Schulbeginn

Kein Mundschutz, aber strenge Regeln

Am Montag, 27. April 2020 kommt wieder Leben in den Schulen – die Kinder und Jugendlichen der Abschlussklassen dürfen hinein. Ihr Alltag wird sich aber stark verändern. Am deutlichsten zeigen das die neuen und ziemlich strengen Hausregeln der Gesamtschule in Gedern.

Schulbeginn einmal anders

Ein Toilettenbesuch während des Unterrichts? Den wird es nicht geben, verfügt Schulleiter Thomas Dauth. Entsprechend vorsorglich müsse jeder Schüler seinen Toilettengang in den Pausen einplanen, schrieb er per Rundmail an die Eltern. Nur der gut einsehbare Schulhof-Bereich vor der Cafeteria dürfe ab 27. April benutzt werden. Wenn es zum Unterricht klingelt, holt der Lehrer seine Klein-Klasse auf dem Hof ab und führt sie in den Raum. Dabei werde die Lehrkraft intensiv auf den Eineinhalb-Meter-Abstand achten: „Das gewohnte in den Raum bzw. aus dem Raum Drängen muss unterbleiben.“ In den Klassenräumen sind die Stühle und Tische auseinander gezogen. Beim ersten Betreten am Montag stellt jeder Schüler ein Schild mit seinem Namen auf den gewählten Tisch – der darf in den nächsten Wochen von keinem anderen genutzt werden.

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Die beiden neunten Hauptschulklassen sind in Gedern so klein, dass sie laut Thomas Dauth nicht geteilt werden müssen. Aus den beiden zehnten Realschulklassen werden dagegen vier kleinere – insgesamt 71 der rund 560 Gesamtschüler kommen ab Montag in den Unterricht. Ihre Klassenräume und die Toiletten werden täglich gereinigt. Die sonst gemeinsam genutzten Fachräume für Chemie und Physik bleiben geschlossen, damit sich niemand über verunreinigte Oberflächen den Covid-Virus einfangen kann. Auch der sonst klassenübergreifend stattfindende Religion- und Ehtikunterricht fällt virushalber aus.

Mundschutzmasken gibt es in der Gederner Gesamtschule nicht – aber Seifenspender an den Waschbecken. Weil keine benutzten Papierhandtücher herumfliegen sollen, müssen die Eltern den Kindern je ein kleines Handtuch in einer Plastiktüte mitgeben. Und falls ein Jugendlicher mehrfach unaufgefordert im Unterricht aufsteht und herumläuft, bekommt er es mit Schulleiter Dauth zu tun: „Nach Paragraph 82 des Hessischen Schulgesetzes darf kein Schüler andere gefährden. Da werde ich dem Betreffenden sagen: Ich suspendiere Dich vom Unterricht!“

Ohne klare Ansagen „laufen wir ins Chaos“

All diese Regeln hat der Schulleiter formuliert, um die Ansteckungsgefahr so klein wie möglich zu halten. Er sagt: „Ich wollte nicht auf den für diese Woche angekündigten Hygieneplan des Landes warten.“ In der Schule brauche man klare Ansagen: „Wenn wir das schwammig fahren, laufen wir sonst ins Chaos.“ Von oben ist bislang angeordnet worden, dass die Pausenzeiten der Abschlussklassen leicht versetzt werden, damit sich draußen möglichst wenige Kinder begegnen. Klar ist ansonsten, dass alle Schulbusse ab dem 27. April wieder wie üblich fahren. „Dann kann man allen den Platz bieten, den man braucht“, sagt Sven Rischen von der Verkehrsgesellschaft Oberhessen.

Eine Mundmaskenpflicht wird es in den Schulen aber nicht geben. Weder der Wetteraukreis als Schulträger noch das Land Hessen verteilen Masken an die Lehrkräfte und die Schüler. „Das gäbe ihnen nur eine Schein-Sicherheit“, sagt die Schulamtsdirektorin Rosemarie zur Heiden. „Der Verbrauch wäre ja auch immens.“ Auf Hygiene müssten die Lehrkräfte ab dem 27. April natürlich sehr achten. Die Kinder und Jugendlichen sollen sich in den Schulen oft die Hände waschen. Wichtiger als warmes Wasser sei dabei die Seife.

Die Kids dürfen sich nicht am Schuleingang drängeln

Besonders spannend wird, ob auch die neun- bis zehnjährigen Viertklässler an den Grundschulen das Abstandsgebot einhalten. Auf dem Schulhof klappte das in ihrer kleinen Notbetreuungsgruppe ganz gut, sagt Anneliese Zimmer. Sie ist Direktorin der Georg-August-Zinn-Grundschule in Düdelsheim. Vor allem beim Betreten des Schulgebäudes vergessen die Kinder aber leicht das Abstandsgebot. Die Lehrerinnen müssen intensiv den Verkehr regeln. Ab Montag sind sind 58 der 230 Grundschulkinder wieder im Unterricht. Anneliese Zimmer: „Es wäre toll, auch die Kleinen wieder hier zu haben.“ Mit den vorhandenen Räumen und Lehrkräften könne man in einigen Wochen auch die dritten Klassen in Kleingruppen unterrichten.

Das Gymnasium in Nidda erwartet nächsten Montag 85 Jugendliche der 12. Klassen zum Unterricht. Mit etwas Glück treffen rechtzeitig die Desinfektionsmittel ein, die die Schule schon vor den Osterferien bestellt hat. „Wir überlegen noch, wie wir den Stundenplan gestalten können“, sagt die Schulleiterin Alexa Heinze. „Wir werden den Unterricht nicht vollständig erteilen können.“ Die etwas älteren Abiturienten bleiben daheim, sie haben ihre schriftlichen Prüfungen hinter sich. Aus der Ferne und mit Video-Tutorials bemühen sich ihre Lehrerinnen und Lehrer, die jungen Leute auf die mündliche Prüfung Ende Mai und Anfang Juni vorzubereiten. Jeder muss da durch. Für viele der Abiturienten sei das die erste mündliche Prüfung überhaupt, so Alexa Heinze.

Gute Erfahrungen mit der Lernsoftware wtkedu

Seit Mitte März machen die Gesamtschule in Gedern, die Grundschule in Düdelsheim und das Gymnasium in Nidda gleichermaßen gute Erfahrungen mit dem kreiseigene Fernunterricht-Portal www.wtkedu.de. Das seit 2011 arbeitende System mit seinen Präsentationen und Unterrichtseinheiten scheint jetzt flächendeckend in den 88 Schulen des Kreises anzukommen. „Wir haben es innerhalb von drei Tagen gestartet“, schwärmt Schulleiter Thomas Dauth. Täglich bekommen die Schüler damit Hausaufgaben. Und wenn es Fragen gibt, kann jeder per „Quick Message“ den Lehrer erreichen. Auch Chatgruppen und Videokonferenzen sind nun damit möglich. Alle befragten Schulleiter glauben, dass der digitale Unterricht auch nach der Epidemie eine größere Rolle als früher spielen wird.

Doch es gibt noch Hindernisse. Die Schulen sind längst nicht in jedem Klassenzimmer mit drahtlosem Internetzugang (Wlan) ausgestattet. Und es fehle an Computern, sagt Alexa Heinze in Nidda. Die Lehrkräfte benutzen ihre privaten Laptops oder Desktops. Die 850 Gymnasialschüler haben aber nicht alle ein eigenes Laptop – die wenigen Ausleihgeräte der Schule reichten nicht aus. Etliche Kinder müssen den Lernstoff seit einem Monat über ihr Mobiltelefon aufnehmen und bearbeiten. Und wenn es in einer Familie nur ein Prepaid-Handy gibt, funktioniert das laut Anneliese Zimmer so gut wie gar nicht.

Zuerst wird der Stoff nachgeholt – keiner bleibt sitzen

Die aktuelle Lage macht das Lernen für stille, zurückhaltende Kinder besonders schwer. Die Lehrkräfte versuchen laut Alexa Heinze, ihnen und ihren Eltern die Angst zu nehmen, dass dieses seltsame Schuljahr ihnen massiv schadet. Nach der Schulöffnung für alle werden zuerst versäumte Inhalte nachgeholt, versichert die Schulamtsdirektorin Rosemarie zur Heiden. Das werde sich bis in den Herbst hinein ziehen. „Wir müssen die Schülerinnen und Schüler wieder auf ein gemeinsames Level bringen. Deshalb bin ich froh, dass in diesem Jahr auch niemand sitzenbleiben wird.“

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