Frauenfrühstück

Eingesessene treffen in Usingen Zugezogene

Von Corinna WillführFrauen

Ein Team der Usinger Ehrenamtslotsen hat im Herbst 2014 die Organisation des Internationalen Frauenfrühstücks der Kommune im Hochtaunus-Kreis übernommen. Zu dem vom Ausländerbeirat ins Leben gerufenen offenen Treffen kommen allmonatlich Frauen aus dem Usinger Land. Zu den „Alteingeplackten“, die hier seit Jahren ihr Zuhause haben, sind längst „Zugezogene“ aus Frankfurt, der Schweiz, Venezuela oder Pakistan gekommen. Beim letzten Treffen in 2015 war auch Asia dabei,  Mutter dreier Kinder, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen ist.

Asia floh mit ihren Kindern aus Alepo

Asia spricht drei Sprachen: Kurdisch, Arabisch und Englisch. Die vierte lernt die Kurdin mit großem Eifer. Seit August durch Gespräche, seit dieser Woche auch in einem Deutschkurs für Flüchtlinge, viermal wöchentlich, jeweils für drei Stunden. Wie wichtig es für sie ist, sich in Deutsch verständigen zu können, macht klar, wenn sie allen, die sich ihr in englischer Sprache mit „My name is“ vorstellen, antwortet: „Ich heiße Asia“.

Mit ihren drei acht, zehn und 13 Jahre alten Kindern floh die 35-Jährige aus Aleppo. Über die Türkei, Griechenland und Mazedonien führte sie ihre Flucht nach Deutschland. Mit Händen und Mund zeigt sie, wie sie die erste Etappe über das Mittelmeer bewältigt haben. Sie pustet, deutet eine Wellenbewegung an. „No big, kein großes Schiff“. Ein Schlauchboot. „Wir waren so, so lange unterwegs und so müde, als wir angekommen sind.“

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Asia, Kurdin aus dem syrischen Aleppo, am Büfett im Evangelischen Gemeindehaus – und probiert zum ersten Mal Christstollen. (Fotos: Willführ)

Zunächst in Meerbusch bei Düsseldorf, dann in Gießen ist sie gewesen, dann noch in Neu-Isenburg, bevor Asia mit ihren Kindern in Riedelbach, einem Ortsteil von Weilrod im Hochtaunuskreis, zwei kleine Zimmer beziehen konnte. In einem ehemaligen Hotel. „Da wäre es besser wenn wir keine Wand zwischen den Räumen hätten. Wir sind doch eine Familie.“ In ihrer Stimme ist der Wunsch zu hören, dass es anders besser wäre, keine Kritik, dass es noch nicht so ist. „Das ist Stollen“, sagt ihre Tischnachbarin Almut Gwiasda, selbst in der Flüchtlingshilfe in Wehrheim aktiv, zu ihr, „Christstollen, typical for Christmas“. Asia nickt freundlich. „Trauben“, sagt sie, „die wachsen in meiner Heimat.“ Das Wort Rosinen hat sie noch nie gehört. Eine neue Vokabel in ihrem Wortschatz, ein Wort, das man nicht so leicht vergisst, weil es mit einer freundlichen Begegnung verbunden ist. Mit der Zuversicht, auch in der Fremde, Kontakte, vielleicht Freundschaften, aufbauen zu können.

Von ihren Eltern trennen Asia und ihre sechs Geschwister – einige sind bei ihrer Flucht aus dem Bürgerkrieg bis in die Türkei gekommen – hunderte Kilometer. „Der Krieg, „sagt sie, „hat unser Leben zerstört, die Familie völlig getrennt.“ Ihre Eltern seien allein in Aleppo zurück geblieben. „Ihre Kinder nicht mehr sehen zu können, das tut ihnen sehr weh“, sagt die 35jährige, „vor allem meiner Mutter.“ Kontakt hält sie mit diesen per Internet, aber oft könne sie zu ihnen keine Verbindung herstellen – nicht zu den Eltern in Syrien, nicht zu ihren Geschwistern in der Türkei.

„Vielleicht kann ich als Lehrerin hier arbeiten“

Asia ist zum ersten Mal beim Internationalen Frauenfrühstück in Usingen. „Seit ich in Deutschland bin, habe ich viel Unterstützung bekommen. Vor allem haben die Menschen immer meinen Kindern geholfen.“ Sie bleibt nicht nur an einem Platz im Evangelischen Gemeindezentrum, immer wieder wird sie von ihren Nachbarinnen angesprochen, die mehr von ihrer Geschichte, ihrer aktuellen Situation wissen möchten. „Ich bin sehr froh, dass ich bis nach Deutschland gekommen bin“, sagt Asia. „Ich sehe in die Gesichter der Menschen und habe keine Angst mehr.“ In anderen Ländern auf ihrer Flucht sei dies nicht so gewesen. Wie ein Feind sei sie sich vorgekommen, „I felt like an enemy“, ohne zu wissen, warum für Menschen, die sie ebenso wenig kannten, wie diese sie. Asias Wunsch für die Zukunft: „Dass meine Kinder alle zur Schule gehen können und gut Deutsch lernen.“ Ein Wunsch, den sie auch für sich selbst hat, denn die Kurdin aus dem syrischen Aleppo hat in ihrer Heimat als Lehrerin gearbeitet. „Vielleicht kann ich das hier auch einmal tun.“

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Die Organisatorinnen des Frauenfrühstücks (v.l.n.r.) Helmi Marhenke, Elke Berger, Beate Prechtl und Dagmar Linnemann.

Die zwei Stunden beim monatlichen Internationalen Frauenfrühstück in Usingen vergehen wie im Fluge. Die gut zwei Dutzend Frauen plaudern, diskutieren, tauschen sich aus. Eine Zeit, die auch die Organisatorinnen genießen können. Doch für die vier Frauen aus dem Team der Ehrenamts-Lotsen der Stadt Usingen – Elke Berger, Dagmar Linnemann, Helmi Marhenke und Beate Prechtl – bedeutet jedes Internationale Frauenfrühstück viel Vor- und auch Nacharbeit. Ihr Lohn: Das Lachen der Frauen aus unterschiedlichen Nationen, das Lob über einen reich gedeckten Frühstückstisch und die liebevolle für jedes Treffen neu ausgesuchte Dekoration – sowie die Freude darüber, dass ihr Engagement im Sparschwein für freiwillige Spenden eine Anerkennung erhält – und damit ihr Anliegen, den Austausch möglichst vieler Frauen aus „aller Herren Länder“ in Usingen und Umgebung zu unterstützen, fördert. Auch im nächsten Jahr.

Die ersten Termine 2016 für das Internationale Frauenfrühstück im Evangelischen Gemeindezentrum Usingen, Pfarrgasse 7, sind (jeweils am Donnerstag) 14. Januar, 11. Februar und 10. März. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Teilnahme ist kostenlos. Über eine Spende freut sich das Team.

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