Aus der Zeit gefallen
Von Corinna Willführ
Mit dem Film „Beethoven – aus der Zeit gefallen“ beteiligt sich die Musik- und Kunstschule Büdingen (MuKS) an dem Wettbewerb des Bundesmusikverbandes Chor und Orchester „Beethoven … anders“. Zu gewinnen gibt es für die fünf Erstplatzierten bis zu 5000 Euro. Die könnte die MuKS für ihre Arbeit gut gebrauchen. Sie hätte einen Preis verdient. Anschauen und abstimmen.Zu sehen ist das knapp 45 Minuten lange, professionell produzierte Leinwandwerk auf Youtube. Dort kann man auch bis 19. April 2021 für den Streifen votieren. Bei der Entscheidung zählt das Publikumsvotum zu 50 Prozent.
Beethoven steigt vom Sockel
Regisseurin Ronka Nickel scherzt: „Beethoven hätte nie eine Musikschule betreten. Den Maestro interessierten allenfalls die angesehensten Musiker seiner Zeit.“ In „Beethoven – aus der Zeit gefallen“ tut der Komponist und Pianist in Gestalt des Ortenberger Schauspielers Hans Schwab genau dies: Er streift durch die Räume der Musik- und Kunstschule im Büdinger Oberhof. Zuvor muss er laut Drehbuch allerdings erst einmal vom Sockel steigen. Konkret: von Hans Traxlers Ich-Denkmal in der südlichen Mainuferanlage in Frankfurt. Eine witzige Idee, die schon andeutet, wie sich der 45-minütige Film seinem Objekt nähert.
Mit Humor. Trotz Corona. Denn alles war anders geplant. Ursprünglich sollte es an der MuKS im Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens in 2020 eine große Theateraufführung geben. Mit Dutzenden Mitwirkender, mit Chor und Orchester, mit Bühnenbild aus dem eigenen Haus, mit Solisten und Bands. Doch dann hieß es „Pandemie statt Sinfonie“, wie der Kabarettist Matthias Deutschmann als Co-Autor Hans Schwab sagen lässt. Und so spielt der Streifzug durch das Schaffen des Musikgenies auch nicht vor 250 Jahren, sondern in der Gegenwart, „in der es gar nicht genug Abstriche geben kann.“ Hauptdarsteller Hans Schwab hat also allen Grund grimmig zu schauen, ganz so wie es Beethoven überhaupt als Charaktereigenschaft nachgesagt wird. Doch sind es die Facetten im Mienenspiel des Schauspielers, die auch einen ganz anderen Beethoven erahnen lassen: einen verunsicherten, einen einsamen Menschen, einen, der an der Welt zu kranken scheint und dem es um die Kunst bang ist. „Da bleibt die Kunst auf der Strecke, nicht die große, sondern die kleine.“ Realität für viele Kulturschaffende seit mehr als einem Jahr.
Begeistert bei der Sache
Trotz der eingeschränkten Bedingungen seien alle Mitwirkenden begeistert bei der Sache gewesen, sagt Ronka Nickel. Rund 50 waren es insgesamt: Schülerinnen und Schüler sowie Dozenten der von Benedikt Bach geleiteten Institution. Besonders fruchtbar für die Zusammenarbeit des Produktionsteams, zu dem auch Kameramann Ekkehard Makosch und Julien Juraschek (Assistenz bei Ton und Technik) gehörte, sei gewesen: „dass Hans, Ekki und ich ähnlich ticken.“ Und zudem eine Leidenschaft für klassische Musik haben. Ronka Nickel spielt im Orchester der MuKs Cello, Ekkehard Makosch Geige. Zu hören gibt es in „Beethoven – aus der Zeit gefallen“ unter anderem Interpretationen von „Für Elise“ und „Die Wut auf den verlorenen Groschen“ sowie Einspielungen aus seiner Fünften Und Neunten Sinfonie. Aufgrund der geltenden Hygienebestimmungen mussten Stimmen und Instrumente teils separat aufgenommen und anschließend zusammengeschnitten werden. „Für mich war die Arbeit an dem Film wie der Crashkurs in einem neuen Handwerk. Denn ich habe bislang für das Theater gearbeitet“, sagt Ronka Nickel. „Das war die ganze Zeit eine wahnsinnige Herausforderung und ein wahnsinniger Lernprozess.“
Das Ergebnis ist jetzt auf Youtube zu sehen – mit den Namen aller Mitwirkenden im Abspann.
Jetzt heißt es, dem Abstimmungsergebnis in dem Bundeswettbewerb entgegenzufiebern. Um das Preisgeld von bis zu 5000 Euro wetteifern 23 Beiträge. In das Ergebnis fließt das Publikumsvotum zu 50 Prozent ein. Über die andere Hälfte entscheidet eine Fachjury. Der Sieger wird voraussichtlich am 22. April 2021 bekanntgegeben. Für den September ist live vor Ort im Oberhof eine Vorführung des Films auf großer Leinwand vorgesehen, unabhängig vom Ausgang des Wettbewerbs. Außerdem möchte Regisseurin Ronka Nickel eine etwa fünfminütige Fassung des Beitrags schneiden. „Mit einer Kurzfilmversion könnten wir uns bei entsprechenden Festivals bewerben.“ Das klingt nach Optimismus. Den mag zusätzlich geschürt haben, „dass der Deutsche Kulturrat auch schon auf unseren Film aufmerksam gemacht wurde.“
Titelbild: Ganz und gar Profi: Der Ortenberger Schauspieler Hans Schwab als Beethoven.
Der kleine Film über den Meister Beethoven ist berührend, auch die konzentrierte Hingabe der jungen und älteren Musiker an ihr jeweiliges Instrument. Ich bin davon überzeugt, dass sie die Anwesentheit des aus Frankfurt nach Büdingen geflüchteten Beethovens nicht bemerkt haben.
Ein kleiner Film großartig gestaltet!
meint Peter Gwiasda