Helfer sorgen sich um Flüchtling
„Der Gilay wäre nie abgehauen“, sagt Willi Stoppel aus Büdingen-Wolf. Vor allem nicht unter diesen Umständen: Die kleine Mietwohnung des jungen Eritreers an der Frankfurter Straße in Büches zeigt keine Zeichen eines Aufbruchs. Und er hatte Arbeit.
Wo steckt Gilay?
Im Kühlschrank fand man noch Lebensmittel. Es lagen Kleidungsstücke des anerkannten Flüchtlings in der Wohnung. „Er ließ sogar Fotos seiner Eltern und Geschwister zurück“, wundert sich der Flüchtlingshelfer. Auch seine Kontokarte. Am Gründonnerstag, dem 13. April hat Gillagabr Tesfit, den alle Gilay nannten, zum letzten Mal Geld von seinem Konto abgehoben. Dann verschwand er spurlos. Wo steckt er nun?
Die Flüchtlingshelfer vom Netzwerk „Neue Nachbarn“ in Büdingen wurden nach Ostern von eritreischen Freunden über das Verschwinden des jungen Mannes informiert. Man ging zur Polizei, um eine Vermissten-Anzeige zu erstatten. Doch die Ordnungshüter winkten ab: Volljährige hätten das Recht, unangekündigt und ohne Nachricht zu verschwinden. Nur bei offensichtlicher Gefahr für Leib und Leben werde die Polizei aktiv, sagt deren Sprecherin Sylvia Frech nach Nachfrage. Und jedes Mal dann, wenn ein Minderjähriger untertaucht. So etwas komme in der Wetterau übrigens wöchentlich vor.
Vor wenigen Tagen führte Flüchtlingshelfer Stoppel erneut ein Gespräch mit der Polizei. Die habe nun zugestimmt, eine „Aufenthaltsermittlung“ zu starten, so Stoppel. Falls Gilay irgendwo in Deutschland kontrolliert wird, werde man in Büdingen wohl davon erfahren. Trotzdem bleibe der Fall womöglich rätselhaft. Gilay habe bei seiner Flucht durch die Sahara offenbar traumatische Erlebnisse gehabt. Er sei sehr zurückhaltend – womöglich hat er sich umgebracht und wurde noch nicht gefunden. Gilay könne auch irgendwo in einer Psychiatrie gelandet sein. Aber Auskunft darüber bekommen die Flüchtlingshelfer nicht. „Wir stranden überall am Datenschutz“, stöhnt Willi Stoppel.
Weitere Umstände lassen ebenfalls vermuten, dass Gilay entweder aus eigener Not oder durch fremde Gewalt aus Büdingen verschwand. Nicht einmal sein Bruder, um den sich Gilay viele Sorgen gemacht hat, kennt den Aufenthaltsort. Der Bruder lebt laut Stoppel bei Saarbrücken in einem Kirchenasyl und steht mit den Büdingern in Verbindung. „Wir lassen Gilay über das Whatsapp-Netzwerk der Eritreer suchen“, berichtet Willi Stoppel. Bisher ohne Ergebnis. Dabei gelten die Eritreer in Deutschland als sehr gut miteinander vernetzt.
Auch Bernhard Wiedemann kann sich das Verschwinden seines eritreischen Klienten nicht erklären. Er leitet das Wetterauer Jobcenter, bei dem Gilay nach seiner Anerkennung als Flüchtling die ersten Schritte in ein selbstständiges Leben machte. Im Februar und März begann der junge Mann in Theorie und Praktikum seine Vorbereitung auf einen Job als Straßenbauhelfer. Dann blieb er einfach weg. „Das ist nicht seine Art“, findet Flüchtlingshelfer Stoppel. „Gilay freute sich, arbeiten zu können, und war über seine Perspektive in Büdingen mehr als zufrieden.“
Der Chef des Jobcenters meint: Wer erst einmal anerkannter Flüchtling ist, bricht nur ganz selten eine berufliche Eingliederungsmaßnahme ab. Das wäre ja gegen seine Interessen. Im Mai versuchten die Leute vom Jobcenter vergeblich, Gilay daheim in Büches zu befragen. Sie stellten die Zahlungen ein. Und der Vermieter bekam keine Miete mehr. „Ab dem 3. August verliert Gilay deshalb seine Wohnung“, befürchtet Willi Stoppel. Auf jeden Fall werde man nicht aufgeben und weiter nach dem jungen Mann suchen.