Todesstrafe

Fans der Todesstrafe in  Afd-Hochburgen

Von Klaus Nissen

Fast jeder Fünfte findet in Büdingen, Nidda, Schotten und Hirzenhain Hinrichtungen gut.  Im Wahlkreis 26 (östliche Wetterau) stimmten bei der  Landtagswahl mehr Menschen gegen die Streichung der Todesstrafe aus der hessischen Verfassung als anderswo.  Das war vor allem in Gemeinden mit einem hohen Stimmenanteil für die AfD zu beobachten. Der zuerst im Kreis-Anzeiger veröffentlichte Artikel  darüber sorgte bei den Leserinnen und Lesern für intensive Diskussionen.

Fast jeder Fünfte für die Todesstrafe

WETTERAUKREIS (kni). Dass die Todesstrafe abgeschafft gehört, ist in der Wetterau keineswegs die Meinung aller Bürgerinnen und Bürger. In Gemeinden mit einem hohen Anteil von AfD-Wählern gibt es auch mehr Befürworter von Hinrichtungen. Die Streichung der Todesstrafe aus der Verfassung lehnte dort am Sonntag gut jeder fünfte Wähler ab.

Die vierte Frage zur Hessischen Verfassung hat es in sich. Foto: Nissen

Die Abgeordneten des alten Landtages hatten am 24. Mai noch einstimmig folgenden Satz in Artikel 21 der Hessischen Verfassung eingefügt: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Das Wahlvolk bestätigte dies am 28. Oktober – doch eine recht große Minderheit sieht es anders. Laut Hessischem Rundfunk gibt es im Wahlkreis 26 (östliche Wetterau) mit 22,2 Prozent landesweit die größte Zustimmung für die Todesstrafe. Im Westen und Süden des Kreises (Wahlkreise 25 und 27) finden „nur“ 15,4 und 17,4 Prozent der Wähler das Hinrichten von Straftätern sinnvoll. Parallel dazu liegt die Zustimmung zur AfD.

Den Kontrast verdeutlicht ein Vergleich zwischen Bad Vilbel als städtisch geprägter Wachstums-Kommune mit vielen gut verdienenden und gebildeten Einwohnern – und dem ländlichen Hirzenhain. In Bad Vilbel blieb die AfD mit 9,2 Prozent der Zweitstimmen unter der Zehn-Prozent-Marke. Für die Abschaffung der Todesstrafe votierte eine große Mehrheit von 86,8 Prozent. Nur 13,2 Prozent der Bad Vilbeler befürworten das Töten von Menschen zur Vergeltung von Verbrechen.

Ganz anders sehen das viele Hirzenhainer: In der kleinen Gemeinde wurde die AfD mit 23,3 Prozent zur stärksten Partei – vor SPD und CDU. Noch mehr Wähler wehrten sich dort gegen die Streichung der Todesstrafe aus der Verfassung – nämlich 25,1 Prozent. Also jeder vierte Wähler.

Auch in anderen Kommunen mit hohem AfD-Anteil zeigt die Analyse überdurchschnittlich viele Befürworter der Todesstrafe. In Nidda erhielt die AfD 17,9 Prozent der Stimmen. Gegen die Streichung der Todesstrafe wandten sich dort 23,9 Prozent – also fast wie in Hirzenhain jeder vierte Wähler.

Die einstige SPD-Hochburg Florstadt hat einen AfD-Anteil von 17,8 Prozent in der Wählerschaft. Dort wehrten sich am Sonntag 19,8 Prozent der Wähler gegen die Streichung der Todesstrafe. Die Vermutung liegt nahe, dass etliche dieser Wähler früher der SPD ihr Kreuz gegeben haben. Die Sozialdemokraten stürzten in Florstadt von 39 Prozent der Wählerstimmen im Jahre 2013 auf nun 26,1 Prozent ab.

In Büdingen und Altenstadt hat sich die AfD am Sonntag von fünf Prozent im Jahre 2013 auf nun 17,3 Prozent verbessert. In Büdingen stimmten 23 Prozent der Wähler (konkret: 2253 Menschen) gegen eine Abschaffung der Todesstrafe. In Altenstadt waren es 20,7 Prozent. Die Wähler in Schotten gaben der AfD 17,1 Prozent ihrer Stimmen. Mit 21 Prozent sind noch mehr Schottener für eine Beibehaltung der Todesstrafe in der Hessischen Verfassung.

Auch Europa-Skepsis ist abzulesen

Parallel dazu unterschied sich das Stimmverhalten der Bad Vilbeler und der Ost-Wetterauer  bei der Abstimmung zur Europäischen Integration. Die Bad Vilbeler sprachen sich mit großer Mehrheit (85,7 Prozent) für diesen neuen Verfassungs-Satz aus: „Hessen bekennt sich zu einem geeinten Europa, das demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist, die Eigenständigkeit der Regionen wahrt und deren Mitwirkung an europäischen Entscheidungen sichert.“ Unter Subsidiarität versteht man den Vorrang für eigenverantwortliches Handeln.

Im Osten der Wetterau hingegen war schon der Begriff der europäischen Integration vielen Wählerinnen und Wählern suspekt. 26,2 Prozent der Hirzenhainer lehnten ihn ab, jeweils 24 Prozent der Büdinger und der Niddaer, 21,7 Prozent der Schottener, 21,5 Prozent der Altenstädter, 21,1 Prozent der Florstädter.

Warum dieses Stimmverhalten? Darüber gibt es noch keine Analysen, nur Vermutungen. Vielleicht glaubten die Wählerinnen und Wähler, dass die AfD für die Todesstrafe und für die Abschaffung der Europäischen Union eintritt. Davon ist freilich im neuesten Grundsatzprogramm der Partei keine Rede. Vermuten könnte man auch, dass sich viele Menschen nicht genau damit befasst haben, was die Todesstrafe bedeutet: die Tötung eines Menschen durch den Staat. Zuletzt geschah das in Hessen während der NS-Zeit. Die zivilen Strafgerichte ließen laut Hessischem Rundfunk damals deutschlandweit rund 16 000 Menschen umbringen – viele von ihnen aus politischen und rassistischen Gründen.

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