Der Kolter-Mann
Christoph Seipp handelt mit Koltern und organisiert das Gießen Picknick 2015 am 31. Mai auf den Lahnwiesen in Gießen. Kolter gehören zum Picknick wie Tischdecken zum Hochzeitsschmaus.
Decke auf Hessisch
Wie Christoph Seipp auf den Kolter gekommen ist? Durch seine Freundin, die stammt aus Sachsen. „Gib mir mal den Kolter“, hatte er zu ihr gesagt und nur ein verständnisloses „Was?“ bekommen.
Seipps sächsische Freundin ist in guter Gesellschaft. Der „Duden – Deutsches Universalwörterbuch“ kennt auch keinen Kolter. In dem 2016 Seiten dicken und 2,7 Kilo schweren Wälzer (Ausgabe 2006) kommt nach „Kölsch“, dem obergärigen Bier aus Köln, gleich der „Kolumbianer“. Im „Deutschen Wörterbuch“ von Hermann Paul (1130 Seiten) und im „Variantenwörterbuch der Deutschen Sprache“ (954 Seiten) fehlt der Kolter ebenfalls. Der kleine Duden (Die deutsche Rechtschreibung) ist schlauer als sein großer Bruder. Der kennt gleich zwei Kolter: Einen mit „das“, das ist das „Messer vor der Pflugschar“, mit dem wir beim Picknicken wenig anfangen können, einen mit „der“, die „Wolldecke, Steppdecke“, das ist der Kolter, den wir suchen. „Wahrig – Deutsches Wörterbuch“ aus dem Hause Brockhaus kennt ihn auch: Kolter (m.; oberdt.) Schlaf-, Steppdecke [<mdh. culter, gulter, golter < afrz. co(u)ltre „Steppdecke“ <lat. culcitra „Polster, Matratze“].
Bembel und Goethe
Chrisoph Seipp stammt aus dem mittelhessischen Lich. Decken sind für ihn Kolter. Vor allem in Mittel- und Südhessen wird dieser Begriff verwendet, fand er heraus. Christoph Seipp beschloss, die Decken aus Hessen in die Welt zu tragen. Über das Wissen dafür verfügt er: Er hat an der FH in Friedberg Logistik und an der FH in Fulda internationales Marketing studiert. Aber erst einmal brauchte er Kolter, an denen er seine Logistik- und Marketingkenntnisse anwenden konnte. „In Hessen werden keine mehr hergestellt“, sagt er. Seipp begab sich zur Heimtextilmessen, um einen Hersteller zu finden – und fand vor allem Kopfschütteln. Dann stieß er aber doch noch auf einen Deckenhersteller, der ihm seine Kolter produzieren konnte. 2013 verließen die ersten die Webstühle. Die Silhouette Gießens zierte die Decken, Seipps neuer Heimatstadt.
Inzwischen ist das Spektrum auf über 30 Motive angewachsen. 17 zeigen Städte, Bembel-Verzierungen sind dabei oder auch Goethe und Lotte. Sie sind für ihn ein Stück Heimat und sollen es auch für die Käufer sein. „Sie haben immer etwas mit Hessen zu tun“, sagt er über seine Decken. Sie könnten auch Geschenke „von Hessen für Hessen sein“. Erinnerungsstücke für Hessen, die es in die Fremde verschlagen hat.

Die Kolter werden in Deutschland hergestellt, sagt Seipp. Entweder werden sie aus Baumwolle und Dralon oder aus Schurwolle und Baumwolle gefertigt, die Picknickdecken erhalten eine Beschichtung aus Kunstfasern. Die Motive werden in die Decken eingewebt, nicht aufgedruckt. Billig sind sie nicht, kosten fast 80 Euro kosten sie. Die Picknickkolter für Gießen picknickt sind zum Sonderpreis von 39,90 Euro zu haben.

Leben kann Christoph Seipp vom Kolterhandel (noch) nicht. Seinen Lebensunterhalt verdient der 31-Jährige vor allem als Berater und Trainer in der IT-Branche.