Befürworter setzen Wohngebiet durch
Der Bad Nauheimer Stadtteil Nieder-Mörlen soll ein weiteres neues Wohngebiet erhalten, diesmal mit sogenannten bezahlbaren Wohnungen. Das geschieht auf Antrag der CDU und gegen den Widerstand von FDP, FW/UWG und Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos). (Siehe auch weiterer Artikel)
BI aus Nieder-Mörlen protestiert
Der Konzertsaal in der Trinkkuranlage war brechend voll, als das Stadtparlament jüngst tagte. Unter den zahlreichen Zuhörern waren die Vertreter einer Bürgerinitiative (BI), die gegen das geplante Neubaugebiet in Nieder-Mörlen protestiert. Doch ihre Transparente halfen ebenso wenig wie 1500 Unterschriften: Das Parlament stimmte mit knapper Mehrheit für die Bebauung, genauer, zunächst die Weiterverfolgung einer Machbarkeitsstudie. Es geht dabei um die Friedhofs-Erweiterungsfläche. 45 Mietwohnungen und zehn Einfamilienhäuser sollen dort entstehen.
„Infrastruktur verkraftet es nicht“
Stein des Anstoßes: Bürger nutzen die Grünfläche als Erholungsgebiet und gehen mit ihren Hunden dort spazieren. Vor allem aber befürchten die Gegner des Projekts, dass die Infrastruktur des Stadtteils den Zuzug nicht mehr verkraftet. Denn gleich an die Friedhofstraße grenzt das 11 Hektar große Neubaugebiet Auf dem Hempler an. Aus diesen Gründen hatten der Magistrat und der Ortsbeirat des Stadtteils dagegen votiert, anders allerdings als der städtische Bauausschuss.
„Zugewinn an bezahlbarem Wohnraum“
„Das muss ein Stadtteil erst mal verkraften – das muss sich setzen!“, appellierte der Nieder-Mörler Freie Wähler Markus Philipp, es beim „Hempler“ zu belassen. Der Grüne Dr. Martin Düvel indes warb für den Zugewinn an bezahlbarem Wohnraum. Personen wie Krankenschwestern, Altenpfleger, Erzieherinnen, Verkäuferinnen, Reinigungskräfte und Busfahrer kämen beispielsweise dafür in Frage. „Auch sie gehören zur Infrastruktur.“ Die Grünen wollten den sozialen Frieden fördern, sagte Düvel unter dem Gelächter der BI. Er setzte eins drauf: „Sie können nicht rufen: ‚Das Boot ist voll.'“
„Sozialer Frieden ist gefährdet“
Rathauschef Kreß räumte ein, sozialen Frieden für wichtig zu halten. Er wies auf die „ordentliche Machbarkeitsstudie“ der Stadtverwaltung hin. Das Projekt sei machbar. „Aber ich habe mit vielen Menschen gesprochen. Und ich glaube, dass der soziale Frieden in Nieder-Mörlen gefährdet ist.“ Es sei ein Märchen, dass nur die direkten Anwohner dagegen seien. Sondern es sei die ganze soziale Gesellschaft in dem Stadtteil.
500 000 Euro für Altlasten
„Und nur weil es gut klingt, zu sagen: ‚Da wohnt die Krankenschwester, da wohnt der Busfahrer‘ – toll!“ So etwas lasse sich nicht steuern. Die Kosten für die Deponie, die auf der Fläche früher war, seien nicht bekannt. Die Verwaltung habe diesen Punkt nicht untersucht, sondern auf 500 000 Euro geschätzt. Kreß wies darauf hin, dass bezahlbarer Wohnraum aus Steuergeldern finanziert werde. An anderer Stelle fehle das Geld dann.
Was ist bezahlbar?
Markus Theis (FW/UWG) stellte die Frage, was bezahlbarer Wohnraum denn sei? 8,50 Euro soll der Quadratmeter dort kosten. Das könne sich keine Putzfrau leisten.
„Kein grenzenloses Wachstum“
„Wir wollen keine Schlafstadt, keine überforderte Infrastruktur“, erklärte Benjamin Pizarro (FDP). Wie der Freie Wähler Philipp kommt der Liberale aus Nieder-Mörlen. Grenzenloses Wachstum sei problematisch, betonte er. „Die CDU hat früher bezahlbaren Wohnraum nicht gefördert und viele Fehler gemacht.“ Nun an solch einer Stelle alles nachzuholen, gehe nicht.
„Verfehlte Wohnungsbaupolitik“
Edgar Bandow (SPD) ging Bürgermeister Kreß an, der Aufsichtsratsvorsitzender der Bad Nauheimer Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) ist. „Sie haben versäumt, was die Wobau machen muss: Sozialen Wohnraum herzustellen.“ Auch Christian Trutwig (CDU) warf Kreß eine verfehlte Wohnungspolitik vor. (Siehe weiterer Artikel)
In namentlicher Abstimmung votierten 23 Abgeordnete für das Neubaugebiet, 20 Abgeordnete dagegen.