Pro Bahn: Tarif muss gerecht sein
Der Pro Bahn Regionalverband Großraum Frankfurt begrüßt den Versuch des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) für eine Tarifreform zur Abmilderung der Preissprünge zwischen den verschiedenen Preisstufen (PS). Seit Frühjahr läuft ein Pilotversuch exklusiv für Smartphone-Besitzer mit bis zu 20.000 Teilnehmern. Pro Bahn sieht den Feldversuch kritisch, ist aber unter bestimmten Voraussetzungen dafür, den Test fortzuführen.
Preisphilosophie nicht zeitgemäß
„Bei der Gründung des RMV als Nachfolger des kleinen, aber feinen Verkehrsverbundes FVV mit seinem genialen Tarif Fahr bunt war es erklärtes Ziel der Gründer und der Politik, dass das Fahren mit Bussen und Bahnen im Gebiet der Gesellschafter preiswert, Fahrten in den Nachbarkreis und insbesondere in die Innenstadt von Frankfurt dagegen teuer sein sollten. Diese Art Preisphilosophie galt bereits damals als nicht zeitgerecht, noch mehr hat sie sich als Hemmnis herausgestellt, die Menschen dazu zu bewegen, bei bestimmten Fahrten in die Mainmetropole (Kurzstrecken) öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der horrende Preis für die Kurzstrecke zeichnet mit für das Negativimage des RMV als einer der teuersten Verbünde Deutschlands verantwortlich“, heißt es in der Stellungnahme des Pro Bahn-Regionalvorsitzenden Thomas Schwemmer und seines Stellvertreter Wilfried Staub.
Zur Ehrenrettung der damals Zuständigen führen sie an, dass die Leistungsfähigkeit der Prozessoren in den Automaten und Modulen der Busse keine detailliertere Preisgestaltung erlaubt hätten.
Schon Anfang der 2000-er Jahre habe der damalige Geschäftsführer Volker Sparmann versprochen, dass mit der Umstellung auf das elektronische Ticketing (Pro Bahn spricht von elektronischem Fahrgeldmanagement) eklatante Sprünge zwischen den einzelnen Preisstufen in wenigen Jahren der Vergangenheit angehören würden. Mit großem Medienrummel sei in Hanau das von T-Systems entwickelte Pilotprojekt get in als Kopie der Londoner OsterCard gestartet worden. Es habe sich bereits nach kurzer Zeit als zu störanfällig, zu teuer bei der Installation der Technik und dem alle zwei Stunden erforderlich Auslesen der Daten sowie als nicht manipulationssicher erwiesen und habe zudem nicht die Anforderungen der Politik für eine Mitnahmeregelung in der Schwachlastzeit erfüllt. Ein großes Manko sei auch, dass Umwegfahrten im gesamten Verbundraum nicht ausreichend sicher dargestellt werden konnten und bei Bedienungsfehlern dem Fahrgast der Höchstbetrag für eine Tageskarte für den gesamten Verbund in Rechnung gestellt worden sei. So sei dieser Pilotversuch schon nach wenigen Jahren klammheimlich zu Grabe getragen worden. Seither arbeite der RMV an einer Tarifreform und müsse die Öffentlichkeit, seine Fahrgäste aber auch die Gesellschafter jährlich aufs Neue vertrösten. So seien in den vergangenen zehn Jahren Modelle, wie bis zu 86 verschiedene Preisrelationen, eine Erweiterung von den bisher sieben auf zehn oder zwölf Preisstufen oder die Aufteilung des Stadtgebietes Frankfurt in vier oder fünf Waben durchgespielt und allesamt wieder verworfen worden.
Entfernungsabhängiger Tarif ist richtig
Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Mit RMVsmart unternimmt der RMV nun einen dreijährigen Feldversuch für Smartphone-Besitzer zur Erprobung einer entfernungsabhängigen Berechnung des Fahrpreises. Dazu werden bis zu 20.000 Probanden gesucht, wobei sich aber bis heute nur etwa 8.000 Teilnehmer, meist aus dem Ballungsraum Rhein-Main, gemeldet haben. Zumindest, was das Verhalten dieser User betrifft, lässt dies nicht die beabsichtigte Hochrechnung auf das Gesamtverhalten der Fahrgäste zu, da die Teilnehmer an dem Versuch keinen repräsentativen Querschnitt für die Gesamtheit der Fahrgäste des RMV darstellen und das Verhalten keine sicheren Rückschlüsse auf die zukünftige Einnahmeverteilung und –veränderung zulässt, da die Teilnehmer logischerweise nur dann den Smart-Tarif anwenden, wenn dieser preiswerter ist als der ebenfalls über das Handy verfügbare konventionelle. Einen entfernungsabhängigen Tarif zu entwickeln, ist ein möglicher Weg in die richtige Richtung. Allerdings mussten die Macher von RMVsmart bei der Umsetzung ihrer Idee bald einsehen, dass für die schätzungsweise 125.000 Relationen im RMV dieses Konzept nicht mit allerletzter Konsequenz umzusetzen ist.“
Schwemmer und Staub erläutern, als Kompromiss unterscheide RMVsmart zwischen einem Kern- und Regionalnetz mit Kilometerpreisen von 21,8 Cent bzw. 10,9 Cent sowie zwischen unterschiedlichen Pauschalen für die Kategorien der „M-, L- und XL-Städte“ und für die beiden „Überlandgebiete M+/L+ und XL+“, jeweils zuzüglich eines fixen Grundpreis von derzeit € 1,69. Und schon werde die Angelegenheit noch intransparenter und teilweise noch ungerechter als bisher – bei Minutenpreisen zwischen 0,034 und 2,360 € und Kosten zwischen 2,56 € und 7,03 € für die gleiche Distanz (Luftlinie) bei den von Pro Bahn bisher untersuchten 300 Relationen. Eine Fahrt über 10 Kilometer mit der Frankfurter U-Bahn koste nach RMVsmart zum Beispiel 3,54 €, in der Straßenbahn zahle man 2,36 € und in allen anderen Verkehrsmitteln (Bus, RE, RB) in Stadt und Land wiederum um die 2,80 €.
Weiter heißt es in dem Pressetext: „Durch den vergleichsweise hohen Grundpreis verteuern sich gerade in den Ballungsräumen die Tickets teilweise exorbitant und kollidieren damit mit dem Ziel, mehr Menschen vom Auto weg in öffentliche Verkehrsmittel zu bringen. Hier müssen die Parameter des Versuches dringend angepasst werden. Wenn aber das Credo einer einnahmeneutralen Tarifreform gelten soll, wird jede Preisreduktion an anderer Stelle im Verbund durch eine Preiserhöhung ausgeglichen werden müssen. Hier sind im Zweifel auch die Politik und die Gesellschafter gefordert, umzudenken und stattdessen mehr in den umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr zu investieren, um Preiserhöhungen zu vermindern. Die offensichtlichen Mängel von RMVsmart liegen bereits heute auf dem Tisch. Zahlreiche handwerkliche Fehler sind offenkundig und eigentlich unstrittig.“
Die Bedingung für die Fortsetzung des Versuchs
Wilfried Staub, Stellv. Regionalvorsitzender von Pro Bahn für den Großraum Frankfurt, hält die Fortführung des Tests aber für einen zeitlich begrenzten Zeitraum und unter bestimmten Bedingungen für sinnvoll, wobei allerdings folgende Ziele bzw. Prämissen für die Fahrgastvertreter als Bedingung unumstößlich sind:
1.) Der endgültige Tarif muss auch für den Verkauf an Fahrscheinautomaten und beim Busfahrer kompatibel sein, so wie es der RMV sich selbst als Ziel auferlegt hat. Beträge kleiner als 5 Cent sind allerdings nicht praktikabel bzw. an den gängigen Automaten zumindest derzeit nicht möglich bzw. dem Busfahrern nicht zuzumuten. Es dürfen keine neuen Zugangshürden zum ÖPNV oder Nachteile für Benutzergruppen ohne Smartphone aufgebaut werden.
2.) Der Kauf von RMVsmart-Tickets darf den Vorgang am Automaten und beim Busfahrer gegenüber heute nicht verlängern und verkomplizieren. Durch RMVsmart dürfen sich die Vorfälle des Einzelfahrscheinkaufs im Vergleich zu bisher nicht erhöhen, damit der Verkauf am Automaten nicht behindert wird und die Fahrpläne der Busse mit Barverkauf eingehalten werden können.
3.) Es muss eine diskriminierungsfreie Lösung für Prepaid-Zeitkarten, gleich welcher Art (auch Wochenkarten!) und die Beibehaltung der Mitnahmeregelung vom ersten Tag der Gültigkeit der Zeitkarten an gegeben sein.
4.) Die bewährten und beim Fahrgast beliebten übertragbaren Tages- und Gruppenkarten müssen mit den Vorzügen der freizügigen Beweglichkeit in der gebuchten Tarifwabe – wie weltweit üblich – erhalten bleiben.
5.) Anschlussfahrten, Fahrten in Übergangsgebiete und ein Upgrade in die 1. Klasse sowie Fahrten in zugelassenen Fernverkehrszügen der DB müssen weiterhin möglich sein.
6.) Der Kilometerpreis sollte degressiv aufgebaut und für alle Verkehrsmittel gleich oder nur in abgemilderter Form abgestuft sein. Der Grundpreis sollte entfallen oder deutlich verringert werden, da er sich konträr zu gewollten preiswerten Kurzstreckenfahrten verhält (Minimierung MIV).
7.) Wie international bei der Eisenbahn üblich muss über eine Raumbegrenzung eine Lösung gefunden werden, dass für unterschiedliche Wege der gleiche Preis gilt und die Freizügigkeit innerhalb der gewählten Relation in großzügiger Weise gegeben ist. Für Fahrgäste und Kontrolltrupps darf es dabei keinen Interpretationsraum geben.
8.) Alternative Problemlösungen für die Beseitigung der bisher gravierenden Preissprünge als Alternative zum Modellversuch RMVsmart sind unverzüglich in die weiteren Überlegungen einzubeziehen, so dass spätestens in zwei Jahren die längst überfällige Tarifreform in Kraft treten kann.
9.) Der zukünftige Tarif des RMV muss sich an den geänderten und zukünftigen Bedürfnissen und Gewohnheiten der Fahrgäste orientieren.
10.) Bei den begleitenden Befragungen der Fahrgäste zu RMVsmart müssen zwingend auch am Feldversuch nicht teilnehmende Fahrgäste und die Gruppe der Nicht-User des ÖPNV einbezogen werden.