Die Geschichte der Kunstschmiede
In Hirzenhain am Rande des Vogelsberges gab es schon früh viel Feuerholz. Das brauchte man in früheren Jahrhunderten, um Holzkohle zu machen und damit Hochöfen zur Eisenherstellung zu beheizen. Schon 1678 entstand im Dorf an der Nidder der erste Holzkohle-Hochofen. Schon bald stellte man dort aus geschmolzenem Eisen die ersten Kunstgusserzeugnisse her – zum Beispiel Ofenplatten mit eisernen Reliefs. Seit 1731 gehörte die Schmiede von Hirzenhain der Familie Buderus. Johann Wilhelm Buderus leitete zuvor die Eisenhütte in Ruppertsburg bei Laubach, die dem Grafen von Solms-Laubach gehörte. Nach dem Tod von Buderus übernahm seine Frau Elisabetha Magdalena die Hütte in Hirzenhain. Sie war verantwortlich für zehn Mitarbeiter, sechs eigene Kinder und fünf aus der ersten Ehe ihres Mannes, war 46 Jahre alt, hatte mit Hochwasser und dem Siebenjährigen Krieg, mit Plünderungen und Überfällen zu kämpfen.
Familie Buderus produzierte Eisen
Johann Wilhelm Buderus II stieg 1762 in das Unternehmen ein und expandierte. 1779 pachtete er zum Beispiel eine Schmiede in Feldatal. Er hielt das Monopol für den Eisenverkauf und hatte Erzschürfrechte in Grünberg, Schotten, Ulrichstein, Burg-Gemünden und Grebenau. Auch in Weilmünster war Buderus als Unternehmer aktiv.
Der Nachfahre Hugo Buderus übernahm 1891 das Werk Hirzenhain, vier Jahre später auch die die Main-Weser-Hütte bei Lollar. Die fusionierten „Eisenwerke Hirzenhain & Lollar“ nutzten die Lönholdt-Öfen, die von oben mit Braunkohle, Steinkohle oder Koks beschickt werden konnten. 1898 ließ sich die Firma einen gusseisernen Gliederheizkessel patentieren – es entstand die erste Fabrik für Heizkörper auf dem europäischen Kontinent.
Die Produktion von Kunstwerken aus Gusseisen erlebte in Hirzenhain ihre Blüte nach dem Zweiten Weltkrieg. Buderus holte den Bildhauer und Modelleur Peter Lipp nach Hessen. Schon lange vorher verdiente Buderus mit eisernen Ofenplatten Geld, deren Formen zuvor aus Holz geschnitzt wurden. Mit steigenden Abgusstemperaturen durch den Hochofenbetrieb mit Koks, feineren Formsanden und Modelliertechniken konnten bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts feine Schmuckstücke gestaltet werden. Mit dem Slogan „Gold gab ich für Eisen“ wurde während der Befreiungskriege 1813 bis 1815 dafür geworben, Gold zur Kriegsfinanzierung zu spenden. Prinzessin Marianne von Preußen forderte die Frauen auf, ihren Goldschmuck gegen Schmuck aus Eisen einzutauschen. Patriotinnen trugen die Eisenschmuckmode mit Stolz.
„Die Schmetterlinge von Hirzenhain“ mit denen die Gemeinde ihre Kunstguss-Tradition und ihre reizvolle Landschaft, die artenreichen Blumenwiesen und Waldränder verbindet, stammen eigentlich aus Berlin. Der im Kunstguss-Museum gezeigte eiserne Schmetterling ist ein Leichtgewicht und hat mehr als 250 Durchbrüche. Die Brosche wurde 1821 vom Juwelier Simon Pierre Devaranne entworfen, der Anfang des 19. Jahrhunderts eine kleine Gießerei in Berlin betrieb.
Im Mai 2015 erkaltete zum letzten Mal Gusseisen in der Hirzenhainer Kunstschmiede. Die Firma Buderus sitzt jetzt in Wetzlar und nennt sich Bosch Thermotechnik. Sie produziert Heizkessel, Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke und Kaminöfen. Nur noch das Museum erinnert an die industrielle Vergangenheit von Hirzenhain. Ein ebenso sehenswertes Eisen-Kunstgussmuseum liegt übrigens in Sayn bei Koblenz.
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