Amazon baut bei Echzell

Gericht hebt Baustopp auf

Das Verwaltungsgericht Gießen hat am 8.Februar 2021 den seit drei Monaten geltenden Baustopp für das neue Amazon-Verteilzentrum bei Grund-Schwalheim in der Wetterauer Gemeinde Echzell aufgehoben. Der BUND kritisiert die Verfügung und sucht weiter nach rechtlichen Mitteln, das Projekt zu stoppen. Amazon will das Verteilzentrum zum Weihnachtsgeschäft 2021 nutzen.

Amazon in der Wetterau ab 2021

Von Klaus Nissen

Im November 2020 hatte das Verwaltungsgericht Gießen einen Baustopp verhängt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Hessische Gesellschaft für Ornithologie (HGON) hatten ihn beantragt. Sie fechten den Bau an, weil die naturschutzrechtliche Vorprüfung ihrer Ansicht nach unzureichend war. Die künftigte Verteilerhalle liegt neben einem Vogelschutzgebiet in der Horloffaue.

Bagger und von Traktoren gezogene Muldenkipper wuseln auf dem 3,4 Hektar großen Gelände am Rand von Grund-Schwalheim umher. Das Amazon-Verteilzentrum soll dort zum Weihnachtsgeschäft 2021 öffnen. Direkt nebenan stand vor 1800 Jahren ein Limes-Kleinkastell der Römer auf dem Alteburg-Hügel. Foto: Nissen

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts teilte am 10. Februar 2021 mit, die naturschutzrechtliche Prüfung des Projekts durch die Untere Naturschutzbehörde des Wetteraukreises sei nicht zu beanstanden. Die im Juli 2020 eingelegte Klage der Umweltvernände gegen Amazon und den Wetteraukreis könne demnach auch ohne einen Baustopp weitergehen. Zahlreiche Betonpfeiler der künftigen Halle ragen bereits in den Himmel.

„Schwerer Schlag gegen den Naturschutz“

Das BUND-Landesvorstandsmitglied Werner Neumann kommentierte den Weiterbau am 11. Februar 2021 so: „Die Entscheidung ist de facto ein schwerer Schlag gegen den europäischen Naturschutz. Wir werden genau prüfen, welche Rechtsmittel den Baustopp wieder herstellen können.“ Die rund zwölf Meter hohe Halle werde den Lebensraum der Vögel beeinträchtigen: „Zum Beispiel brauchen die hier zahlreich rastenden Kraniche weiträumig freie Sicht. Die Logistikhalle würde ihnen diese Ansprüche nehmen, so dass die Kranischen aus einem weiten Areal mitten im Schutzgebiet vertrieben würden“.

Neumann bemängelt, dass der Wetteraukreis die Notwendigkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung verneint habe. Die Vorprüfung allein reiche nicht aus, so Neumann. Seltsam sei, dass nun ausgerechnet die Untere Naturschutzbehörde des Wetteraukreises die Arbeit für den Investor übernommen habe.

Die Logistikhalle liegt neben einem Rastplatz für Kraniche

Die Firma von Jeff Bezos, dem reichsten Menschen der Welt, installiert am Abzweig von der B455 nach Ober-Widdersheim ihre 176. deutsche Niederlassung. Die 120 Meter lange Logistikhalle wird 8500 Quadratmeter umfassen. Daneben entsteht ein Parkhaus für maximal 171 Personenwagen und 282 Lieferwagen. Mit letzteren sind die Sprinter der formal selbstständigen Auslieferungsfahrer bestimmt. Wenn das Verteilzentrum in Betrieb geht, sollen sie ab Jahresende laut Amazon täglich etwa 300mal von Grund-Schwalheim aus die von den Kunden bestellten Waren an die Haustüren bringen.

So sieht die Baustelle im Februar 2021 aus. Foto: Neumann, BUND Hessen

Die Sprinter-Armada soll nach Abebben des Berufsverkehrs ab neun Uhr morgens in kleineren Schwärmen zu den Kunden geschickt werden. Die Frühschicht der im Verteilzentrum arbeitenden Amazon-Leute rechnet den selbstständigen Fahrern die jeweils schnellste Auslieferungsroute aus. Das neue Verteilzentrum beschleunige noch die Auslieferung der online bestellten Waren, so Nadya Lubnina von Amazon. „Zum anderen sollen mehr Bestellungen bereits beim ersten Versuch zugestellt werden. Amazon arbeitet mit lernender Routenplanung, die sich beispielsweise bei erfolgreichen Zustellungen an ein Geschäft die Öffnungszeiten merkt, und mit Fahrern, die immer in den selben Gebieten ausliefern.“

Rund 300 Sprinter schwärmen täglich aus

Der Einzugsbereich liegt zwischen 50 und hundert Kilometern, heißt es in der Münchner Amazon-Filiale. Welche Kommunen die Fahrer von Grund-Schwalheim aus ansteuern, sei noch nicht entschieden. Im Februar war von Städten und Gemeinden in der Wetterau, dem Main-Kinzig-Kreis, im Vogelsberg und im Raum Gießen die Rede. In Raunheim neben dem Frankfurter Flughafen eröffnete Amazon im Oktober 2017 bereits ein Verteilzentrum für das südliche Rhein-Main-Gebiet. Dort wurden nach einem Pressebericht binnen vier Monaten rund 1,7 Millionen Pakete umgeschlagen. In diesen Tagen geht laut Amazon ein weiteres Verteilzentrum in Erfurt in Betrieb. Bundesweit gibt es 175 Niederlassungen, in denen etwa 20 000 arbeiten.

So soll das Areal Ende 2021 Jahr aussehen: Eine 8500 Quadratmeter große Sortierhalle mit Parkhaus und einem versiegelten Platz für die Lastwagen und die Sprinter der Amazon-Auslieferungsfahrer. Repro: Nissen

Das künftige Verteilzentrum wird zum Arbeitsplatz von etwa 130 Amazon-Beschäftigten, die dort im Drei-Schicht-System arbeiten. In der knapp einen Hektar großen Halle verwalten sie kein Lager, sondern sortieren die zur Auslieferung bestellten Warten in Säcke und Gitterwagen, die die Frühschicht für die Sprinter bereitstellt. Der Nachschub kommt laut Amazon nachts mit etwa 30 Lastzügen aus größeren Niederlassungen des Konzerns.

Die Jobs für Grund-Schwalheim werden zwei bis drei Monate vor dem Start auf der Webseite des Konzerns ausgeschrieben. Momentan wirbt Amazon intensiv um Personal für seine wachsende Zahl an Niederlassungen. Möglicherweise auch als Antwort auf den seit Jahren schwelenden Konflikt im riesigen Amazon-Lager Bad Hersfeld, wo die Gewerkschaft Verdi auch mit Streiks auf bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen drängt. Aktuell verkündet der Konzern, er habe den Einstiegsbasislohn je nach Standort auf 11,30 Euro bis 12,70 Euro brutto erhöht. Nach 24 Monaten in einem Sortier- und Verteilzentrum könne man einschließlich zugeteilter Mitarbeiter-Aktien durchschnittlich mit 2600 Euro Bruttolohn rechnen. Während der Corona-Sonderkonjunktur gab es zwei Euro pro Stunde extra und für Vollzeit-Mitarbeiter im stressigen Juni einen Sonderbonus von 500 Euro.

BUND klagt gegen den Bau an den Feuchtwiesen

Das künftige Verteilzentrum wird von Amazon für zehn Jahre gemietet. Besitzerin und Bauherrin ist die Hamburger Immobiliengesellschaft Garbe. Hochgezogen wird der Industriebau von dem auf solche Projekte spezialisierten Unternehmen Goldbeck aus Bielefeld. Wie es dort weitergeht, kann man laufend über die auf einen Mast montierte Baustellenkamera im Internet verfolgen. Die Adresse: www.goldbeck.de/baustellen-webcams.

Von besonderen Öko-Merkmalen wie einem begrünten Dach oder Solarpaneelen ist an diesem Standort bislang keine Rede. Amazon hat angekündet, man wolle künftig mehr elektrische Auslieferungsfahrzeuge einsetzen. Ob das auch in Grund-Schwalheim geschieht, müsse man noch prüfen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), hat laut Landesvorstandsmitglied Werner Neumann am 2. Juli Widerspruch gegen die Baugenehmigung für die Amazon-Halle eingelegt. Denn wie beim wenige Kilometer entfernten Rewe-Logistikzentrum brächte der Bau erhebliche Schäden für Tiere und Pflanzen, die Gewässer und die Böden vor Ort mit sich. Das 3,4 Hektar große Areal in Grund-Schwalheim liegt direkt neben den Feuchtwiesen der Horloff-Aue.

2 Gedanken zu „Amazon baut bei Echzell“

  1. Im vergangenen Sommer habe ich keine Lerche mehr singen gehört. Da blutet einem das Herz, wenn wieder und wieder ein Stück unseres Planeten versiegelt wird. Gar nicht weit entfernt, zwischen Münchholzhausen und Dutenhofen soll ebenfalls ein Gewerbegebiet entstehen, beide Orte gehören zu Wetzlar. Seit langem gibt es eine Bürgerinitiative „STOPP Gewerbegebiet Münchholzhausen/Dutenhofen“, die das hoffentlich verhindern wird. Sie hat jetzt einen Videofilm erstellt, den man unter youtu.be/dex7DQGgKrM ansehen kann.v

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