Ukraine-Flüchtlinge

Behinderte Viktoria und Mutter in Sorge

Rund 1 Millionen Menschen aus der Ukraine mussten seit dem 24. Februar 2022, also seit Kriegsbeginn, ihr Heimatland in Richtung Deutschland verlassen. Angst und Leid haben all diese Menschen erfahren – Zustände, die in den Köpfen bis heute anhalten, da auch der durch Russland begonnene Krieg anhält. Unter den Geflüchteten befinden sich auch Viktoria Shkurko (36), die von einer frühkindlichen Hirnschädigung betroffen ist, und ihre Mutter Natalie Shkurko (61).

Große Probleme vor Augen

Beide leben seit fast einem halben Jahr in Gießen, werden hier von ihrer ansässigen Familie liebevoll umsorgt und sind bis dato gut untergekommen, haben aber dennoch wieder eine massive Sorge vor Augen: Die beiden Frauen benötigen dringend eine Wohnung ab spätestens Oktober. Hilfe und Unterstützung sind rasch gefragt, berichtet Christian Nemeth, Pressesprecher der Lebenshilfe Gießen.

Zehn Tage im Bunker und schwierige Flucht

Bis zum Einfall der russischen Armee wohnte Viktoria mit ihrer Mutter Natalie Shkurko, die ihre Tochter seit fast vier Jahrzehnten pflegt, in Kiew. Zu Kriegsbeginn mussten die Frauen fast für zehn Tage in einen Bunker flüchten und viele Ängste ausstehen. Vor allem für Viktoria Shkurko, die aufgrund ihrer Behinderung auf Ruhe angewiesen ist, eine unfassbare und traumatisierende Erfahrung.

Mit einem kleinen Auto und ohne viel eigenes Hab und Gut wagten die zwei Frauen die mehrtägige und kräfteraubende Flucht an die slowenische Grenze, wo sie Alexander Stripling, Natalie Shkurkos Schwiegersohn beziehungsweise Ehemann ihrer Tochter Julia Stripling, sie am 14. März in Empfang nahm und nach Mittelhessen brachte.

Hilfe in Mittelhessen

Die ersten Wochen nahm Familie Stripling, die drei Kinder haben, ihre Verwandten in der eigenen, für fünf Personen eigentlichzu kleinen Wohnung auf, halfen beim Ankommen sowie bei den Behördengängen. Auch beim Einzug in eine Wohnung im Gießener Stolzenmorgen, die bislang durch die Lebenshilfe Gießen zur Verfügung gestellt werden konnte, unterstützte das Ehepaar.

Kapazitäten sind eingeschränkt

„Leider haben wir auch in der Lebenshilfe nur limitierte bis keine passenden Wohnkapazitäten, die wir kurzfristig zur Verfügung stellen können – in dem Fall war es möglich und wir haben es sehr gerne getan. Viele Mitarbeiter*innen haben Haushaltsgeräte oder Möbel zur Erstausstattung gespendet und sich sehr betroffen und engagiert gezeigt. Allerdings war von Beginn an klar, dass die Bereitstellung der Räumlichkeit leider nur zeitlich begrenzt zur Verfügung steht – denn ab Oktober zieht hier eine Familie im Rahmen unseres Projekts ‚Begleitete Elternschaft‘ ein. Es ist ein Dilemma, denn wir möchten unbedingt, dass es der Familie gut geht und sie gut aufgehoben ist. Vor allem Menschen mit Behinderung sind von Furcht und Flucht vor Krieg im besonderen Maße betroffen“, erläutern Dirk Oßwald (Vorstand Lebenshilfe Gießen) sowie Martina Ertel, Lebenshilfe-Bereichsleitung „Beraten und Unterstützen“.

Lebenshilfe leistet weiter Unterstützung

Entsprechend will die Lebenshilfe, die auch noch eine weitere ukrainische Familie bei sich untergebracht hat, alles unternehmen, um die Frauen und insbesondere Viktoria Shkurko auch weiterhin zur Seite stehen. Auch in der Belegschaft soll nochmal gezielt nach Mietwohnungen gefragt werden und auch ein Arbeits- oder Betreuungsangebot würden Martina Ertel sowie Lebenshilfe-Vorstand Dirk Oßwald Viktoria Shkurko gerne in Aussicht stellen.

Schwierigkeiten bei Suche nach passender Wohnung

Dennoch bleibt zunächst das grundlegende Problem, dass Viktoria und Natalie Shkurko, die unmittelbar nach ihrer Ankunft in Deutschland Integrations- und Sprachkurse besuchte, derzeit noch ohne Wohnung ab Oktober darstehen. Alexander und Julia Stripling haben unlängst bei etlichen Wohngesellschaften angefragt, sich auch im Freundes- und Bekanntenkreis umgehört – bis dato ohne Erfolg. „Wir haben es wirklich überall versucht, aber es ist einfach nichts zu machen. Ich selbst habe rund 60 Personen aus der Ukraine zu Kriegsbeginn geholfen, dass sie irgendwo unterkommen, bei Freunden oder Bekannten – aktuell findet sich aber kein Platz mehr“, sagt Julia Stripling, die sich freilich große Sorgen um ihre Mutter und Schwester macht.

Auch an einen Wohnberechtigungsschein für eine Sozialwohnung in Gießen kommen Viktoria und Natalie Shkurko bis heute nicht – den gibt es erst nach einem Jahr Aufenthalt in Gießen, wie Alexander Stripling erläutert: „Da hätten wir uns gewünscht, dass man gerade für geflüchtete Menschen mit Behinderung eine Ausnahme macht, aber das ist leider nicht vorgesehen. Wir wollen uns in keiner Form eine Sonderstellung erschleichen, meine Familie wäre auch in die Erstaufnahme nach Gießen gegangen, aber für einen Menschen mit geistiger Behinderung ist das Leben dort einfach nicht zumutbar. Viktoria hat genug mitgemacht und benötigt einen Ort, an dem sie zur Ruhe kommen kann.“

Hoffnungen ruhen auch auf der Bevölkerung

Nun hoffen die Striplings unter anderem auf Unterstützung aus der Bevölkerung, insbesondere, da der Wohnungsmarkt nach wie vor angespannt ist und die Wohnungssuche zum demnächst anstehenden Semesterbeginn nicht einfacher werden dürfte, fürchtet Julia Stripling. Alexander Stripling ergänzt: „Uns wäre schon geholfen, wenn wir eine Wohnung nur bis März finden könnten – dann bekommen wir den Wohnberechtigungsschein und dann dürfte es auch leichter werden, hoffen wir. Wir freuen uns über jedes bezahlbare Angebot, das der Jobcenter übernehmen würde, und würden uns noch mehr freuen, wenn die Wohnung in Gießen liegt. Dadurch ließen sich viele neue Bürokratieabläufe verhindern, außerdem befindet sich Viktoria hier in ärztlicher Behandlung, ihre Familie lebt hier und hier gibt esauch eine Perspektive für ein Betreuungsangebot für Viktoria.“

Wo man sich melden kann

Wer Natalie und Viktoria Shkurko unterstützen möchte und über ein Wohnangebot verfügt, kann sich bei Frau Martina Ertel (m.ertel@lebenshilfe-giessen.de) melden.

Titelbild: Haben im vergangenen Jahr viel durchgemacht und sind dringend auf eine Wohnung in Gießen ab Oktober angewiesen: Viktoria und Natalie Shkurko.(Foto: Lebenshilfe Gießen)

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