Beste ökologische Werte
von Ursula Wöll
Wie man mit Papier bauen kann, erforscht die Technische Hochschule Mittelhessen (THM). Der Schwerpunkt liegt auf Bauwerken, die nur zeitweise genutzt werden.„Hochhäuser wird man aus Papier so schnell nicht bauen können. Auch für Einfamilienhäuser kommt das Material eher nicht in Frage. Aber mehr als bedrucken oder Flieger falten kann man mit Papier schon“, so Professor Stefan Kolling von der THM. Was genau, haben er und seine KollegInnen von der TU Darmstadt, der Hochschule Darmstadt und der TH Mittelhessen im Projekt „BAMP – Bauen mit Papier“ untersucht.
Papier biegesteif gemacht
Ziel von BAMP war nicht nur, wissenschaftliche und technische
Grundlagen für die Nutzung von Papier am Bau zu schaffen, sondern praktische Lösungsansätze zu entwickeln. Dabei lag der Anwendungsschwerpunkt auf Bauwerken für eine temporäre Nutzung, zum Beispiel für den Messebau, für Notunterkünfte oder einmalige Großveranstaltungen.
Modellhaft entwickelten die universitären Projektpartner dafür Stab- und Flächenelemente auf Papierbasis. So konstruierten und modellierten sie etwa einen Balken, der die gleiche Biegesteifigkeit hat wie einer aus Holz, Beton oder Stahl. In einer Machbarkeitsstudie wurde die Belastbarkeit derart optimierter Papierbauteile also mit traditionellen Materialien verglichen, und sie überraschte positiv. Untersucht wurde auch, welchen Einfluss Temperatur und Feuchtigkeit
auf die Lebensdauer der papierenen Bauteile ausüben.
Nachhaltiges Bauen mit Papier
Während das Bauen mit Lehm eine lange Tradition hat und gerade wieder modern wird, ist das Bauen mit Papier neu. Auch Papier ist ein nachhaltiger Baustoff. Das gilt vor allem für recyceltes Material. Bauen mit Papier erzielt dann beste ökologische Werte, weil das Holz nicht einmal nachwachsen muss. Die Bauten sind eventuell sogar später erneut recycelbar.
Zumindes gilt das für das Papierhaus, das aus 70 Prozent Papier besteht. Die Idee hatte ein Berliner Architekt mit dem Spezialgebiet Sozialbauten. Der wandte sich an die Thüringer Firma Fiber-Trommel, die seine Idee realisierte und einen Prototyp mit 55 Quadratmetern Wohnfläche baute. Das Häuschen, zu 70 Prozent aus Papier und daher auch billig herzustellen, soll recycelbar sein.
Ob die BAMP-Forscher von dieser genialen Neuerung Kenntnis hatten? Für ihr Projekt an der THMittelhessen in Giessen und Friedberg war Dr. Stefan Kolling, Professor für Mechanik, verantwortlich. Er betonte, dass Maschinenbauer, Architekten, Bauingenieure, Chemiker und Umweltwissenschaftler interdisziplinär zusammenarbeiteten.
Das Land Hessen förderte das Projekt im Rahmen der „LandesOffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (Loewe)“ vier Jahre lang mit insgesamt 4,6 Millionen Euro. Eine sinnvolle Verwendung von Geldern. Denn das Bauen mit Beton kommt an seine Grenzen. Allein weil weltweit der dazu benötigte Sand knapp wird. Und weil bei der Herstellung des ebenfalls benötigten Zements riesige CO2-Mengen frei werden.
Leider erläutert die Pressenotiz über das BAMP-Projekt nicht, welche Beimischungen das Papier erhielt, um so biegesteif, also stabil zu werden. Auch bleibt offen, ob man die Versuche mit Recycling-Papier vornahm und ob am Ende der Papierbau wieder recycelbar war. So wünscht man sich, dass das Projekt BAMP auch im Jahr 2021 weiterläuft, wenn es keine staatlichen Gelder mehr gibt. Und dass die StudentInnen stärker einbezogen werden, um konkrete Baumodelle zu entwickeln. Etwa für Flüchtlinge, die sicher lieber in einem Papierhaus als in einem Zelt „wohnen“.
Mehr über das Thüringer Papuerhäuschen steht hier: www.mdr.de/einfach-genial/eg-papier-haus-100.html