Wetterau will mehr Wohnraum
Von Klaus Nissen
Seit 2013 sank die Zahl der mietverbilligten Wohnungen im Wetteraukreis um gut 40 Prozent. 2021 gab es nur noch 1532 solcher Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen, ermittelte die Wohnbauförderstelle des Landratsamtes. Manche der zuständigen Kommunen sehen darin ein Problem – andere antworteten nicht auf die Umfrage, heißt es im Bericht. Die schwarz-rote Koalition im Kreis will voraussichtlich im Oktober 2022 eine eigene Wohnungsbau-Fördergesellschaft gründen.Kreis plant Gesellschaft für Sozialwohnungen
In zehn der 25 Wetterauer Kommunen gibt es offenbar keine Sozialwohnungen. Das schließt die Kreisverwaltung aus den Meldungen oder den fehlenden Antworten der Gemeinden Altenstadt, Echzell, Glauburg, Hirzenhain, Kefenrod, Münzenberg, Niddatal, Ober-Mörlen, Ranstadt und Rockenberg.
Die meisten Wohnungen mit Mietpreisbindungen meldeten die Städte Friedberg (360), Nidda (341), Bad Nauheim (268), Bad Vilbel (255) und Butzbach mit 120 Wohnungen. In Karben gibt es nur 20 Sozialwohnungen. Knapp die Hälfte der 1532 noch preisgebundenen Miet-Appartements in der Wetterau hat laut Erhebung eine Wohnfläche von 50 bis 70 Quadratmetern.
Bad Vilbel verlor 500 Sozialwohnungen
In Friedberg fielen 140 Wohnungen seit 2010 aus der Sozialbindung. In Büdingen blieben von einst 176 nur noch 62 Mietwohnungen übrig. Bad Vilbel verlor sogar rund 500 Wohnungen mit Preisbindung. Ihre Mieter müssten jedoch weiter weniger als die ortsübliche Miete bezahlen, heißt es in der Erhebung.
Parallel dazu steigt das Interesse an bezahlbaren Mietwohnungen. In Florstadt (16 Sozialwohnungen) sei die Nachfrage laut Gemeindeverwaltung stark gewachsen. Auch Wölfersheim (15) meldet eine steigende Nachfrage nach Wohnraum, der nicht verfügbar sei. In Gedern, Glauburg und Rosbach werde ebenfalls eine Wohnungsnachfrage wahrgenommen, die das Angebot übersteige.
Neuer Wohnraum vor allem für solvente Menschen
Nur wenige neue Wohnungen mit niedrigen Mieten sind laut Erhebung des Kreises in den Kommunen geplant. Bad Nauheim werde beispielsweise 24 Neubau-Sozialwohnungen bis 2024 fertigstellen. Die Stadt vereinbare mit Investoren auch eine Mietpreisbindung. Die Gemeinde Echzell plane die Umwandlung von Scheunen im Ortskern in Wohnraum – es sei aber offen, ob darin preisgünstige Mietwohnungen entstehen. Insgesamt gibt es im Wetteraukreis laut Statistik 79 514 Wohngebäude für die knapp 310 000 Einwohner. Im vorigen Jahr wurden 391 neue Gebäude mit 1075 Wohnungen fertiggestellt. Dazu gehörten 283 Einfamilienhäuser.
Die Opposition im Kreistag fordert derweil mehr Mietwohnungen für Menschen mit geringen Einkommen. Nach Ansicht des Grünen-Fraktionschefs Michael Rückl ist die neue Statistik der Wohnbauförderstelle nicht genau genug. Er regt eine Konferenz mit Vertretern der zehn kommunalen Wohnungsbaugesellschaften an, auf der man Möglichkeiten für den Bau weiterer Sozialwohnungen beraten soll.
„Politiker ignorieren die Brisanz“
„Leider ignorieren viele kommunale Politikerinnen und Politiker die Brisanz auf dem Wohnungsmarkt“, beklagt die Linkspartei-Fraktionschefin Gabi Faulhaber. Zur Bewältigung der Wohnungsnot müssten die Kommunen selbst tätig werden.
In jedem Neubaugebiet müssten 30 Prozent der Wohnungen eine Mietpreisbindung bekommen, fordert das Bündnis für mehr sozialen Wohnungsbau in der Wetterau. Es besteht aus mehreren Wohlfahrsverbänden, Gewerkschaften, Kirchen und sozialen Initiativen.
Bündnis-Sprecher Wolfgang Dittrich zitiert eine Studie, der zufolge die durchschnittliche Kaltmiete für Wohnungen mit einfachem Standard binnen sechs Jahren von 5,60 auf 7,20 Euro pro Quadratmeter gestiegen sei. Auch Menschen mit mittleren Einkommen kämen bei der Wohnungssuche immer mehr unter starken Druck. Im Jahr 2018 habe es in der Wetterau 1 938 Haushalte gegeben,die eine Sozialwohnung suchten. Es seien von Investoren aber keine Fördermittel für neue Sozialwohnungen abgerufen worden. Das Bündnis bemängelt, dass man beim Wohnungsbau immer noch auf Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen setze, während die Interessen der einkommensschwachen Bevölkerung keine Rolle spielten.
Für den Schwund der Sozialwohnungen gebe es viele Gründe, schreiben auf Anfrage die Wetterauer Koalitionssprecher Sebastian Wysocki (CDU) und Christine Jäger (SPD). Immerhin seien in der Wetterau binnen zehn Jahren 20 071 neue Wohnungen entstanden, während die Bevölkerung um 13 232 Menschen anwuchs.
Nach der Sommerpause will die Kreis-Koalition eine mit 2,1 Millionen Euro ausgestattete Wohnungsbaufördergesellschaft gründen. Eine Marktanalyse und die Genehmigungen durch das Regierungspräsidium und die Nassauische Heimstätte liegen vor, teilt die Kreis-Sprecherin Deliah Eckhardt mit. Unklar sei noch, welche Kommunen sich an dem Projekt beteiligen. Die Gesellschaft soll laut Koalition Fördermittel für bezahlbaren Wohnraum beschaffen und punktuell auch selbst Wohnraum schaffen.