Flüchtlinge

Unterkünfte verzweifelt gesucht

Von Klaus Nissen

Der Wetteraukreis nimmt nach eigener Schätzung im Jahr 2022 mehr als doppelt so viele Geflüchtete auf als 2015. Damals kamen 2506 Personen aus Afghanistan, Syrien und vielen anderen Ländern. Im laufenden Jahr werden bis Silvester knapp 5400 Geflüchtete eintreffen, heißt es im Friedberger Kreishaus. Etwa 20 Prozent kommen aus der Ukraine. Sie werden auf die 25 Städte und Gemeinden verteilt, während sich die Kreisverwaltung selbst um die vielen „Weltflüchtlinge“ kümmert. Bei der Suche nach Gemeinschaftsunterkünften brechen Konflikte auf.

Konflikte in Dorheim und Kefenrod

Die Kreisverwaltung akquiriert intensiv zusätzliche Gemeinschaftsunterkünfte. Man plane auch den Aufbau von Leichtbauhallen, sagte die Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch (SPD). Sie bestätigte, dass dafür auch der Festplatz von Kefenrod-Bindsachsen vorgesehen sei. Die Aussicht auf rund 120 Geflüchtete führte in der letzten Novemberwoche 2022 zu emotionalen Protesten von Einheimischen auf einer Ortsbeiratssitzung. Jede Kommune müsse sich offen für Geflüchtete zeigen, sagte dazu die Sozialdezernentin des Kreises.

Die doppelstöckige Container-Unterkunft am Rande von Dorheim bei Friedberg soll im Februar 2023 mit 120 Menschen belegt werden. Foto: Nissen

Konfliktbeladen ist auch der Bau eines doppelstöckigen Containergebäudes am Rande des Recyclinghofes in Friedberg-Dorheim. Landrat Jan Weckler (CDU) lud am Donnerstag zu einer Besichtigung ein.

Der insgesamt 4,5 Millionen Euro teure Bau ist fast fertig. Er fasst 60 Räume von zwölf Quadratmetern Größe, in denen jeweils ein Doppelstockbett, zwei Metallspinde, ein Tisch und zwei Stühle stehen werden. Ein größerer Raum wird zur Gemeinschaftsküche hergerichtet. Die Herde bekommen eine Selbstabschaltung, um die in anderen Unterkünfte laut Kreisverwaltung häufigen Feueralarme zu vermeiden. Die Unterkunft am Rande von Dorheim wird mit einem Sicherheitsdienst und einer Sozialbetreuung ausgestattet.

Stadt verweigert die Baugenehmigung

Das Wohnen neben der Entsorgungsanlage sei Geflüchteten nicht zuzumuten, beschwerte sich der Ortsbeirat. Allerdings stehen dort lediglich Sammelcontainer. Die neue Unterkunft liegt direkt an einer Streuobstwiese. Die dort ab Februar einziehenden Menschen können zu Fuß einen Supermarkt und den Bahnhof von Dorheim erreichen.

Die Stadt Friedberg verweigert dennoch die Zustimmung zur Baugenehmigung. Sie wird über eine Sonderregelung des Landes trotzdem dennoch für Februar erwartet, teilte Landrat Weckler beim Ortstermin mit. Dann soll das Gebäude bezogen werden. Falls es irgendwann nicht mehr für Flüchtlinge gebraucht wird, bleibt es als Bürohaus für Kreisbedienstete stehen.

Im künftigen Waschraum der Dorheimer Unterkunft wird noch gearbeitet. Die Container bieten jedem Geflohenen nicht mehr als sechs Quadratmeter Platz. foto: Nissen

Eine noch viel größere Unterkunft für mehrere hundert Geflüchtete verabredeten Stadt und Kreis auf dem Gelände der ehemaligen US-Kaserne am Südrand Friedbergs. Dort soll nördlich der schon bestehenden Erstaufnahmeeinrichtung des Landes ein Gebäude-Karree hergerichtet werden.

Die Stadt wollte es ursprünglich abreißen und an gleicher Stelle ihren neuen Feuerwehrstützpunkt bauen. Sie darf ihn nun auf einem leeren Grundstück daneben errichten und spart sich die Abrisskosten. Der Wetteraukreis prüft den Aufwand für die Umnutzung der knapp 40 Jahre alten Kasernengebäude. Weil sie seit Jahrzehnten leerstehen und keine Leitungsanbindungen haben, ist er enorm. Die Herrichtung zweier anderer Kasernengebäude für Geflüchtete kostete fast fünf Millionen Euro, sagte der Kreisbeigeordnete Matthias Walther (CDU).

Die neue Nutzung des Kasernenareals haben Landrat Weckler und Friedbergs Bürgermeister Dirk Antkowiak am 29. November mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vereinbart, der das 74 Hektar große Kasernengelände gehört.

Auch Kinder und Jugendliche treffen wieder ein

Im November 2022 wies der Wetteraukreis noch weitere Sammelunterkünfte aus. Aktuell stattet er die Waldsporthalle im Altenstädter Ortsteil Oberau mit Betten, Spinden und Raumteilern aus. In einer Gewerbehalle am Rande des Wölfersheimer Ortsteils Berstadt sollen im nächsten Quartal rund 80 Geflüchtete unterkommen. Im Bürgerhaus von Nidda-Wallernhausen sollen noch vor Weihnachten 38 Geflüchtete unterkommen. Andere ziehen in den ersten Stock der Gederner Schlossbergklinik ein.

Zum ersten Mal seit 2016 muss sich der Wetteraukreis bald auch um etwa 60 unbegleitete Kinder und Jugendliche kümmern. Sie werden laut Sozialdezernentin Becker-Bösch. voraussichtlich im ehemaligen Kreisjugendheim „Hubertus“ bei Butzbach untergebracht. Es sei sehr schwer, für alle Kinder und Erwachsenen genug Betreuungspersonal zu finden. Die Kreisverwaltung bittet nun die Bevölkerung, mitzuhelfen. Wer Interesse hat, kann sich unter der netzadresse www.ag-fluechtlingshilfe-wetterau.de informieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert