Reiche Ernte – aber vorsicht!
Von Corinna Willführ
Sie standen direkt am Wegrand im Rommelhausener Wald. Es waren gleich „Sieben auf einen Streich“:sieben stattliche Steinpilze, die die Wandergruppe unverhofft entdeckte. Der Boletus edulis ist mit seinem nussigen Geschmack und dem festen Fleisch einer der am häufigsten gesuchten und beliebtesten Speisepilze. Gerne in Ei gewendet und paniert wird auch der Parasolpilz, botanisch Macrolepiota procera, gegessen. Prächtige Exemplare seiner Spezies im Wald wie auf Wiesen ziehen noch immer die Blicke auf sich. Nachdem nach dem extrem heißen Sommer 2018 die Sammler-Ernte eher spärlich ausgefallen war, sind heuer selbst zum Ende der Speisepilz-Hauptsaison noch die verschiedensten Funghi zu finden. Doch ihr reiches Vorkommen darf nicht zum Leichtsinn verführen.Pizexperte warnt vor Leichtsinn
Lars Corsmeyer weiß um diese Versuchung. Nach seiner Ausbildung zum Natur- und Kulturführer Wetterau 2013, legte der heute 49-Jährige zwei Jahre später die Prüfung zum Pilzcoach bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (Pilzkunde) ab. „Alles, was nicht einhundertprozentig bestimmt werden kann, bleibt aus der Pfanne draußen“, so der Lißberger, der hauptberuflich für Marketing und Veranstaltungen in der Keltenwelt am Glauberg zuständig ist.
Die Bestimmung, so zeigt sich für den Laien, ist alles andere als einfach – selbst mit diversen Ratgebern oder Apps. „Früher sind Pilze in Bestimmungsbüchern immer gezeichnet worden, waren damit viel detaillierter als es Fotos sein können.“ Der „Fund“, den ich Lars Corsmeyer von einem frühmorgendlichen Spaziergang um Eichelsachsen zur Bestimmung mitbringe, birgt denn auch einige Überraschungen. Mit seiner leuchtend roten Kappe und den weißen Punkten ist ein Exemplar schnell als Fliegenpilz identifiziert. Giftig! Gleich nebenan, unter einer Birke gefunden, könnte das doch ein Birkenpilz sein? Mitnichten. „Der Schirm des Fliegenpilzes ist nur weiter geöffnet, seine rötliche Kappenfärbung verblasst. Aber es ist weiterhin ein Fliegenpilz.“
Satensröhrling
Unter dichtem Buchenlaub hatte ich ein wenig Appetit anregendes Exemplar gefunden. Wohl ein Bovist. Also nicht essbar. Zwei Fehler auf einmal. Der Flaschentäubling, mein Fund, erhält eine Kochmütze, ebenso wie sein „großer Bruder“ der Riesen-Bovist, die beide, solange ihr Fleisch noch weiß und fest ist, zum Verzehr geeignet sind. Nicht so der Kartoffelbovist, der im Innern eher schwärzlich ist, der „staubt“, wenn man ihn berührt und in Pilzführern das eindrückliche Zeichen des „Totenkopfs“ an seiner Seite hat.
Es waren wirklich zwei so schön gewachsene, noch miteinander verbundene Pilze, die einzigen Röhrlinge, also „echte Schwammerl“, die der Pilzcoach begutachtete. Gut, Steinpilze waren es nicht. Dazu war ihre Kappenunterseite zu gelb gefärbt. Zum Glück aber nicht Rot, sonst hätten sie Satansröhrlinge sein können. „Der Satansröhrling ist der einzige wirklich giftige Pilz unter den Röhrenpilzen. Der Gallenröhrling, den man mit einem Steinpilz verwechseln kann, macht jedes Pilzessen ungenießbar.“
Schopftintling, Spitzmorchel oder Ziegenlippe
Dann die Überraschung, nachdem sich noch Nebelkappe, Frauentäubling und Samtfußröhrling in meinem Korb befanden, führte der „Rätselpfad zur Pilzbestimmung“ zu einem, wie Lars Corsmeyer sagt: „äußerst schmackhaften Speisepilz.“ Dem Mönchskopf. „Hat der Hut einen Buckel?“ – ist die letzte Frage, bevor ein Pfeil einem mit „Ja“ signalisiert, dass man ihn unter anderen 96 Arten identifiziert hat. Ein einziges „Nein“ dorthin, ob es um die Beschaffenheit der Kappe, des Stiels, der Farbe der Lamellen gegangen wäre, hätte nicht zum Mönchskopf geführt.
Ob Schopftintling, Spitzmorchel oder Ziegenlippe, ob essbar oder für den Menschen ungenießbar: Pilze sind existentielle Bestandteile im ökologischen System. Sie sind Nahrung für Schnecken, Käfer oder auch Wild. Übrigens seit Ende der 1960er Jahre neben Fauna, Flora und Einzellern als eigenes „Reich“ anerkannt. Sie gehen eine enge Verbindung mit Bäumen ein. „Als Folgezersetzer bereiten sie Humus zu.“
Sie sind also mit Respekt zu behandeln. „Die meisten Pilzvergiftungen kommen gar nicht von giftigen Pilzen, sondern von verdorbenen“, stellt Lars Corsmeyer fest. Darum sollte man auch darauf achten, dass etwa Steinpilze oder Pfifferlinge, die man kaufen kann, ausreichend gekühlt gelagert wurden. Mein Fund ist eingepackt, als Lars Corsmeyer einige seiner (getrockneten) Funde hervorholt. Aus fernen Landen? Mitnichten. Den Zunderschwamm, das Judasohr oder den Wetterstern hat er in nächster Umgebung gefunden. Auch ein Sommertrüffel ist darunter. „Sie stehen unter Naturschutz. Man darf sie nur ‚pflücken‘, wenn sie auf dem eigenen Grundstück stehen.“ Für Steinpilze gilt: Für den Verkauf braucht es eine Lizenz. Für Fliegenpilze: Sich daran zu erinnern, woher sie ihren Namen haben. Lars Corsmeyer: „Man schnitt sie in Scheiben, kochte sie in Milch auf und stellte diese in die Küche. Das mochten die Fliegen.“
Der Literaturtipp aus der Ausbildung von Lars Corsmeyer: „Das Familien-Pilzbuch für Küche, Kreativität und Kinder“ von Dr. Rita und Frank Lücker, 19,95 Euro, Kreativpunkt-Verlag, zu dem auch der Rätselpfad zur Pilzbestimmung gehört.
Bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung: Die Giftnotzentrale Hessen ist unter 06131/19240 oder unter 0700-GIFTINFO in der Klinischen Toxikologie, II. Med. Klinik und Poliklinik der Universität Mainz, Langenbeckstraße 1 zu erreichen.