Bücher für alle in Wöllstadt
Das Car-Sharing kommt auf dem Lande nicht so recht voran. Doch auf einem anderen Sektor werden Dinge des täglichen Bedarfs durchaus geteilt. Immer mehr Öffentliche Bücherregale stehen in den Städten und Dörfern. Jetzt auch in beiden Ortsteilen von Wöllstadt in der Wetterau. Wie es dazu kam und worauf es ankommt, steht im folgenden Text.
Öffentliche Bücherregale
Ein Pappkarton machte den Anfang. Er stand wiederholt im zugigen, nicht gerade sauberen Durchgang unter den Gleisen des Nieder-Wöllstädter Bahnhofs – voller Romane und Sachbücher. Der anonyme Spender hatte sie offenbar dort hingestellt, damit die Zuggäste auf dem Weg nach Frankfurt auch mal ihre Smartphones in den Taschen lassen. Vermutlich auch, um daheim Platz zu schaffen für neue Literatur.
Die improvisierte Bücherstation müsste von diesem belebten, aber ekligen Ort in eine angenehmere Umgebung, überlegte der lesefreudige Ober-Wöllstädter Klaus Nissen. In der Gemeinde fehlte noch ein öffentliches Bücherregal, wie es schon in vielen anderen Orten steht. Beispielsweise vor dem Bad Salzhausener Thermalbad, im Foyer des Wölfersheimer Rathauses. Und in der roten englischen Telefonzelle vor dem Friedberger Landratsamt. Jeder kann sich ein Buch mitnehmen oder auch hinein stellen. Der Ober-Wöllstädter überzeugte die örtliche CDU von seiner Idee. Im Parlament wurde die Idee mit großer Mehrheit abgesegnet. 2018 fand man schließlich den idealen Platz im Eingangsbereich des Alten Rathauses von Ober-Wöllstadt. Er ist wettergeschützt und rund um die Uhr erreichbar. Nach einem Facebook-Aufruf meldete sich die Wöllstädterin Silke Holzhauer: Ihr Lebensgefährte Sascha Baade ist begeisterter Schreiner. Auf eigene Kosten baute er ein mannshohes, ansehnliches Bücherregal, das genau in die Nische zwischen dem Rollstuhl-Lift und der Wand passt. In kürzester Zeit füllte sich das Regal mit gut 200 Büchern. Die meisten von ihnen wurden von den vielen Nutzern bald wieder herausgenommen und durch neuen Lesestoff ersetzt.
Auch in Nieder-Wöllstadt suchten die Initiatoren einen Platz für ein Regal. Das ist nun gefunden: Im noch neuen Rewe-Markt nahm sich die Chefin Manuela Kimes der Sache an. Sie kaufte zwei Regal-Elemente, die stilistisch zum Mobiliar des Cafés links neben dem Supermarkt-Eingang passen. Wer am Nebentisch sitzt, kann nun ohne aufzustehen ein Buch herausziehen, beim Kaffee darin schmökern und es dann mit nach Hause nehmen. Kaffee und Bücher passen ja immer gut zusammen“, sagte Bürgermeister Adrian Roskoni bei einem Treffen mit den Regal-Paten in Nieder-Wöllstadt.
Vor allem Frauen nutzen das Angebot
Sie berichteten ihm, dass die Regale von den Nutzern sehr pfleglich behandelt werden. Nur selten legen sie darin Bücher ab, die nun wirklich keinen mehr interessieren. „Vor allem Frauen nutzen das Angebot“, beobachtete Manuela Kimes. Sie selber auch. Zur Entspannung nach ihren langen Arbeitstagen greife sie gerne zu Romanen „mit Herz“. Heitere und Liebesromane stellen eine große Abteilung in den beiden Gratis-Regalen. Recht stark vertreten sind auch Thriller von Dan Brown bis Stephen King. Und jede Menge Kinderbücher. „Gelegentlich ist auch mal ein Schatz dabei“, berichtet Klaus Nissen. Er freute sich sehr über Bruce Chatwins Reiseschilderung „In Patagonien“. Im Gegenzug legte er ein Buch von Peter Handke ins Regal – das freilich lange keinen Interessenten fand. Er musste es später seufzend mit einigen anderen „Ladenhütern“ entsorgen. Die Regale sind kein Altpapierlager, betonen die Bücherpaten. Sondern Literatur-Depots für entdeckungsfreudige Leser. Und für Buchspender eine Gelegenheit, interessante Lektüre auch anderen zugänglich zu machen.
Ein Gedanke zu „Öffentliche Bücherregale“