Seebrücke Wetzlar

Menschenkette für sichere Fluchtwege

Von Ursula Wöll

Noch immer geraten Menschen auf ihrer Flucht in Lebensgefahr, ertrinken gar und vegetieren in Lagern ohne Chance eines Lebens in Würde unter uns Satten und Gutgenährten. Also protestierte am 18. September 2021 erneut die Wetzlarer Gruppe der „Seebrücke“ mit einer Menschenkette auf der Alten Lahnbrücke, wiederum im Rahmen einer Seebrücke-Aktion von Hamburg bis Venedig. Die etwa 100 TeilnehmerInnen forderten sichere und legale Fluchtwege nach Europa.

Seebrücke: Krieg und Klima als Fluchtursachen

Etwa 80 Millionen Flüchtlinge gibt es bereits weltweit. Das sind so viel wie Deutschland Einwohner hat. Sie verlassen ihre Heimat nicht aus Jux und Dollerei, sondern um zu überleben. Ihre Zahl wird zunehmen, wenn der Klimawandel noch mehr Gebiete in Wüsten verwandelt. Wir haben das Glück, bislang kaum von ihm betroffen zu sein. Überdies essen wir Orangen und Bananen, die das Grundwasser anderer Länder nutzen. Und wir verdrängen, dass wir nur durch puren Zufall im „richtigen“ Land geboren wurden. 

Unübersehbar war die Forderung auf der Lahnbrücke in Wetzlar. Foto: Bodo Jaekel

Die meisten Flüchtlinge irren in ihren eigenen, armen Ländern umher. Wenn sie deren Grenzen überschreiten, erscheint das uns wie ein Delikt, das entsprechend geahndet wird. So hörte ich am Abend des 18. September2021 im Radio, dass auf der griechischen Insel Samos ein neues Lager eröffnet wurde. Es ist mit Stacheldraht umgeben, und wird um 20 Uhr abgeschlossen, so dass die etlichen tausend InsassInnen nachts Gefangene sind. Hat Europa vergessen, dass  a l l e  Menschen die gleiche Menschenwürde haben und dass das Asylrecht ein Menschenrecht ist?

Niemanden zurücklassen

Über 200 deutsche Städte haben erklärt: „Wir haben Platz“. Sie sind bereit, Flüchtende aufzunehmen. So auch Wetzlar. Lager wären also überflüssig, die Wetzlarer Menschenkette der ‚Seebrücke‘ wies am 18. September darauf hin. Etwa 100 Menschen waren auf der Alten Lahnbrücke Wetzlar erschienen. Kein Autoverkehr, dafür das leise Rauschen des Lahn-Wasserfalls. Der Protest machte also sogar Spaß, kam man doch nicht aus einem dreckigen Zelt und konnte sich anschließend ein Essen nach eigener Wahl kochen.

Um Punkt 12.15 Uhr wurde die Verbindung zur Menschenkette in Wetzlars österreichischer Partnerstadt Schladming hergestellt. Dort waren 150 Personen aus Schladming an dem Protest beteiligt. Spielten sie in Schladming den Song „Imagine“ von John Lennon? Jedenfalls ging er mir lange im Kopf herum. Der Text betont, dass der Globus allen Menschen gehört.

Rundum glücklich können wir selbst nur sein, wenn es auch die anderen sind. Um nicht durch deren Unglück im eigenen Wohlbehagen gestört zu werden, verdrängen wir gerne. Wir reden uns unbewusst ein, dass die einer anderen Kultur angehörenden Menschen Leid, Dreck, Hunger und selbst die Angst vor dem Tod durch Ertrinken nicht so intensiv empfinden wie wir. Sonst würden wir doch stärker auf unsere politischen VertreterInnen einwirken, damit die europäischen Außengrenzen durchlässiger und die Lager hinter ihnen aufgelöst werden.

Das Bohren dicker Bretter

Auch nach diesen europaweiten Seebrücke-Menschenketten wird nicht alles gut werden. Die Zahl der Flüchtenden wird weiter ansteigen, wenn zu den kriegerischen Bedrohungen als Fluchtursache der Klimawandel stärker durchschlägt. Viel mehr Menschen werden dann mit ihren Kindern aus ihrer Heimat flüchten, um nicht zu verhungern oder zu verdursten. Wir in den bislang reichen Ländern müssen eine solidarischere Kultur entwickeln und globaler denken. Wir sollten uns selbst etwas zurücknehmen auf diesem Globus. Das bedeutet auch Abstriche an unserem Konsum hinnehmen und Kaufanreizen widerstehen. John Lennon träumte davon (auf Englisch):

 „Stell dir vor es gibt keine Nationen

alle Menschen teilen sich diese Welt.

Du wirst sagen, ich sei ein Träumer,

aber ich bin nicht der einzige, der das träumt.

Ich hoffe eines Tages denkst du auch so

und die ganze Welt wird wie eins sein.“

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