Verwunderung über Betriebsrat-Brief
Der Betriebsrat von Rewe Region Mitte-Nord Michael Adloch hält in einem offenen Brief den Gegnern des geplanten Rewe-Logistikzentrums in Berstadt vor, den Faktor Mensch und das Thema Arbeitsplätze außer Acht zu lassen. Gegen diesen Vorwurf wehren sich das Evangelische Dekanat Wetterau und die Wölfersheimer Grünen.
Allerbester Ackerboden bedroht
Rewe werbe mit dem Image „Frisch aus Deiner Region“. Mit dem gigantischen Logistikzentrum sei Rewe aber dabei, allerbesten Ackerboden zu vernichten, kritisieren die Wölfersheimer Grünen-Gemeindevertreter Franz Grolig und Michael Rückl, die ebenfalls als Personal- und Betriebsräte tätig sind. Hätte Rewe tatsächlich Interesse an der Region und der Erzeugung regionaler Lebensmittel, dann sollte es alles vermeiden, um die wirtschaftliche Grundlage der Landwirtschaft in der Region weiter zu beeinträchtigen, schreiben die beiden in einer Pressemitteilung.
Die Gemeinde kaufe um Wölfersheim herum Ackerland an, um die Bauern von dem für Rewe vorgesehenen Land weg zu kriegen. Sie treibe dabei die Preise für Ackerland in die Höhe und trage so zur schleichenden Existenzvernichtung in der Landwirtschaft bei. Die Verantwortung liege allein bei Rewe. Auf der einen Seite nehme Rewe dem Kartoffelbauer aus Echzell die Kartoffeln ab und vermarktet sie, auf der anderen Seite verteuere Rewe die Grundlage seiner Existenz. „Sieht so fairer Umgang aus?“ fragen die Grünen.
Der Betriebsrat führe die Heimatnähe der Arbeitsplätze als Argument an, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Bis heute unbeantwortet sei zudem die Frage, wie sich die genannten 550 Arbeits- und Ausbildungsplätze zusammensetzen. Unbeantwortet sei auch die Frage, in welchem Maß ein hochmodernes Logistikzentrum die Effekte von Automatisierung und Digitalisierung nutzen werde und so Arbeitsplätze ersetze. Überall würden Betriebsräte diesen Effekt sehen und befürchten. Rückl: „Warum sieht und diskutiert der Rewe-Betriebsrat ihn nicht?“
Der wichtigste Punkt ist den Grünen der Alternativstandort. Seit dem Beteiligungsverfahren im Januar und entsprechenden Äußerungen von Rewe-Managern seit bekannt, dass Wölfersheim bei der ursprünglichen Standortsuche von Rewe nicht dabei war. Bei dieser Suche sei ein geeigneter Standort auf einer Gewerbefläche gefunden worden. Grolig: „Warum wird dieser Standort nicht genannt? Dann könnte darüber geredet werden, ob dort auch bester Ackerboden vernichtet wird und wie fern der von den Heimatorten der Rewe-Mitarbeiter, die am Ende fast alle nach Berstadt pendeln müssten, entfernt ist. Warum stellt der Betriebsrat nicht diese Frage, statt einzig Berstadt als ‚heimatnahen Arbeitsplatz‘ zu benennen?“
Kirchen haben Arbeitnehmerinteressen im Blick
Auch das Evangelische Dekant Wetterau kritisiert das Schreiben des Rewe-Betriebsrates. „Natürlich haben die Kirchen die Arbeitnehmerinteressen nicht aus dem Blick verloren! Wir wissen um die Notwendigkeit von guter Arbeit und auskömmlichen Löhnen! Und wir wissen auch um die Wichtigkeit einer guten Interessensvertretung in den Betrieben“, schreibt Dekan Volhard Guth in einer Pressemitteilung mit.
In direkten Gesprächen des Aktionsbündnisses Bodenschutz mit der Rewe-Geschäftsleitung und dem Betriebsrat habe man deutlich gemacht, dass sich der Protest einzig auf den geplanten Standort in Berstadt beziehe. Dort sei nun einmal Ackerfläche mit weltweit bester Güte. „Kirche hat sich zu keinem Zeitpunkt gegen ein neues Logistikzentrum und damit gegen Arbeitsplätze ausgesprochen. Man hat schlicht und einfach den falschen Platz gewählt“, so Guth. Die von der Kirche unterstützte Klage vor dem Verwaltungsgericht richte sich folglich auch nicht gegen Rewe, sondern gegen die Entscheidung der Regierungspräsidentin. Es werde in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, dass diese ein Projekt genehmigt habe, das außerhalb des Regionalplans geplant wurde und von dem die zuständigen Fachbehörden abgeraten haben. Guth äußert seine Verwunderung darüber, dass es bisher keine veröffentlichten Bilder eines Modells von dem Logistikzentrum am geplanten Standort gibt. Die Dimension und Ausprägung des im Gelände freistehenden Projektes seien für die Bevölkerung somit kaum zu erfassen.
Darüber hinaus bemängeln die Kritiker des Projekts, dass es kein transparentes Standortauswahlverfahren unter Einbeziehung der Bodengüte gegeben habe. Die Öffentlichkeit habe jetzt erst erfahren, dass der Standort in Wölfersheim auf Zuruf eines einzelnen Bürgers in den Blick genommen worden sei. Obwohl die Fläche aufgrund ihrer stellenweise sehr besonderen Bodengüte klar als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen war, wurde sie trotzdem zweckentfremdet für den Standort des Logistikzentrums angeboten. Guth stellt fest, dass dieses Vorgehen die Ursache des Streites ist. Rewe und den Mitarbeitern wurde suggeriert, dass der Ackerboden keine Bedeutung hat.
Guth: „Wir mussten in der Sache zur Kenntnis nehmen, dass manchem Verantwortlichen gar nicht bekannt gewesen ist, dass es so etwas wie Bodengüte überhaupt gibt.“ Die stellenweise hervorragenden Böden in der Wetterau sind für die Versorgung vieler Menschen mit Nahrungsmittel von großer Bedeutung, auch über die Region hinaus. Sie sind in doppelter Weise Lebensgrundlage von Menschen und Teil der Identität und Kultur der Region. Aus diesem Grund setzt sich das Dekanat Wetterau schon seit langem mit Bodenaktionstagen und -gottesdiensten für den Erhalt der Böden ein.