Der Frust entlädt sich jetzt in einer Demo
Lange Wartezeiten, fehlende Dolmetscher, und Abzocke bei Gebühren bemängeln der Friedberger Ausländerbeirat und das Internationale Zentrum. Versuche, die Situation zu verbessern, seien gescheitert. Für den 15. März 2018 ruft man deshalb zu einer Demonstration vor der Wetterauer Kreisverwaltung auf.
Ausländerbehörde Friedberg
Wer zu den 30 000 Wetterauern ohne deutschen Pass gehört, hat ein Problem. Es sitzt im ersten Stock des ehemaligen Sparkassen-Hauses an der Kaiserstraße. Die Ausländerbehörde des Kreises brauche für Visa-Verlängerungen und andere einfache Verwaltungsvorgänge mittlerweile ein halbes Jahr, schimpft Recep Kaplan vom Friedberger Ausländerbeirat. In anderen Landkreisen bekomme man binnen weniger Tage einen Termin. Und wer dann ins Amt bestellt wird, habe einen harten Tag. Leute aus Nidda oder Büdingen reisen schon nachts an, damit sie um 6.30 Uhr eine Nummer ziehen können, sagt Kaplan. „Und wenn man Glück hat, kommt man kurz vor zwölf oder nachmittags bis 17 Uhr dran.“ So lange müssten auch Familien mit kleinen Kindern warten – und es gebe nicht mal einen Wasserspender im Warte-Flur. „Ich dachte, das hatten wir hinter uns.“ Bei keiner anderen Behörde würden sich die Kunden so eine Behandlung gefallen lassen, sagt der Friedberger türkischer Herkunft.
Schon im Juli 2013 demonstrierten mehrere hundert Wetterauer vor dem Landratsamt für ein besseres Management in der Ausländerbehörde. Am 15. März 2018 rufen die Ausländerbeiräte und das Internationale Zentrum Friedberg erneut zur Demo und Kundgebung auf. Um 14 Uhr trifft man sich an der Friedberger Burg, läuft dann über die Kaiserstraße zum Landratsamt. Dort sollen Betroffene, Vertreter von Parteien, von den Kirchen und auch die Landratskandidaten Jan Weckler (CDU) und Stephanie Becker-Bösch (SPD) Lösungsvorschläge machen.
Die Sachbearbeiter sind knapp
Nach der „Flüchtlingskrise“ vom hatte auch der Amtsleiter Holger Gajewski Anfang 2016 eine Überforderung seiner Behörde eingeräumt. Damals hatte er nur 23 Sachbearbeiter. Inzwischen sind es um die 30. Die Behörde reaktivierte pensionierte Beamte, beispielsweise einen ehemaligen Polizisten, für den Umgang mit Flüchtlingen und hier lebenden und arbeitenden Ausländern. Doch das reicht alles nicht, meint Johannes Hartmann vom Internationalen Zentrum Friedberg (IZF). Wer als Betroffener oder ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer öfter mit der Behörde zu tun habe, „dem steht der Brass bis hier!“ sagte Hartmann beim Demo-Vorbereitungstreffen der Demo und hob die Hand bis zur Stirn. Es gebe keine Dolmetscher im Amt. Nach wie vor weigere sich die Kreis-Spitze, in Büdingen eine Zweigstelle zu öffnen, obwohl man aus den östlichen Kommunen kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Friedberg komme.
Ein Friedberger mit türkischen Wurzeln erzählt, wie er das Visum seiner 80-jährigen Oma verlängern lassen wollte. Die Ausländerbehörde habe erst einen Termin für Juni in Aussicht gestellt, obwohl die Aufenthaltserlaubnis im Mai ablaufe. Die Familie musste sich ein persönliches Gespräch mit dem Hessischen Innnenminister erkämpfen, berichtet der Mann. Erst dann verlängerte nicht die Ausländerbehörde, sondern das Darmstädter Regierungspräsidium das Visum.
Wer Angehörige aus visumpflichtigen Ländern nach Deutschland einlädt, muss für ihren Unterhalt eine Verpflichtungserklärung abgeben. Die Friedberger Ausländerbehörde fordere ein höheres Einkommen als andere Landkreise, nämlich 250 Euro mehr als die jeweilige Pfändungsfreigrenze. Im Aufruf zur Demo heißt es: „So muss ein Antragsteller im Wetteraukreis zum Beispiel bei Einladung eines Familienmitgliedes etwa 800 Euro mehr Verdienst nachweisen als in Darmstadt. Das führt dazu, dass Ausländer bei durchschnittlichem Verdienst Familienmitglieder aus dem Herkunftsland nicht zu Familienfesten einladen können, oder nur eine Person – also nur Oma oder Opa, aber nicht beide.“ Solche Regelungen benachteiligten auch alteingesessene Wetterauer mit Verwandten und Freunden im Ausland.
Keine Hilfe für Bedürftige
Die Probleme von Flüchtlingen mit der Ausländerbehörde könnten ganze Bücher füllen, hieß es beim Vorbereitungstreffen. „Es gibt hier immer noch keine Gesundheitskarte“, beanstandete die Friedberger Pfarrerin Susanne Domnick. Wer als Flüchtling zum Arzt muss, löst damit einen komplexen Verwaltungsvorgang aus. Der Wetterauer Grüne Clemens Breest berichtete, dass Flüchtlinge aus Bad Vilbel gedrängt würden, sich in der heimischen Botschaft Ausreisepapiere zu besorgen – auch wenn das Asylverfahren noch laufe. Einem afghanischen Familienvater, dessen Familie nicht ins umkämpfte Kunduz abgeschoben werden kann, verweigerte die Behörde Praktika zur Arbeitsaufnahme. Sie gab erst nach, als der Wetteraukreis sich deshalb eine Verwaltungsklage einheimste. Und die Ortenberger Flüchtlingshelferin Andrea Gerstenberg erzählt von einem Ehepaar aus dem zerstörten Aleppo, das seit Monaten ohne Sozialleistungen in Selters überleben müsse.
Insgesamt habe der ehemalige Landrat Joachim Arnold versagt, finden die Organisatoren der Demonstrationen. Er habe das Amt zwar in „Willkommensbehörde“ umgetauft, aber nicht für eine wirksame Verbesserung der Arbeitsabläufe gesorgt. Die Protestkundgebung lege man nun extra auf den Donnerstag vor der Landrats-Stichwahl, damit Jan Weckler und Stephanie Becker-Bösch auf die Dringlichkeit des Reformbedarfs hingewiesen werden – und persönlich ihre Ideen zur Reform der Ausländerbehörde vortragen können. Ob sie das auch wirklich tun, blieb vor der Kundgebung ungewiss.