TanzArt

Magazin würdigt Schönheit des Tanzes

Von Jörg-Peter Schmidt

Das rund 70 Seiten umfassende TanzArt-Magazin, das jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, blättert man nicht eben mal schnell durch. Vielmehr vertieft man sich in die Texte, die über die Geschichte des Gießener TanzArt-Festivals mit seiner langen Tradition berichten; 116 Ensembles aus nah und fern traten bisher auf. Und die Fotos sind wahre Kunstwerke: Sie drücken aus, was Tanzarten wie das Ballett bedeuten: Ästhetik, Eleganz und Ausdrucksstärke.

TanzArt ostwest in Gießen gibt es seit 2003. Die Resonanz wurde im Laufe der Jahre  immer größer. Die Pandemie hat aber vorerst für eine Unterbrechung der Veranstaltungsreihe gesorgt, die ansonsten jeweils zu Pfingsten stattfindet.

Broschüre entstand in Teamarbeit

Das Cover des Magazins, das Foto entstand 2015 (es  es zeigt eine Szene aus „Spieluhr“, eine Trilogie von Tarek Assam, Pascal Touzeau und James Wilton (© Rolf K. Wegst).

Aber das Festival wird seine Fortsetzung finden. Darüber waren sich alle Anwesenden während der Pressekonferenz im Hermann-Levi-Saal  im Gießener Rathaus einig –  allen voran das Team, das die Broschüre erarbeitet hat:
Das sind Dagmar Klein (Kunsthistorikerin, journalistische Begleiterin der Tanzcompagnie Gießen und des TanzArt ostwest-Festivals seit Beginn), Juliane Sersch (Musikwissenschaftlerin, Festival-Organisatorin 2020) und Marie Claire Kanzandjian (Grafikdesignerin). 

TanzArt ist kulturelle Bereicherung

Aus rund 1000 Fotos eine Auswahl zu treffen, war eine Mammutaufgabe. Aber diese Arbeit hat sich gelohnt. „Das Magazin ist eindrucksvoll gestaltet“, brachte es Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz bei dem Pressegespräch auf den Punkt. Sie unterstrich, wie sehr TanzArt ostwest für das kulturelle Leben in der Universitätsstadt eine weitere Bereicherung bedeutet. Dies sehen in ihren Grußworten in der Broschüre genauso beispielsweise Cathérine Miville (Intendantin des Gießener Stadttheaters), Annette Eidmann (Kulturamt  der Stadt  Gießen) sowie Angela Dorn (Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst,  Schirmherrin des Festivals).

Ursprünge des Festivals

Tarek Assam (Ballettdirektor des Gießener Stadttheaters und Chefchoreograf der Tanzcompagnie Gießen) war bei dem Gespräch im Herman-Levi-Saal zugegen. Tarek Assam hatte zusammen mit  Mechtild Hobl-Friedrich Mitte der 90er Jahre die Idee zu einem solchen Festival, als sie beide, kurz nach dem Mauerfall, im Osten Deutschlands arbeiteten.

Eines von vielen eindrucksvollen Fotos: von 2011, Le Cri persan, Afshin Ghaffarian,  (© Rolf K. Wegst)

Sie stellten fest, dass die Entwicklung im Tanz auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs unterschiedlich verlaufen war. Daher ergab sich der  erste Ost-West-Bezug mit Gruppen aus Polen, Tschechien und Bulgarien. Die erste Gala fand 1997 im Theater Halberstadt statt, die Namensgebung TanzArt ostwest erfolgte 2001 ebendort (Nordharzer Städtebund-Theater). Das Netzwerk vergrößerte und veränderte sich im Laufe der Jahrzehnte; für Gießen insbesondere kam noch der Austausch mit China hinzu. Die Fäden des Netzwerks für TanzArt laufen in Gießen bei Tarek Assam zusammen.“ „Ich hoffe, wir können weitermachen“, sagte er. Da kann man in der Tat optimistisch sein.

Psychologischer Aspekt

Übrigens gibt es auch noch einen psychologischen Aspekt. Es wurde schon früh eine Zusammenarbeit der Tanzcompagnie mit dem Verein „KroKi“ für chronisch kranke Kinder unter der Regie von Prof. Dr. med. Burkhard Brosig, Leiter der Psychoanalytischen Familienpsychosomatik der Universitätsklinik Gießen, in die Wege geleitet. Prof. Dr. Brosig  nahm an dem Pressegespräch teil und wies auf die psychische Bedeutung des Tanzes für die Kinder hin.

Aus dem Jahr 2004, Tom Trauberts Blues (Tanztheater Osnabrück), von Gregor  Zöllig, (© Merit E. Engelke).
Magazin kostenlos und zweisprachig

Wie entstand die Idee zu dem Magazin, das kostenlos und zweisprachig (deutsch und englisch, übersetzt von Heiner Schultz) gestaltet ist? Die Verfasserinen der Broschüre berichteten über den Werdegang:  

„Das TanzArt-Festival wird volljährig. Unter diesem Motto hätte die Veranstaltung  an den Pfingsttagen 2020 in Gießen stattfinden sollen. Ein Festival mit 18 Jahre währender Tradition, das ist schon etwas Besonderes. Doch auch hier hat der erste Corona-Lockdown die komplette Absage verursacht. Der Plan, eine Broschüre zu erstellen, existierte bereits und erhielt im Lockdown-Modus weiteren Auftrieb.

Als das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) Gelder für Projektstipendien für selbstständige Kulturschaffende ausschrieb, wurde die Realisierung greifbar. Auf Anregung des TanzArt-Vereins, Tarek Assam und Johannes Bergmann, haben wir als Freischaffende im Kulturbereich uns um ein Projektstipendium beworben. Die Zusage kam Mitte November 2020 und dann hieß es durchstarten. Denn Voraussetzung ist, dass das bewilligte Projekt innerhalb eines halben Jahres fertiggestellt wird. Das ist uns punktgenau gelungen.“

Aus dem Jahr 2019: „Black Cheese“, Alice Gaspari, (©Rolf K. Wegst)

Blick hinter die Kulissen

In dem Rückblick heißt es weiter: „Unsere erste Aufgabe bestand im Sichten des Materials: Programm-Flyer, Zeitungsberichte, Fotografien. Alles wollte sortiert und einander zugeordnet werden, was nach so langer Zeit nicht immer einfach war.“ Dann wurden die TanzArt Netzwerker:innen angeschrieben und um einen Beitrag gebeten. Juliane Sersch hat die aufwendige Organisation übernommen. Nicht alle haben geantwortet, aber die Antworten, die kamen, sind wunderbar vielfältig und geben einen großartigen Einblick in die verschiedenen Aspekte eines solchen Festivals. Juliane Sersch hat außerdem den Blick hinter die Kulissen geworfen und einige ihrer Vorgänger in der Festival-Organisation zu deren Erfahrungen befragt.

Dagmar Klein hat eine Chronik des TanzArt-Festivals geschrieben. Sie führte außerdem Interviews mit dem Gründungs-Duo Tarek Assam und Mechtild Hobl-Friedrich, ebenso mit den langjährig Beteiligten Irene Kalbusch, Tanzlehrerin, Choreografin und Organisatorin in Eupen/Belgien, sowie mit Rolf K. Wegst, der über viele Jahre das Festival fotografisch begleitet hat. 

Weitere Fotografien, vor allem aus den Anfangsjahren, kommen von Merit Esther Engelke und Frank Sygusch, aus späteren Jahren auch von der italienischen Fotografin Clarissa Lapolla, und zu Rahmenprogramm und Site Specifics von Dagmar Klein. All die verschiedenen Textgrößen und -formen, Kapitelstrukturen und Fotografien mussten nun auf sinnvolle und ansprechende Weise einander zugeordnet sein. Eine große Herausforderung, da es unter Corona-Bedingungen einzig über Zoom-Konferenzen stattfand. Für das Magazin hat Marie Kazandjian ein schwungvolles und modernes Design kreriert. In dem Magazin enthalten ist auch ein Stadtplan mit den zahlreichen Veranstaltungsorten während der 17 Festivals. 

Dank an die Unterstützer

Ohne Unterstützung ist ein solches Projekt nicht leistbar. Der erste Dank von Dagmar Klein, Juliane Sersch und Marie Claire Kanzandjian geht an das hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das durch das Projektstipendium im Rahmen des Kulturpaketes „Hessen kulturell neu eröffnen“ überhaupt erst die umfangreiche Recherche und Publikation möglich machte. In Gießen geht der Dank an die Intendantin des Stadttheaters Gießen, Cathérine Miville, an die Oberbürgermeisterin und Kulturdezernentin der Stadt Gießen, Dietlind Grabe-Bolz, an den Leiter der Tanzcompagnie Gießen Tarek Assam und Tanzdramaturgen Johannes Bergmann, sowie an die langjährige Kulturamtsmitarbeiterin und TanzArt-Unterstützerin Annette Eidmann. Und natürlich an alle anderen, die einen Beitrag geleistet haben. Last but not least: Das Magazin wird an den TanzArt ostwest-Verein als Schenkung überreicht. Es ist online anzuschauen auf issuu.com/tanzartmagazin/

Das Besondere an dem Festival ist, dass es auf der Idee des gegenseitigen Austauschs beruht, also ein Low-Budget-Projekt ist. Nur auf diesem Weg war und ist es den Theatern möglich Tanzensembles mit ihren unterschiedlichen, choreografischen Stilen zu präsentieren. Das Moment des Austausches und Kennenlernens ist ebenso für die Ensemblemitglieder wie für das Publikum wichtig.  Und in Gießen fanden Darbietungen beispielsweise vor dem Hauptbahnhof,  im Rathaus, im Uni-Klinikum  und selbstverständlich  im Stadttheater und der taT-Studiobühne statt.  

116 Ensembles wirkten bisher mit

Noch eine kurze Statistik: Zwischen 2003 und 2019 gingen 17 TanzArt-Festivals über die Bühne – mit insgesamt 116 Ensembles, von denen viele mehrmals kamen. Dazu zählten (national und unternational) Ballett-/Tanzcompagnien von Stadt- und Staatstheatern,  Gruppen der Freien Tanzszene, Tanzschulen und -akademien . Es gab 15 Site Specific-Projekte an 16 Orten mit 13 Choreograf:innen.Und 24 Performance-Orte (Rahmenprogramm) sowie 18 Ausstellungen an 15 Orten, von drei Fotografinnen und vier Fotografen ,von zwei Malerinnen und einem Maler sowie eine Tanzhistorische Ausstellung. 

Bei der Präsentation  des Magazins: von links: Juliane Sersch,  Marie Claire Kanzandjian, Dagmar Klein, Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz  und Tarek Assam. (Foto: Jörg-Peter Schmidt) 
Wo man das Magazin erhält

Wo ist das Magazin erhältlich? Dies ist der Fall in Gießen bei Tourist-Information, der Stadtbibliothek, im Rathaus (Kulturamt), im Oberhessischen Museum, im Mathematikum und im Haus der Karten, sobald es geöffnet ist, sowie auch in der Tourist-Information Wetzlar

Titelbild: Flamenco-Stück von der Hochschule für Darstellende Kunst und Tanz Frankfurt (2005, (© Merit E. Engelke.)

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