Der Erfinder der Trockensuppe
Von Michael Schlag
Wer hat die Trockensuppen erfunden? Es fallen einem die Namen von noch heute existierenden Lebensmittelunternehmen ein, aber tatsächlich kommt die Ehre einem Erfinder aus Hildburghausen im südlichen Thüringen zu. Er entwickelte als Erster ein Verfahren, wie man Gemüse „condensiert“ und zu Platten gepresst in alle Welt verkauft. Das Stadtmuseum Hildburghausen widmet ihm eine Ausstellung.Briefe aus den Kolonien
Adolf Mensing, Kaiserlicher Zollamtsverwalter in Lindi, Deutsch-Ostafrika ist voll des Lobes: „Ihre Suppentafeln sind vorzüglich“, schreibt er am 13. September 1906 an Rudolf Scheller in Hildburghausen. Auch W. van den Brink, Prediger der Protestantischen Gemeinde in Curaçao, ist auf den Geschmack gekommen. Er bestellt am 22. Juli 1908 gleich 100 Suppentafeln bei Scheller und einen nicht näher bezeichneten Nachschub an Dörrgemüse.
Und von Sigata in Niederländisch-Indien schreibt Frau Missionar A. Landwehr am 1. Juli 1904: „Ihre Suppentafeln und Dörrgemüse gewähren bei ihrer Vorzüglichkeit uns viel Abwechslung und vortreffliche Dienste!“ Denn man lebe auf einer sehr abgelegenen Insel, die fast nichts hervorbringe, was ein europäischer Magen brauchen könne.
Erste Fabrik für kondensierte Suppen
Die Briefe mit soviel Kundenlob aus aller Welt gingen nach Hildburghausen im südlichen Thüringen. Adressat war Rudolf Scheller, gelernter Apotheker und jetzt erfolgreicher Unternehmer in der Lebensmittelindustrie. Er gilt als der Erfinder der Tütensuppe, wobei das Bild nicht genau stimmt, seine Suppen und sein Dörrgemüse kamen nicht in Tüten, sondern wurden zu Tafeln gepresst. Das Stadtmuseum Hildburghausen widmet der Thüringer Unternehmerfamilie Scheller derzeit eine Sonderausstellung, darin auch der Erfinder Rudolf Scheller. Er gründete 1871 die erste Fabrik für kondensierte Suppen.
Apotheker und Pfeifenfabrikant
Rudolf Scheller wurde 1822 in Hildburghausen geboren. Nach dem Schulbesuch machte er eine Ausbildung zum Apotheker, studierte anschließend Pharmazie an der Universität Jena und leitete einige Jahre Apotheken in Wien und Frankfurt am Main. In Wien hatte er die Herstellung von Tabakpfeifen aus Meerschaum kennengelernt, ein Mineral mit besonders guten Temperatureigenschaften. Zurück zu Hause eröffnete er 1860 in Hildburghausen eine Fabrik für Meerschaumwaren. Zehn Jahre später, während des deutsch-französischen Krieges 1870/71, wechselte er das Metier.
Eingedampft und gepresst
Scheller entwickelte ein Verfahren zur Haltbarmachung von Gemüse und produzierte ab 1872 kondensierte Suppen in Hildburghausen. Zur Verpflegung der Soldaten hatte das Militär bis dahin vor allem massenhaft Erbswurst produzieren lassen. Jetzt gab es auch viele andere Suppenarten in trockener Form, aus Gemüse, das zuvor „condensiert“ (eingedampft) wurde. Es wurde mit selbst entwickelten Pressen zu Suppentafeln verdichtet, die sich mit Bruchrillen portionsweise in sechs Teile brechen ließen. Neben Gemüse bestanden die Suppentafeln aus Getreidemehlen, Rindertalg und Gewürzen. Aufgekocht in Wasser war jede Tafel gut für sechs Teller.

Links die Pressformen für Suppentafeln.
Kapitalkräftige Konkurrenten
Zwar blieben Großaufträge vom Militär für die Suppen aus, Scheller konnte sich aber mit Trockensuppen und Dörrgemüse im Lebensmittelmarkt etablieren, berichtet wird auch von Verkäufen in die USA. Allerdings: „Leider konnte sich die Firma nie gegen die finanzkräftigeren Konkurrenzfirmen Knorr und Maggi durchsetzen, weshalb der Erfolg der Fabrikation immer relativ gering blieb,“ schreibt das Museum. Sie wurden auch durch intensive Werbung zunehmend stärker im Markt, der Hildburghausener Familienbetrieb konnte dabei nicht mithalten.
Der Gründer und Erfinder Rudolf Scheller zog sich 1895 aus der Firma zurück und starb 1900. Sein Sohn Rudolf jun. übernahm die Leitung der Fabrik für kondensierte Suppen. Das Militär interessierte sich dann doch noch für die Trockensuppen aus Hildburghausen: „Die von Ihnen bemusterten Suppenkonserven eignen sich zur Truppenverpflegung auch in Tropen. Das Oberkommando stellt Ihnen anheim, bei der nächsten Ihnen zugehenden Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes hierauf zurückzugreifen.“ Das schrieb am 4. Mai 1905 das Kaiserliche Oberkommando der Schutztruppen nach Hildburghausen und Rudolf Scheller jun. vermerkt dazu: „Für die deutschen Truppen in den Kolonien sind mir bedeutende Lieferungsaufträge erteilt worden“. Nach seinem Tod 1943 wurde die Produktion bald eingestellt. Der versuchte Neustart nach 1945 scheiterte, die Produktion von Trockensuppen in Hildburghausen endete 1947.
Das Stadtmuseum Hildburghausen ist Mittwoch bis Freitag und sonntags jeweils 10 bis 17 Uhr geöffnet. Die Sonderausstellung über die Unternehmerfamilie Scheller läuft noch bis 17. August 2025