Ergebnisse der NORAH-Studie
Jetzt ist es wissenschaftlich bewiesen: Der Fluglärm am Frankfurter Airport macht Menschen in seinem Umfeld krank. „Die Belästigung hier ist außergewöhnlich hoch“, sagt Peter Lercher, Professor an der Medizinischen Universität Innsbruck.
Flughafen ist zu laut
Der Fachmann hat die NORAH-Studie über die Auswirkungen des Verkehrslärms am Flughafen begleitet. Sein Fazit: Auch im Vergleich mit internationalen Flughäfen in anderen Ländern erweise sich Frankfurt als besonders problematisch.
Vor allem in der Nacht. Die Flug-Pause zwischen 23 und 5 Uhr reiche nicht aus, sagte Peter Lercher am 20. November bei der Ergebnis-Präsentation der NORAH-Studie in der Flörsheimer Stadthalle. Die Initiative Zukunft Rhein-Main hatte dazu eingeladen, das Bündnis gegen Fluglärm mit Vertretern des Kreises Groß-Gerau und der Städte Mainz, Neu-Isenburg und Flörsheim.
Die NORAH-Forscher maßen bei 89 gesunden Flughafen-Anwohnern per Elektro-Enzephalographie (EEG) den Nachtschlaf. Und fanden ab 5 Uhr „merkliche Aufwachreaktionen“ durch die startenden und landenden Jets, berichtete Professor Lercher. „Da kommt jede Veränderung sehr plötzlich“. In der Mainzer Oberstadt wachten viele Leute sogar schon 15 Minuten vor 5 Uhr wegen des Flughafens auf, erzählte die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder.
Der Lärm-Experte Peter Lercher plädierte dafür, die Flughafen-Anwohner vor allem zwischen 5 und 7 Uhr besser zu schützen. Und verwies darauf, dass in der Europäischen Union die offizielle Nachtruhe zwischen 23 und 7 Uhr angesiedelt ist. Ähnlich sieht es Joerdis Wothge, Lärm-Expertin beim Bundesumweltamt: „Wir sprechen uns weiter für eine Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr aus“, sagte sie in Flörsheim vor rund 200 Flughafen-Anwohnern. Schließlich produziere der Fluglärm erhöhte Krankheitsrisiken. Da nickten viele auf dem Podium und im Saal. Doch Thomas Jühe, der Raunheimer Bürgermeister, ließ keine Illusionen aufkommen. Eine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr werde „politisch in nächster Zeit auf keinen Fall erreichbar sein“, sagte der auch in der Fluglärmkommission aktive SPD-Politiker.
Was dann? Für Jühe ist vielleicht die SPD-Initiative aussichtsreich, die Lärmpause viertelstundenweise auszudehnen. Er lobte die schwarz-grüne Landesregierung, die sich den Nöten der Fraport-Anrainer nicht ganz verschließe. Regine Barth vom grün regierten Wirtschaftsministerium nimmt die gemessenen Konzentrationsstörungen von Grundschülern zum Anlass, einen besseren Schallschutz in den Klassenräumen durchzusetzen. „Da werden gerade die Richtlinien geschrieben“, sagte die Fluglärmbeauftragte von Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.
Alles in allem hat die Belästigung durch Verkehrslärm am Flughafen ein „Riesen-Ausmaß“, fasste Rainer Guski zusammen. Der Professor der Ruhr-Universität Bochum hat die dreijährige Mammut-Studie organisiert und geleitet. Es sei wichtig, die auf mehr als 2000 Seiten dokumentierten Ergebnisse genau zu lesen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Sich beispielsweise klarzumachen, dass der niedrigste Dauerschall-Pegel nachts um vier Uhr immer noch bei 30 bis 35 dB liegt. In der am stärksten belasteten Stadt Raunheim stieg das gemessene Grund-Rauschen zeitweise auf 63 dB, berichtete Dirk Schreckenberg aus der NORAH-Studie. Das entspricht etwa dem Geräusch eines Fernsehers auf Zimmerlautstärke in einem Meter Entfernung.
„Niemand von uns ist Gegner des Flughafens“, sagte der Groß-Gerauer Landrat Thomas Will in Flörsheim. Aber die Studie habe gezeigt, wo die Grenzen der Belastbarkeit zu setzen sind. Will zeigte sich verwundert, dass Fraport-Chef Stefan Schulte schon am Tag der Studien-Veröffentlichung Ende Oktober behauptete, dass die „Anwohner des Flughafens aufgrund des Flugbetriebs keine Angst um ihre Gesundheit haben müssen“. In einer Pressemitteilung schrieb Fraport sogar: „Die Schlafqualität im Flughafenumland ist insgesamt hoch“. Die Fraport-Leute hätten vorher lieber die ganze Studie lesen sollen, empfahl ihr Chef-Autor Rainer Guski. Ganz anders als Stefan Schulte schätzt Thomas Scheffler, der Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen, die Studie ein. Er schrieb in eine Pressemitteilung: „Unsere Aussage ‚Fluglärm macht krank‘ muss nach NORAH ergänzt werden: Fluglärm macht krank und tötet.“
Viele im Publikum bezweifelten am 20. November in Flörsheim den Wert der NORAH-Studie. Man hätte auch chronisch kranke Flughafen-Anwohner untersuchen müssen, sagte ein Zuhörer. Und: Die Studie könne schon deshalb nicht unabhängig sein, weil ihre Kosten von rund zehn Millionen Euro zu zehn Prozent von Fraport finanziert seien. Raunheims Bürgermeister Thomas Jühe, die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder und Regine Barth vom Wirtschaftsministerium widersprachen. Mit ihren Zweifeln an der Studie täten sich die Anwohner keinen Gefallen, so Jühe. „Die Studie heizt die Debatte um Verkehrslärm an“, meinte Katrin Eder. Sie könne daraus etliche Argumente für die noch laufenden Gerichtsverfahren gegen Fraport ziehen. Und Regine Barth erinnerte daran, dass 2017 das bundesweite Fluglärm-Schutzgesetz erneuert werde. Und dazu seien die Erkenntnisse aus der NORAH-Studie hilfreich. Ende November bringen Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg eine entsprechende Initiative in den Bundesrat ein.
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