Mit dem Katamaran unterwegs
Von Elfriede Maresch
Die Familie Eckhardt war fünf Jahre lang auf Weltreise, ist mit dem Katamaran über Atlantik und Pazifik gesegelt.Traumhafte Natur
Dr. Martin Eckhardt, seine Frau Anna und ihr kleiner Sohn Jonathan sind einschließlich einer Coronapause fünf Jahre mit dem Katamaran über Atlantik und Pazifik gesegelt, haben traumhafte Natur gesehen, sind mit Menschen vieler Länder in Kontakt gekommen. Und dann zurück in den Alltag mit Beruf, Zeitdruck, lästiger Routine – wie hält man das aus? Womöglich nur mit einem starken „Ich geh dann mal (wieder) weg“-Impuls? Anna und Martin Eckhardt sehen das ganz anders: „Wir waren zufrieden mit dem Reiseende, wollten zurück zu Familie und Freunden und wir hatten Lust, wieder in unseren Berufen zu arbeiten!“
Anna Eckhardt ist klinische Diplom-Psychologin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im schwedischen Linköping – kein leichter Beruf. Martin Eckhardt ist Facharzt für Notfall- und Allgemeinmedizin in der Notfallaufnahme des Linköpinger Uni-Krankenhauses, hat ebenfalls eine verantwortungsvolle Aufgabe. In zwei Etappen war das schwedisch-deutsche Ehepaar mit seinem Sohn segelnd unterwegs, zunächst anderthalb Jahre vor Corona auf dem Atlantik. Dem Start auf den Kanarischen Inseln folgte die Atlantiküberfahrt. Die nächsten Stationen waren die kleinen Antillen, die ABC- Inseln, Kolumbien und Panama).
Dann lockten die Meere
Die Pandemie unterbrach das Reisen, weil in vielen Häfen das An-Land-Gehen verboten war. Dann lockten die Meere. Die letzten zweieinhalb Jahren segekte die Familie auf dem Pazifik (unter anderem Galapagos/Ecuador, Französisch Polynesien, Fidschi und Vanuatu). Martin Eckhardt war während der Reisen „Teilzeitkraft“, er arbeitete für einen schwedischen Dienstleister für Reisekrankenversicherungen: „Da, wo wir Internetverbindung hatten“. Für Versicherte, die in abgelegenen Weltgegenden erkrankten, organisierte er online ein möglichst effektives medizinisches Versorgungssystem oder die Rückreise nach Hause.
Segeln hat Martin Eckhardt bei seiner Frau gelernt: „Aber er ist auch ein Naturtalent“ kann sie bestätigen. Die beiden Reisen waren aber keineswegs ein reiner Euphorie-Trip, keine traumhafte Mischung von Freiheit, Tiefenentspannung und nahtloser Präsentation schöner Landschaftsbilder. „Segler haben immer etwas zu warten, auszubessern, zu reparieren, ohne Plan B und C geht’s nicht“ sagt Martin Eckhardt. Wohl hatten die beiden vor Reisebeginn ihren „Katamaran von der Stange“ weiter ausgebaut, auf größtmögliche Sicherheit geachtet: „Zwei Motoren, zwei Ruder und mehr!“ Aber Materialermüdung ließ Spannringe des Vorsegels brechen, die Meerwasserentsalzungsanlage war äußerst störungsanfällig. Das änderte auch Lebensgewohnheiten: „Wir haben zu dritt 20 Liter Süßwasser am Tag verbraucht, eigentlich nur zum Trinken und Kochen, der Rest ging mit Meerwasser!“ Das liegt deutlich unter den 130 Litern Durchschnittstagesverbrauch eines Bundesdeutschen…
Allerdings erlebte die reisende Familie auch viel Solidarität: „Die Segler sind eine hilfsbereite `Ethnie´, es ist ein beiderseitiges gutes Geben und Nehmen. Mit den Menschen der Besuchsländer konnten wir uns auf Englisch, Französisch und Spanisch zumindest verständigen, sie sind uns freundlich entgegengekommen.“
Die Eckhardts haben Stürme erlebt, Windflauten, sind Augenzeugen von Vulkanausbrüchen geworden: „Ganz ohne Glück geht es beim Hochseesegeln nicht ab!“
Das Ökosystem ist gestresst
Und wie hält es ein Kind jahrelang auf einem Segelboot ohne Unterhaltungselektronik aus? Jonathan mochte den viermonatigen Schulbesuch auf den Marquesas-Inseln lieber als den Elternunterricht auf See. Auch eine Herausforderung: dort wurde nur in Französisch und Marquesinisch unterrichtet, aber die Lehrerin konnte mit Englisch aushelfen. Jonathan lernte Ukulele zu spielen, eine gute Beschäftigung fürs Schiff. Und die Monate nur auf dem Wasser gaben ihm einen Fantasiekick. Er malte, fotografierte seine Bilder, dachte sich Geschichten dazu aus und brachte das Ganze als Geschichtensammlung „Die einsame Palme“ aufs Tablet. Wieder im heimischen Schweden hat er neben dem Ukulelespiel mit Querflötenunterricht begannen. Jonathan: „Und in der Schule und bei den Pfadfindern ist es o.k.“
Mit Französisch, Englisch und Spanisch konnten sich die Eckhardts gut verständigen, aber sie versuchten, in den vielen lokalen Sprachen, denen sie begegneten, wenigstens die Vokabeln für „hallo“ und „danke“ zu lernen. In Gesprächen wurde ihnen deutlich, was der Kolonialismus und die Zwangsmissionierung an lokalen Kulturen zerstört hatten. Sie erlebten aber auch Gegenbewegungen in Polynesien. In der Kolonialzeit hatten die Missioniere naturreligiöse Zeremonien, Tänze, Gesänge und Trommeln verboten. Der deutsche Ethnologe Karl von den Steinen (1855 – 1929) hatte in seiner Veröffentlichung „Die Marquesaner und ihre Kunst“ die traditionellen Tätowiermuster aufgezeichnet. Sie dienen heute beim Neuaufbau der Tätowierkunst als Vorlage.
Eine weitere Erfahrung der Eckhardts: „Das Ökosystem der Erde ist gestresst!“ Sie erlebten abstoßend vermüllte Strände in Panama, Kolumbien, Ecuador, sahen Bodenerosion, ausgebleichte Korallen durch den Temperaturanstieg der Meere, hörten von zunehmenden Wetterkatastrophen, konnten auf den Galapagosinseln einen Seelöwen retten, der in einer Plastiktüte zu ersticken drohte. Sie erfuhren von den 15 bis 17 mal höheren Krebsraten im weiten Umfeld des Moruroa-Atolls, wo in den 1960-er bis 1990-er Jahren französische Atomtests stattgefunden hatten. Sie sprachen auf vielen Inseln mit Fischern, die über zunehmend geringe Fänge klagten und sahen chinesische Flotten mit der technischen Ausstattung zum Tiefseefischen: „Eine `Nach uns die Sintflut´-Praxis – so kann man Meere zur Wasserwüste machen!“
Geändert hat sich Anna und Martin Eckhardts Einschätzung von Armut: sie erlebten im südpazifischen Inselstaat Vanuatu materiell gesehen sehr arme Menschen – viele haben nur das zum Leben, was sie selbst ernten, fischen oder sammeln. Anna Eckhardt: „Aber sie leben in solidarischem Geben und Nehmen, sind stolz auf ihre eigene Kultur des Handwerklichen, der Musik, drücken Lebensfreude aus. Wirklich arm sind Menschen ohne solidarische Beziehungen zu ihrem Umfeld, ohne Chance, einfache Kulturtechniken zu lernen, ohne Selbstbewusstsein. Und die gibt es nicht nur in den Slums der Dritten Welt, sondern genauso in den Industrienationen!“
Hilfsorganisation „Foundation Human Nature (FHN)“
Dr. Martin Eckhardt ist Gründer der FHN. Die Hilfsorganisation betreibt in Ghana, Ruanda, Nepal und Ecuador in abgelegenen ländlichen Regionen Gesundheitsprojekte für die Basisversorgung der Bevölkerung, aber auch Projekte zur Gewinnung sauberen Trinkwassers. Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen dieser Länder, die die Projekte in Eigenregie führen. Auf ihrer Segelreise sammelten die Eckhardts Spenden, die direkt in FHN-Vorhaben fließen. Neue Mitglieder helfen bei der Unterstützung dieser langjährig laufenden Hilfen. Weiter Infos, auch zu Spendenquittungen gibt es unter f-h-n.org. die Kontoverbindung lautet FHN, Sparkasse Oberhessen, IBAN DE14 5185 0079 0150 0224 44.
Titelbild: Die Eckhardts auf Bora Bora (Gesellschaftsinseln) (Foto: Eckhardt)