörlen" ausgewiesen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Die gesamte Fläche ist als Naturschutzgebiet „Kiesgrube Laukertsberg bei Nieder-Mörlen“ ausgewiesen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Kantkies seit Jahren erschöpft

Seit 2007 sind die Vorkommen des besonderen Kiesels erschöpft, der rau und kantig statt rund wie üblich ist. Es war zunächst die Firma Cemex, welche die Fördergebiete seither rekultivierte. So entstanden auf dem Ostfeld ein Wald mit verschiedenen Baumsorten und eine Streuobstwiese. Auch dort ist der Zutritt „zum Betriebsgelände“ verboten, tatsächlich steht ein Schild mit „Achtung, Lebensgefahr!“ da. Auf dem Westfeld neben dem Rosenpark sind Tümpel, Streuobstwiesen, magere Standorte und Heckenstrukturen vorgesehen und teilweise schon umgesetzt. An Stelle eines früheren Kraters ist heute eine plane Erdfläche zu sehen, dies vor der Kulisse der Bundesstraße B3 und dem Blick auf Nieder-Mörlen. Das ehemalige Fördergebiet hat eine Größe von 18 Fußballfeldern.

Der Zutritt zu dem Gelände ist für Unbefugte verboten. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Der Zutritt zu dem Gelände ist für Unbefugte verboten. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Zurück zur Natur

Ab 2015 übernahm die Holcim GmbH die Arbeiten, seit 2018 ist es die Kieswerke Nieder-Mörlen GmbH. „Eine Aufbereitungsanlage wurde zwischen 2017 und -18 demontiert“, erklärt der RP-Pressesprecher. Die gesamte Fläche ist als Naturschutzgebiet „Kiesgrube Laukertsberg bei Nieder-Mörlen“ ausgewiesen. Für 2035 ist die Entlassung aus der Bergaufsicht vorgesehen. Wo früher also gefördert wurde, hat nun die Tier- und Pflanzenwelt ein Zuhause.

Pilotprojekt in Steinfurth

Die Stadt soll aufgrund eines Parlamentsbeschlusses Flächen für die Gewinnung von Sonnenstrom finden. „Derzeit überprüfen wir, welche öffentlichen Stellplatzanlagen sich als Standort eignen“, erklärt Heiko Heinzel (städtischer Fachbereichsleiter Stadtentwicklung). Ausschlaggebend dafür ist laut Heinzel das Potential hinsichtlich der Energiegewinnung und baurechtlichen Voraussetzungen im Bebauungsplan. „Als ‚Pilotprojekt‘ betrachten wir den neu zu errichtenden Parkplatz an der Sporthalle in Steinfurth. Hier sollen rund 50 Stellplätze entstehen. In diesem Fall läuft bereits die Abstimmung mit den Stadtwerken zur Realisierung einer PV-Anlage.“ ihm

Unter Naturschutz

Die ehemalige Kiesgrube steht unter Bergaufsicht. Schon seit 2007 wird die Fläche renaturiert. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Die ehemalige Kiesgrube steht unter Bergaufsicht. Schon seit 2007 wird die Fläche renaturiert. (Foto: Petra Ihm-Fahle)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert