Bau des Logistikzentrums ist blockiert
Von Klaus Nissen
Die Millionen für das Grundstück des geplanten Rewe-Logistikzentrums bei Berstadt sind auf dem Konto der Gemeinde Wölfersheim eingegangen. Das Projekt komme voran, melden Bürgermeister Eike See und die Bauherren gemeinsam. Doch die Grünen und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) glauben nicht daran. Denn vor dem Bau der fast zehn Hektar großen und bis zu 35 Meter hohen Lagerhalle stehen noch acht Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang.Rewe muss acht Gerichtsverfahren abwarten
Eigentlich sollte schon im März 2020 eine riesige Baugrube zwischen der Bundesstraße 455 und der A45 an der Autobahn-Auffahrt Wölfersheim entstehen. Der Rewe-Konzern will dort 80 000 Kubikmeter besten Ackerbodens abschälen und auf benachbarten Ländereien verteilen. Danach sollten zügig die Fundamente für die Lagerhalle und die Lastwagen-Rangierflächen gelegt werden. Ab dem Jahr 2023 will Rewe von diesem verkehrsgünstig liegenden 26-Hektar-Areal aus täglich gut 500 Supermärkte versorgen. Doch das Projekt stockt.

Und zwar in Kassel. Dort warten auf den 3. Senat des Verwaltungsgerichtshofes jeweils zwei Normenkontroll- und Normenkontroll-Hauptsacheverfahren zum Bebauungsplan des Logistikparks, berichtet die stellvertretende Pressesprecherin Katrin Lehmann auf Anfrage. Außerdem zwei Beschwerdeverfahren. Der 4. Senat muss außerdem in zwei weiteren Verfahren entscheiden, ob das Ackerland per „Zielabweichung“ auch als Logistikfläche genutzt werden darf. Katrin Lehmann: „Es handelt sich jeweils um sehr komplexe Verfahren – eine Terminierung bzw. ein Entscheidungszeitpunkt ist derzeit leider noch nicht absehbar.“
Rewe hat das Grundstück inzwischen bezahlt
Wölfersheims Bürgermeister Eike sieht das Großprojekt dennoch weiter auf der Spur. Die Gemeinde habe die Planung und den Erwerb der Grundstücke nun so weit vorangetrieben, dass Ende 2020 der Kaufpreis fällig wurde. Rewe habe das Geld an die Gemeinde überwiesen, berichtet der Bürgermeister. „Damit ist einer der wichtigsten Projektabschnitte für uns abgeschlossen und die Ansiedlung einer der größten Arbeitgeber in Hessen rückt noch ein Stück näher.
Wie viel Rewe zahlte, ist laut See vertraulich. Nach Angaben der Wölfersheimer Grünen handelt es sich um 18 Millionen Euro. Öffentlich fordert ihr Sprecher Michael Rückl die Gemeinde auf, dieses Geld sicherheitshalber nicht auszugeben. Denn wenn das Logistikzentrum nicht gebaut werde, müsse es die Gemeinde womöglich zurückzahlen. Dies wiederum bestreitet der Bürgermeister: Auch die von der Gemeinde beauftragten Juristen schätzten die Lage anders ein.
Seit Sommer 2020 gilt ein Baustopp
Weil Projektgegner vom Bündnis für Bodenschutz gegen die Baugenehmigung für das Logistikzentrum klagten, stockt seit dem vorigen Frühjahr der Tiefbau auf dem Gelände. Die Gegner hatten einen Baustopp erreicht. Rewe wiederum beantragte, die nach einem Eilantrag des BUND ausgesetzte Baugenehmigung des Kreises wieder in Kraft zu setzen. Andere Gerichtsverfahren drehen sich laut Werner Neumann vom BUND-Landesvorstand beispielsweise darum, ob und wie das auf dem versiegelten Gewerbegrundstück anfallende Regenwasser ins Rinnsal des Waschbachs abgeleitet werden darf und was das für die Tiere und Pflanzen im Gewässer bedeute. „Darüber hat die fachliche Diskussion noch nicht eingesetzt“, sagt Naturschützer Neumann. Alle laufenden Gerichtsverfahren würden hinfällig, wenn die Richter die von der Regionalversammlung schon beschlossene Zielabweichung im Regionalen Flächennutzungsplan kassierten. So, wie von den Naturschützern beantragt.

Der seit Monaten stockende Erdbau stellt das Logistikzentrum für Bürgermeister See und den Rewe-Projektleiter Martin Obermann nicht in Frage. Sie schreiben gemeinsam: „Daher wurde zwischenzeitlich der Bauantrag für den Hochbau eingereicht und die weiteren Planungen fortgesetzt.“ Beinahe täglich gingen nun bei der Projektleitung Bau-Anfragen von Fachfirmen und Stellenanfragen von potenziellen Bewerbern ein. „Das zeigt, welche Bedeutung der geplante Neubau bereits jetzt für die Region hat“, so Martin Obermann.
Bürgermeister: Rewe bringt der Gemeinde Vorteile
Eike See ergänzt: „Mehr als 550 Arbeitsplätze und 20 Ausbildungsplätze sollen durch den Neubau in Wölfersheim angesiedelt werden. Gerade in der aktuellen Zeit wird klar, wie wichtig ein funktionierender Lebensmitteleinzelhandel und solide Arbeitsplätze für uns alle sind.“ Das Logistikzentrum bringe der Gemeinde langfristig höhere Einnahmen durch die Grund- und Gewerbesteuer. Im Zuge der Kanalverlegung zum Gewerbegebiet habe man schon jetzt Feldwege saniert und ausgebaut.
Der Ackerland-Verlust durch die Lagerhalle ist nach Sees Ansicht zu verschmerzen. Wölfersheim opfere weniger als ein Prozent seiner Ackerflächen, damit sich mit Rewe der zweitgrößte Arbeitgeber Hessens in der Gemeinde ansiedeln könne.