Neue Köpfe für den Landtag
Von Klaus Nissen
Die SPD in der südlichen Wetterau hat nun ihren letzten Direktkandidaten für den Landtag bestimmt. Auch die Grünen und die CDU hoben ihre Favoriten auf den Schild.Landtagswahl: Drei Parteien – neun Kandidaten
Die drei größten Parteien haben zur Landtagswahl am 8. Oktober 2023 nun für fast jeden der drei Wahlkreise in der Wetterau Direktkandidaten. Zuletzt hoben die SPD-Delegierten in der südlichen Wetterau mit 30 von 33 Stimmen den 53-jährigen Gewerkschafter Matthias Körner aus Gießen auf den Schild.
Der neue Hoffnungsträger ist groß und hat dichte schwarze Haare, in denen erste graue Fäden auftauchen. Dort oben bewahrt er die Lesebrille auf, wenn er nicht auf seine Spickzettel schaut. Das Ablesen dauerte am Montagabend 30. Januar 2023 im Vereinsheim des SC Dortelweil stets nur Sekunden. Denn Matthias Körner ist geübt darin, frei zu sprechen und maßvoll zu gestikulieren.
Vom Rangierer zum Abgeordneten
Der Gewerkschaftsrat hatte den jungenhaft und kommunikationsfreudig wirkenden Mann der Wetterauer SPD als Herausforderer des langjährigen CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Utter angetragen. Denn Mirjam Fuhrmann, die 2018 noch antrat, will es nicht mehr. Sie sei mit dem SPD-Fraktionsvorsitz in Bad Vilbel und ihrem Familienleben reichlich ausgelastet, sagt sie auf Nachfrage.
Der Neue, den etliche Delegierte zum ersten Mal sahen, stammt aus Kassel. Er machte mit 16 Jahren eine Lehre zum Maschinenschlosser, schaffte dann bei der Bahn als Rangierfacharbeiter und „Hemmschuhleger“. Nachdem er gewerkschaftliches Engagement zeigte, kam er zum Studium an die Akademie der Arbeit nach Frankfurt. Danach landete Körner in der Verwaltung der Eisenbahnergewerkschaft. Seit 2006 ist er beim DGB Hessen-Thüringen für Kampagnen und politische Strategien verantwortlich. Er verdient sein Brot als Regionalgeschäftsführer des 6000 Mitglieder zählenden DGB Mittelhessen – zu dem die Wetterau nicht gehört. Körner leitete lange den SPD-Unterbezirk Gießen und sitzt dort im Kreistag.
Bei der Dortelweiler Bewerbungsrede sparte Körner auch seine große Krise nicht aus. 2017 strebte er in den Bundestag – und scheiterte. Kurz danach bekam der dreifache Vater gesundheitliche Probleme, die sein ganzes Leben in Frage stellten. Er kämpfte sich heraus. Am Montag erzählte er, selbst ein wenig verwundert, dass es ihm gelang, das Sportprogramm durchzuhalten, nicht mehr zu rauchen und dauerhaft 15 Kilo weniger zu wiegen. Nicht so optimal, dass die Wetterauer Sozialdemokraten dem frisch gewählten Direktkandidaten dann ausgerechnet ein in Zellophan gehülltes Fresspaket aus einer renommierten Metzgerei überreichten.
Klare Meinung zur Leopard-Lieferung
Was will Körner? Er fasst es in vier D-Wörtern zusammen: Bei der Digitalisierung sei genau zu prüfen, welche Dinge automatisiert werden sollen. Demokratie – wichtig sei, die Menschen in den Diskurs zurückzuholen, die sich abgewandt haben. Und Dekarbonisierung: Die Hessen sollten wieder Speerspitze werden – auch dabei, nur noch erneuerbare Energien zu nutzen.
Zur Demografie meinte Körner: Man müsse sich mehr bemühen, junge Leute zu qualifizieren. Die tiefgreifenden Umwälzungen in der Berufswelt müsse die Politik aktiver begleiten. Dazu gehöre auch das Einstehen für die Beschäftigten der großen kriselnden Betriebe – wie etwa Conti in Karben. Das mache auch Spaß. „Bis heute fühle ich mich nirgends so lebendig wie morgens um fünf im Arbeitskampf.“
Apropos Kampf: Die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine sei „unter vielen Scheiß-Möglichkeiten die beste“, bekannte Körner. „Aber es befremdet mich, wenn man darüber in Jubel ausbricht.“ Beifall aus dem Plenum.
Matthias Körner will für die SPD im Wahlkreis 25 Wetterau I am 8. Oktober in den Landtag gewählt werden. In Bad Vilbel, Karben, Rosbach, Niddatal, Friedberg und Wöllstadt erhielten CDU und Grüne bisher deutlich mehr Stimmen. Körner hofft daher auf einen guten Listenplatz – der bei der Hessen-APD ab Juni bestimmt wird. Für den Fall, dass Körner ausfällt, wählten die Delegierten Nora Zado aus Karben zur Ersatzkandidatin. Die 32-Jährige ist Mitbegründerin der Antifa-BI und forscht momentan als Doktorandin im Demokratiezentrum an der Marburger Uni.
Lisa Gnadl und Anne Thomas sind gesetzt
Im Wahlkreis 26 Wetterau-Ost hat die SPD die Landtagsabgeordnete und Unbezirksvorsitzende Lisa Gnadl aus Glauburg schon als Direktkandidatin bestätigt. Aus der nördlichen Wetterau (Wahlkreis 27) strebt die 1986 geborene Anne Thomas in den Landtag. Die Büroleiterin der Bundestagsabgeordneten Natalie Pawlik ist daheim in Butzbach Ortsvorsteherin und SPD-Vorsitzende.
Bei der Wetterauer CDU tritt für den südlichen Wahlkreis 25 erneut der Landtagsabgeordnete Tobias Utter aus Bad Vilbel an. Der 60-Jährige hat sein Mandat schon seit 2008. Bei der geheimen Wahl Ende November 2022 stimmten 58 der 71 Delegierten (84,1 Prozent) für Utter. Zu seinem Ersatzkandidaten wurde der 44-jährige Geschäftsführer Stephan Theiß aus Karben.
Für den Wahlkreis 26 im Wetterauer Osten und die Main-Kinzig-Gemeinden Gründau, Ronneburg und Wächtersbach tritt für die CDU der 33-jährige Patrick Appel an. Der an der Gesamtschule Konradsdorf lehrende Pädagoge Appel engagiert sich trotz seiner Jugend schon seit 2011 im Wetterauer Kreistag. Er soll nun das Mandat von Lucia Puttrich für die CDU erhalten. Die Hessische Europaministerin hat Ende 2022 ihren Ausstieg aus der Landespolitik verkündet. Als Ersatzkandidatin für Appel bestimmte die Partei die Altenstädter Landwirtschaftsmeisterin Daniela Vogler.
Den Wahlkreis 27 soll erstmals die 58-jährige Diplomökonomin Annette Wetekam für die CDU erobern. Sie bewirbt sich um das Mandat des 2022 aus gesundheitlichen Gründen ausgeschiedenen Ex-Landtagspräsidenten Norbert Kartmann. Bei der Kür unterlag ihr Konkurrent, der 40-jährige Oberstudienrat Manfred Jordis aus Bad Nauheim.
Annette Wetekam lebt in Bad Nauheim. Sie war von 2019 bis 2021 dort CDU-Vorsitzende und kann auf Führungspositionen in Ehrenämtern zurückblicken: als Vorsitzende des Mütter- und Familienzentrums und als Schulelternbeiratsvorsitzende an zwei Schulen.
Der Wahlkreis 27 umfasst die Städte und Gemeinden Bad Nauheim, Butzbach, Echzell, Florstadt, Münzenberg, Ober-Mörlen, Reichelsheim, Rockenberg und Wölfersheim.
Zwei Grünen-Frauen für den Landtag
Die Wetterauer Grünen wählten am 29. Januar ihre Direktkandidatinnen in den Wahlkreisen 25 und 27. Für den Ostkreis ist die Kür im Februar geplant.
Im Wahlkreis Wetterau I im Süden tritt die
Landtagsabgeordnete Kathrin Anders aus Bad Vilbel an. Sie erhielt 41 von 43 Stimmen. Markus Dreßler, der Fraktionsvorsitzende der
Grünen aus Karben, wurde mit 42 Stimmen zum Ersatzkandidaten gewählt.
Kathrin Anders ist 2019 über die Landesliste der Grünen in den Hessischen Landtag eingezogen. In ihrer Fraktion ist sie gesundheitspolitische Sprecherin und zuständig für frühkindliche Bildung und Grundschulen. In ihrer Rede erklärte sie: „Wir brauchen eine gute Gesundheitsversorgung in Stadt und Land. Es braucht neue Strukturen, um den Bedarfen einer alternden Gesellschaft gerecht zu
werden.“
Für den Wahlkreis 27 – Wetterau III setzte sich Sabina Eberlein deutlich mit 19 Stimmen gegen Sabine von zur Mühlen (4 Stimmen) durch. Sascha Mieger, Vorsitzender der Grünen in Rockenberg, wurde Ersatzkandidat.
ist mit 91% der Stimmen zum stellvertretenden Direktkandidaten gewählt worden.
Sabina Eberlein lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Bad Vilbel. Beruflich ist sie als Projektleiterin tätig. Im November 2022 ist sie zur Sprecherin des Kreisverbandes der Grünen gewählt worden. Sie ist seit 2021 in Bad Vilbel im Ortsbeirat Kernstadt und der Stadtverordnetenversammlung. Hier bearbeitet sie die Themen Klimaschutz, Wald- sowie Wasserwirtschaft und Digitalisierung. I
Bei der letzten Landtagswahl wurden die Grünen 2018 zur zweitstärksten Kraft im Wetteraukreis gewählt. Im Süden hatten sie mit 22,7 Prozent ihr bestes Ergebnis erhalten. Der Rückstand bei den Erststimmen im südlichen Wahlkreis betrug neun Prozentpunkte. Kathrin Anders rechnet sich Chancen aus, dem ebenfalls aus Bad Vilbel kommenden CDU-Konkurrenten Tobias Utter das Direktmandat abzunehmen.
Kandidaten zur Landratswahl
Voraussichtlich ebenfalls am 8. Oktober 2023 wird der Landrat für den Wetteraukreis gewählt. Amtsinhaber Jan Weckler (CDU) aus Ober-Mörlen bewirbt sich voraussichtlich erneut. Die SPD schickt Rouven Kötter ins Rennen – den ehemaligen Wölfersheimer Bürgermeister und aktuell Ersten Beigeordneten des Regionalverbandes RheinMain.
Für die Grünen kandidiert Thomas Zebunke. Der 61-jährige Friedberger bearbeitet im Bundesministerium für Landwirtschaft Fragen des Ökolandbaus. In gleicher Funktion war er zuvor für das Land Hessen tätig.
Zebunke hatte sich bereits 2018 vergeblich um das Landratsamt beworben. Sein CDU-Konkurrent Jan Weckler gewann die Stichwahl im März 2018 mit 57 Prozent der Stimmen gegen dieErste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch (SPD). Im ersten Wahlgang war auch Zebunke angetreten und auf 14,8 Prozent gekommen. Becker-Bösch hatte sich im Oktober 2022 parteiintern als Landtags-Direktkandidat angeboten. Doch in der geheimen Wahl unterlag die erfahrene Juristin überraschend deuchlich der jungen Butzbacherin Anne Thomas.