Bahnane sucht Kläger
Von Klaus Nissen
Nach der Strecke Frankfurt – Bad Vilbel sollen ab 2031 auch die restlichen 17 Kilometer der S6 von Bad Vilbel bis Friedberg eigene Gleise bekommen. Die Bürgerinitiative „Bahnane“ hält das für unsinnig. Vor Gericht könne man das Multimillionenprojekt noch kippen, hieß es am 23. Juni 2024 bei einem Treffen in Dortelweil. Aber es gibt ein Problem.BI will Ausbau der S6 stoppen
In drei Abschnitten will die Bahn unter anderem 21 Brücken abreißen und neu bauen, sechs Bahnhöfe modernisieren und auf zwölf Kilometern Lärmschutzwände errichten. Für 2025 kündigte der Bahn-Manager Wolf-Dieter Tigges die ersten Rodungen und Baustraßen an. Im Jahr darauf soll die Verbreiterung der Schottertrasse beginnen. Wenn es gut läuft, könne die S6 ab 2031 auf eigenen Gleisen im 15-Minuten-Takt zwischen Friedberg und Frankfurt fahren.
Der Bund, die Bahn, Fahrgastvertreter,Umweltschützer und die Anlieger-Gemeinden – alle wollen diese Erweiterung der Main-Weser-Bahn. Mit einer dreistelligen Millionensumme sollen zwei separate Gleise für die S-Bahn gebaut werden. Nur die Bürgerinitiative „Bahnane“ kämpft dagegen. Sie hat nach eigenem Bekunden knapp 300 Mitglieder – viele von ihnen besitzen Grundstücke an der Trasse und fürchten Lärm, Staub und Erschütterungen beim Bau und Betrieb der zusätzlichen Gleise.
Warnung vor einer Güterzug-Hauptstrecke
Die BI-Aktiven sehen sich trotzdem nicht als Sankt Florians-Jünger. Der eigentliche Grund für den Ausbau sei die Güterzug-Magistrale zwischen Genua und Rotterdem. Um die Bahnstrecken links und rechts des Rheins zu entlasten, solle die Main-Weser-Bahn viergleisig werden. Nach 2023 werde sie weiter bis Marburg über Siegen bis Köln ausgebaut – dabei würde sich eine Güter-Schienenstrecke entlang der A5 viel besser eignen.
Auf 250 Seiten hat die Bürgerinitiative ihre Argumente gegen den Bahn-Ausbau gesammelt. sagte Michael Hub am Sonntag bei der Mitgliederversammlung des „Bahnane“-Trägervereins im evangelischen Gemeindehaus von Dortelweil. Einen ganzen Tag lang schilderte Umweltgutachter aus Frankfurt schon Ende 2023 beim Erörterungstermin, was alles gegen den Ausbau der Bahn bis Friedberg spricht. Die Bahn halte viele ihrer Versprechen nicht. Nach dem Bau der Gleise bis Bad Vilbel seien Unterführungen zum Beispiel nicht mehr geöffnet worden. Es habe unerlaubte Grundwasserabsenkungen gegeben – und vieles mehr. Die zwei zusätzlichen S-Bahngleise bis Friedberg hält Michael Hub für eine Geldverschwengung. Denn in 20 Jahren seien die Pendler ja mit fahrerlosen Bussen und Autos unterwegs.
Summa summarum sieht der Aktivist gute Chancen, den Bauabschnitt von Bad Vilbel bis Friedberg zu verhindern. Zum Bezahlen der Prozesskosten hütet die Bürgerinitiative eine fünfstellige Summe aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Im Planfeststellungsverfahren habe es mehrere tausend Einwendungen gegeben. Allein die Sammeleinwendung der BI sei von 344 Menschen unterzeichnet worden. Michael Hub:„Die Hürde wird sehr groß, daran vorbei zu kommen“.
Warten auf die Planfeststellung
Seit gut vier Monaten brütet das Eisenbahnbundesamt über dem Inhalt der gut 25 Aktenordner. Irgendwann wird die Behörde den Planfeststellungsbeschluss verkünden. Nach dessen Offenlage dann können laut Hub vor allem Anwohner der Strecke mit guten Chancen gegen den Ausbau klagen. Sie haben vier Wochen Zeit dafür. Binnen weiterer sechs Wochen muss die Klage begründet werden.
Und hier greift das große Problem der Ausbau-Gegner: „Es ist bisher niemand bekannt, der klagt.“ Das bekannte die neue „Bahnane“-Vorsitzende Manuela Friedländer im Dortelweiler Gemeindehaus vor 25 Zuhörern. „Es gibt zu wenige, die sich engagieren“, ergänzte ein anderes Vorstandsmitglied. So eine Klage fresse viel Zeit und Energie. Er wolle aus persönlichen Gründen eher nicht klagen, sagte der Bahn-Anwohner aus Okarben. Wenn sich aber niemand finde – dann gehe er vor Gericht.
Die weitere Diskussion drehte sich darum, wie man beim Kampf gegen die Bahn Mitstreiter findet. 2023 versuchte „Bahnane“ bei einem Infostand in Wöllstadt den Einwohnern klar zu machen, dass sie alle über Jahre unter der Großbaustelle leiden würden – durch Straßensperrungen, Umleitungen, Lärm und Erschütterungen. Doch bislang wohnen nur 13 Prozent der „Bahnane“-Mitglieder in Wöllstadt. Die meisten kommen aus Bad Vilbel und Karben. Etwa ein Drittel der BI-Mitglieder sind Frankfurter – deren Elan gegen den Bau einer Bahnstrecke weit im Norden vermutlich eher schwindet. Und „In Friedberg haben wir leider keine Ansprechpartner“, bekannte die BIahnane“-Kassenwartin Ingrid Malsch.
Trotzdem: „Die Bahnane ist noch lange nicht am Ende!“ postulierte die Vorsitzende Manuela Friedländer. Die nächsten Monate werden zeigen, ob das stimmt.