Tauziehen um Friedberger Kaserne
Die Flüchtlings-Unterbringung hat zu Verstimmungen zwischen der Landesregierung und hessischen Kreisen und Gemeinden geführt. Das Thema wird jetzt Chefsache: Am 12. November reist Ministerpräsident Bouffier und vier seiner Minister nach Friedberg, um mit den Kommunal-Chefs zu reden.
Flüchtlings-Gipfel
Rund 44 000 Menschen kamen seit Jahresbeginn als Flüchtlinge nach Hessen. Rund 7000 kommen laut Landesregierung täglich hinzu. Die Unterbringung macht Probleme – in Bad Nauheim zum Beispiel sollen Flüchtlinge ab Jahresbeginn im Thermalbad wohnen. Es wird Silvester geschlossen, weil die Stadt ein neues bauen will. Die Betten sollen im Schwimm-Saal aufgestellt werden. In Wöllstadt wird das katholische Pfarrheim mit Flüchtlingen belegt. Und in Friedberg will Landrat Joachim Arnold das Land dazu bewegen, knapp 700 Flüchtlinge aus zwei Sporthallen in Nidda in die künftige Erstaufnahme-Einrichtung in der früheren US-Kaserne umzusiedeln.
Der Wetteraukreis hatte die neun Gebäude der Ray-Kaserne Ende Oktober beschlagnahmt und sich die Schlüssel mit Hilfe der Polizei verschafft. Kurz darauf machte das Regierungspräsidium Darmstadt die Beschlagnahme rückgängig, und Sozialminister Stefan Grüttner verkündete die Schaffung einer landeseigenen Erstaufnahme-Einrichtung in den gut erhaltenen Kasernengebäuden. Landrat Arnold besteht aber darauf, dass die Niddaer Flüchtlinge nach Friedberg kommen und drohte dem Land mit einer Verwaltungsklage.
Nun versuchen es die staatlichen Ebenen mit direkten Gesprächen. Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid und Ministerialdirigent Elmar Damm vom Finanzministerium waren in Friedberg, berichtet Landrat Arnold. Sie „kamen zu Gesprächen ins Kreishaus, nachdem sie zuvor gemeinsam mit Bürgermeister Michael Keller versucht haben, die Kasernengebäude in Friedberg zu besichtigen“. Letzteres hat offenbar nicht geklappt.
Die Auffassungen über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmung bleiben laut Arnold unterschiedlich. Er sei noch immer der Ansicht, dass die Beschlagnahmung rechtens und notwendig war, weil der kurzfristige Einsatzbefehl des Hessischen Innenministerium zur Unterbringung von 1 000 Flüchtlingen rasches Handeln erforderlich machte.
Doch: „Dass wir jetzt zu Gesprächen zusammengekommen sind, ist schon mal ein gutes Zeichen“, sagte Regierungspräsidentin Lindscheid, und auch Ministerialdirigent Damm war nach Angaben der Kreisverwaltung bemüht, die Wogen zu glätten. Das Land will sofort loslegen und die Kaserne noch vor Weihnachten für die Aufnahme von Flüchtlingen herrichten.
Friedbergs Bürgermeister Michael Keller forderte laut Arnold, dass das soziale Gefüge der Stadt nicht durcheinandergebracht werden dürfe. Die Kreisstadt brauche zumindest eine Senkung der Zuweisungsquote wie in Büdingen. Dort wird in diesen Tagen eine Erstaufnahme-Einrichtung mit 800 Plätzen in der früheren Armstrong-Kaserne geschaffen. Zudem forderte Keller eine Beschränkung der Nutzung des Friedberger Kasernenareals auf die besprochenen Gebäude. Sie sollten nach drei Jahren Nutzungsdauer wieder freigegeben werden – und die Stadt müsse dann das erste Zugriffsrecht bekommen. Keller passt die Kasernen-Nutzung für die Flüchtlinge nicht, weil nach zehnjährigem Leerstand gerade die Bebauung des Geländes vorbereitet wurde.
Mit gleich vier Ministern reist am 12. November Ministerpräsident Volker Bouffier nach Friedberg. In der Stadthalle will er mit den hessischen Landräten und Bürgermeistern über die Flüchtlings-Verteilung reden. Bouffier: „Es gilt, für diese historische herausforderung gemeinsam mit den Städten und Gemeinden Lösungen zu finden. Scheitern ist keine Alternative.“