Solidarität

„Ziel ist Schutz der Menschen“

Erneut bezog eine friedliche Versammlung im Bereich Wasserstele und Aliceplatz in Bad Nauheim Position, als die „Montagsspaziergänger“ gestern Abend durch die Stadt „flanierten“. Nach Angaben der Polizei Wetterau kam es dabei zu einem Vorfall zwischen „Spaziergängern“ und Ordnungshütern, der allerdings nicht eskalierte. Das Zahlenverhältnis beider Gruppen hat sich deutlich verschoben. Am kommenden Montag will die Gegenversammlung erneut Stellung beziehen.

Solidarität im Kampf gegen Corona: 250 Menschen kommen zu Gegenveranstaltung. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
"Spaziergänger" skandieren Parolen (Foto: Petra Ihm-Fahle)
„Spaziergänger“ skandieren Parolen (Foto: Petra Ihm-Fahle)

Parolen skandiert

Die „Spaziergänger“ wählten diesmal eine neue Route. Sie gingen die Parkstraße einmal auf und ab, um anschließend einen anderen Weg einzuschlagen. Gesehen wurden sie im Südpark, am Marktplatz sowie in der Friedrich- und Zanderstraße. Als sie ein weiteres Mal die Parkstraße hinunterliefen, skandierten die „Spaziergänger“ lauthals „Schließt euch an!“ und „Frieden! Freiheit! Keine Diktatur!“

„Kleiner Tumult“

Laut Polizei Wetterau kam es im Verlauf des Abends zu einem Zwischenfall, als drei Frauen Aufkleber mit der Karikatur eines Totenkopfs verteilen wollten, der die Frisur von Gesundheitsminister Karl Lauterbach trug. Als die Ordnungshüter die Identität der drei „Spaziergängerinnen“ feststellen wollten, kam es kurzfristig zu einem kleinen Tumult. Eine Gruppe von 50 bis 60 Personen habe ihren Unmut laut kundgetan, wobei auch gefilmt wurde. Zu Handgreiflichkeiten sei es dabei nicht gekommen.    

Gegendemo ruft zu Solidarität auf

Laut polizeilicher Schätzung waren circa 300 „Spaziergänger“ unterwegs. Unter den laut Polizei 250 Teilnehmern der anderen Veranstaltung befanden sich Bürgermeister Klaus Kreß, Erster Stadtrat Peter Krank (beide parteilos) und einige Vertreter aller Bad Nauheimer Parteien. Die Veranstaltung initiierten städtischer Ausländerberat, Verein JUKA (Jugendkultur und Jugendarbeit) sowie TAF Theater Alte Feuerwache. Redebeiträge kamen dabei von Viola Tscheuschner (TAF), Bürgermeister Kreß, Esra Edel (JUKA), Uschi Knihs (Omas gegen rechts), Andreas Balser (Antifaschistische Bildungsinitiative) und einem Sprecher des städtischen Ausländerbeirats.

Solidarität: Ein Plakat, das Teilnehmer der Gegenveranstaltung dabei hatten. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Solidarität im Kampf gegen Corona: Ein Plakat, das Teilnehmer der Gegenveranstaltung dabei hatten. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
„Rechte instrumentalisieren Ängste“

Die Rednerinnen und Redner der Gegenversammlung gingen besonders darauf ein, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppen die Ängste von Menschen instrumentalisieren und zu den „Spaziergängen“ aufrufen.

Solidarität im Kampf gegen Corona: 250 Menschen sind bei der Gegenveranstaltung sabei. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
(Foto: Petra Ihm-Fahle)

Nach Ansicht von Viola Tscheuschner (TAF) nutzen diese Gruppen die Corona-Krise aus, um pandemiemüde Menschen anzusprechen, welche sich weder für rechts halten noch rechts sein wollen. Diesen Menschen böten die Rechten dabei „Erlebnisse“: des Gefühls, zusammenzugehören und einander zu verstehen. Dahinter warte aber die Agenda von unter anderem AfD, NPD, Reichsbürgern und Identitärer Bewegung.  

Kreß: „Ziel ist Schutz der Menschen“

Bürgermeister Klaus Kreß blickte auf annähernd zwei Jahre Kampf gegen die Corona-Pandemie zurück. Es sei dabei auch zu Fehlern gekommen, aber das Ziel sei der Schutz der Menschen vor Krankheit und Tod gewesen. Rechte politische Gruppierungen hätten individuelle Skepsis gekapert. Kreß appellierte an die Menschen in Bad Nauheim, in der Region und im Land, Stellung für die Demokratie zu beziehen.

Bürgermeister Klaus Kreß appelliert, Stellung für die Demokratie zu beziehen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Bürgermeister Klaus Kreß appelliert, Stellung für die Demokratie zu beziehen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Solidarität gefordert
(Foto: Petra Ihm-Fahle)

Wie Esra Edel (Vorsitzender JUKA) schilderte, ist sein Verein auf ein Sinken der Inzidenzzahlen angewiesen, um die Kulturarbeit fortzusetzen. Es gelte, solidarisch die nötigen Sicherheitsvorkehrungen vorzunehmen, um die Pandemie zu bekämpfen. Edel forderte auf, sich von rechtsextremen Strömungen klar abzugrenzen.  

(Foto: Petra Ihm-Fahle)

Laut Uschi Knihs aus Friedberg (Omas gegen rechts) hat die AfD die Pandemie zu ihrem Thema Nummer eins gemacht – so wie früher die Migration und die Flüchtlinge. Sie zitierte einige Parolen der Gegenbewegung, einer gefalle ihr besonders gut: „Mit Nazis geht man nicht spazieren.“ Knihs: „Wir gehen auf die Straße, weil wir entsetzt sind, dass die angeblich harmlosen Spaziergänger es zulassen, dass Seite an Seite mit ihnen die Rechten laufen.“ 

Solidarität: „Nicht die Stadt der Brüller“
(Foto: Petra Ihm-Fahle)

Andreas Balser (Antifaschistische Bildungsinitiative) wies darauf hin, dass die „Spaziergänger“ ohne jede versammlungsrechtliche Grundlage unterwegs seien. Balser appellierte an die Stadt, das Versammlungsrecht konsequent umzusetzen. Es sei wichtig, dass für beide Gruppen die gleichen Auflagen gälten. Es könne nicht sein, dass bei Inzidenzen von über 360 im Wetteraukreis „Schwurbler- und Infektionsaufmärsche“ auf den Straßen seien. Das andere: Es seien auch demokratiefeindliche, antisemitische Kräfte unterwegs, die dabei meinten, Bad Nauheim sei ihre Stadt. Wie Balser feststellte, sei es allerdings sehr erfreulich, dass Bad Nauheim nicht die Stadt der Brüller, Pöbler und Wissenschaftsfeinde sei, sondern eine sehr starke demokratische Zivilgesellschaft von Jung bis Alt habe.

Solidarität: 250 Menschen sind bei der Gegenveranstaltung dabei. (Foto: Petra Ihm-Fahle)

Ein Sprecher des Ausländerbeirats ging auf das Wort „Diktatur“ ein, das die „Spaziergänger“ skandierten, während sie am Bad Nauheimer Holocaust-Denkmal vorbeiliefen. Sicherlich seien nicht alle „Spazierenden“ damit einverstanden, aber sie marschierten mit. Das sei eine Verhöhnung der Opfer des Holocaust, es sei unerträglich, geschichtsvergessen und geschmacklos. Wer im Zusammenhang mit diesem Land von einer Diktatur spreche, habe noch nie eine richtige Diktatur erlebt. „Letztlich sitzen wir alle in einem Boot, und das rettende Ufer erreichen wir nur, wenn wir gemeinsam rudern.“    

Mit einer Gedenkminute an die Toten der Corona-Pandemie endete die Veranstaltung.

Präsenz mit Besen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)
Präsenz mit Besen. (Foto: Petra Ihm-Fahle)

Versammlungen in zwei Städten aufgelöst

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