Mehr Gehalt dank Ovag

Wieder will ein Landrat in den Vorstand

Von Klaus Nissen

Zu Silvester 2017 laufen die Arbeitsverträge des kommunalen Versorgungskonzerns Ovag mit dem Vorstandschef Rainer Schwarz (CDU) und seinem Stellvertreter Rolf Gnadl (SPD) aus. Schwarz will vorerst weiterarbeiten, auf Gnadls Stelle möchte Landrat Joachim Arnold rücken. Grüne und FWG rügen eine Selbstbedienungsmentalität von  SPD und CDU.

Mehr Gehalt dank Ovag

Joachim Arnold (SPD) ist seit 2008 Landrat des Wetteraukreises. Der Wechsel in den Vorstand des Versorgungsunternehmens Ovag würde sein Gehalt deutlich steigern.

Seit 2008 lenkt der frühere Gederner Bürgermeister und  Wetterauer Vizelandrat Rainer Schwarz die Geschicke des Strom-, Gas- und Wasserversorgers Ovag. Der Mittsechziger  habe seinem Arbeitgeber eine Verlängerung des Arbeitsvertrages vorgeschlagen, teilte Ulrich Künz auf Anfrage mit. Künz, der Bürgermeister von Kirtorf im Vogelsbergkreis, ist Fraktionschef der CDU der Zweckverbandsversammlung des Konzerns. Künz findet es „wünschenswert, wenn am 1. Januar 2018 nicht beide Ovag-Vorstände aufhören“. Den Vertrag mit Schwarz könnte der Aufsichtsrat einfach verlängern.  Nach Informationen des Neuen Landboten will Schwarz bis Mitte 2019 im Amt bleiben. In dem Jahr läuft auch seine Wahlperiode als Präsident der Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg ab.

Für den zu Silvester bei der Ovag frei werdenden Vorstandsposten des 64-jährigen Ex-Landrats Rolf Gnadl müsse der Aufsichtsrat eine Ausschreibung machen, so Ulrich Künz. Die Vertreter der rund  620 Ovag-Arbeitnehmer haben dabei genauso viel Einfluss auf die Besetzung des gut dotierten Postens wie die drei Eigentümer-Landkreise Wetterau, Vogelsberg und Gießen. Wie viel Geld der zu berufende Manager im Monat verdient, ist unbekannt. Auf eine Anfrage der Grünen dazu wurde keine Summe genannt. Die Vorstandsgehälter seien viel höher als das Einkommen eines Landrats, mutmaßt der Grünen-Kreistagsabgeordnete Michael Rückl. Bei Unternehmen mit einer halben Milliarde Euro Jahresumsatz (wie bei der Ovag) sind nach Branchenkennern Chefgehälter von mehr als 300 000 Euro normal. Das würde dem jeweiligen Vorstand gut  30 000 Euro im Monat einbringen.

Rolf Gnadl (SPD) war lange Landrat der Wetterau und dann Ovag-Vorstand. Zu Silvester läuft sein Arbeitsvertrag aus.

Dass ein Landrat an die gut dotierte Spitze des staatlichen Strom-, Wasser- und Gasversorgers wechselt, hat Tradition. 1994 wurde der Vogelsberger Landrat Dr. Jochen Zwecker (SPD) Vorstandschef der Ovag. Im Jahr 2000 folgte ihm da sein Parteifreund Hans-Ulrich Lipphardt, der zuvor Bürgermeister von Alsfeld und dann Vogelsberger Landrat gewesen war. 2008 wurde der Christdemokrat Rainer Schwarz Vorstandschef. Der Wetterauer Landrat Rolf Gnadl (SPD) rückte auf den Stellvertreter-Posten bei der Ovag nach. Und nun steht der aktuelle Landrat und Wetterauer SPD-Vorsitzende Joachim Arnold (57) an der Schwelle des Ovag-Vorstandsbüros am Friedberger Bahnhof.

Kann man also behaupten, dass die mit vermutlich sechsstelligen Jahresgehältern gesegneten Spitzenpositionen bei der Ovag eine Art Luxus-Vorruhestand für verdiente Kommunalpolitiker darstellen? Der Wetterauer SPD-Pressesprecher Rouven Kötter dementiert das energisch: Arnold sei  kein „altgedienter Politiker, der versorgt werden müsste, sondern eine enorm qualifizierte und kompetente Führungspersönlichkeit.“ Er habe früher als Bürgermeister von Wölfersheim und seit 2008 als gezeigt, dass er keine Schwierigkeiten und Herausforderungen scheut. Er gehe Aufgaben strukturiert und analytisch an und habe eine beeindruckende Erfolgsbilanz vorzuweisen.

Kritik am Besetzungsverfahren der Managerposten bei der Ovag übt der Wetterauer FWG-Kreistagsfraktionschef Erich Spamer: „Es ist schon verwunderlich, dass Führungspositionen bei der OVAG schon vor der Ausschreibung vergeben werden. Wer soll sich dann noch auf diese Position bewerben, wenn schon im Vorfeld klar ist, dass er oder sie chancenlos ist.“

Rainer Schwarz (CDU) ist Ovag-Vorstandschef. Und will es vorerst bleiben.

Fachlich sei der aktuelle Landrat Joachim Arnold sicher für den Job des Ovag-Vorstandes geeignet, räumt Erich Spamer ein. Doch dessen Jobwechsel würde richtig teuer: „Ich befürchte (…), dass sich das selbe Spiel wiederholt, wie es seinerseits war, als der Landrat Rolf Gnadl vor Ende seiner Amtszeit an die Spitze der Ovag gerückt ist. Meinen Informationen zufolge hat die Ovag seinerseits um eine Million Euro berappen müssen, um die Pensionsansprüche von Herrn Gnadl abzulösen. Soll sich dies auf Kosten der Stromkunden wiederholen?“ Nach dem Hessischen Beamtenbesoldungsrecht erhält ein Landrat nach zwei Amtsperioden beim Ausscheiden aus dem Staatsdienst ab dem 55. Lebensjahr eine Sofortpension bis zum Ende seiner Tage. Wenn er wie Rolf Gnadl danach einen Angestellten-Job annimmt, wird die Pension mit Abschlägen zusätzlich zum Gehalt bezahlt.

Der Grünen-Sprecher Michael Rückl nennt die Beförderung von Landräten in den Stromversorger-Vorstand ein  „Modell von gestern, das auf den Müllhaufen der Provinzpolitik gehört“. SPD und CDU hätten die Ovag längst zu ihrem „Claim“ gemacht. Und nun werde „im üblichen Hinterzimmer die übliche Soße gekocht“. Schon 2016 hätten sich die beiden Parteien durch eine Satzungsänderung die Zweidrittel-Mehrheit in der Zweckverbands-Versammlung besorgt. Nun bekomme wieder ein Landrat einen ruhigeren Job mit viel mehr Geld.

Michael Rückl: „Die Königsdisziplin der Großkoalitionäre aus CDU und SPD ist das Geschacher um Posten. Wahre Politik wird für sie von oben und nicht durch die Parlamente gemacht. Daher ist die Besetzung von Schlüsselpositionen ihr zentrales Betätigungsfeld. Besonders trifft das auf die Ovag und den Zweckverband Oberhessische Versorgungsbetriebe zu. “ Besser wäre es nach Ansicht der Grünen, die entscheidenden Posten bei der Ovag mit Fachleuten zu besetzen.

Jan Weckler (CDU)
Stephanie Becker-Bösch (SPD)

Wenn Joachim Arnold ab Neujahr zur Ovag wechselt, muss die  Wetterauer Landrats-Direktwahl spätestens vier Monate nach dem Freiwerden der Stelle stattfinden. Den Wahl- und den Stichwahltermin legt der Kreistag fest, so der Wetterauer Wahlleiter Ernst Meiß. Diesen Termin muss die Verwaltung mindestens 90 Tage vorher öffentlich machen. Die Landratswahl könnte also nur dann zeitgleich mit der Bundestagswahl am 27. September stattfinden, wenn sie bis Ende Juni angekündigt ist. Das ist einigermaßen unwahrscheinlich. Zur Landrats-Direktwahl dürfen SPD und CDU laut Koalitionsvertrag nur die amtierenden hauptamtlichen Kreisausschuss-Mitglieder aufstellen. Das ist der Erste Kreisbeigeordnete Jan Weckler für die CDU und die Sozialdezernentin Stephanie Becker-Bösch für die SPD.

Hintergrund: Die Ovag-Gruppe

Die von Friedberg aus geleitete Ovag-Gruppe gehört zur Hälfte dem Wetteraukreis, außerdem den Landkreisen Gießen und Vogelsberg. Mit ihren knapp 620 Arbeitnehmern versorgt das Unternehmen rund 235 000 Kunden mit Strom, Trinkwasser und Erdgas. Laut Geschäftsbericht 2014 verkaufte die Ovag-Gruppe 1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom und 30 Millionen Kubikmeter Wasser. In 62 Kommungen organisiert sie den öffentlichen Busverkehr für 670 000 Einwohner. Die Umsatzerlöse werden für 2015 auf 448 Millionen, der jährliche Konzern-Überschuss auf rund 36,4 Millionen Euro beziffert.

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