Lesung in Gedern
Von Corinna Willführ
Auf Einladung der Kulturfreunde Galerie am Alten Markt in Ortenberg gastieren am Samstag, 7. Dezember 2024, 20 Uhr, der Schauspieler Edgar M. Böhlke und der Klarinettist Roman Kuperschmidt in der Kulturremise Gedern. Ihr Programm „Mein Leben saust nach allen Seiten“ widmet sich der Schriftstellerin Else Lasker-Schüler. Titelgebend für dieses ist eine Zeile ihres Gedichts „Mein Tanzlied“ aus dem Jahr 1917.Die Dichterin
Else Lasker-Schüler zählt zu den bedeutendsten Literaten des Expressionismus. Geboren 1869 als Elisabeth (Else) Schüler in Elberfeld (heute Stadtteil von Wuppertal) wächst sie als jüngstes von sechs Kindern des jüdischen Privatbankiers Aaron Schüler und seiner Frau Jeanette auf. Bereits als Vierjährige kann sie lesen und schreiben. Als Zwölfjährige bricht sie die Schule ab, erhält Privatunterricht. Mit Anfang 20 veröffentlicht sie ihren ersten Gedichtband „Styx“ (1901). Das „Peter-Hille-Buch“ als erstes Prosawerk erscheint 1906. Die Hauptfigur ihres Schauspiels „Die Wupper“ trägt deutliche Züge ihres Vaters. Es folgen Kindergedichte, Theaterstücke, Essays. 1932 wird Else Lasker-Schüler mit dem Kleist-Preis für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet. Ein Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist sie die letzte Dichterin, der diese Ehre zu Teil wird. In der Laudatio hieß es: „In den Büchern Else Lasker-Schülers finden sich viele Verse, die den ewig gültigen Schöpfungen unserer größten deutschen Meister ebenbürtig sind.“
„Ohne Phantasie kein Leben“
Als junge Frau gehört das Mädchen aus dem Rheinland, das längst auch eine talentierte Zeichnerin ist, der Berliner Avantgarde an. Sie trägt auffällige (selbst geschneiderte) Kleidung, Pluderhosen und silberne Schuhe, steckt sich Sterne in die Pagenfrisur ihres glänzenden schwarzen Haares. Und kreiert sich eigene Welt und andere Identitäten: die bekannteste „Yussuf von Theben“. Lasker-Schüler heiratet zweimal: den Arzt Jonathan Berthold Lasker (1894) und den Schriftsteller Georg Lewin 1903. Beide Ehen scheitern. Ihr Sohn Paul stirbt mit nur 28 Jahren 1927 an Tuberkulose. Wie der Tod ihrer Eltern ein traumatischer Einschnitt im Leben der Künstlerin. Die Lyrik wird Teil ihrer Trauerarbeit.
Entgegen ihres äußeren Auftretens führt Else Lasker-Schüler kein opulentes Leben, ist vielmehr nach der Scheidung von ihrem zweiten Mann auf die finanzielle Unterstützung von Freunden angewiesen. Zu diesen gehören der Dichter Georg Trakl, den sie „Ritter aus Gold“ nennt, Gottfried Benn, ihr „Kardinal“ und der Maler Franz Marc, ihr „Blauer Reiter“. Mit letzterem pflegt sie eine scheint’s unerschöpfliche Korrespondenz. Beide illustrieren ihre Briefe mit eigenen Zeichnungen und Aquarellen.
Vom „Völkischen Beobachter“ als „morbide Kaffeehausliteratin“ tituliert, ist die Jüdin zunehmenden Schikanen, zuletzt auch tätlichen Angriffen ausgesetzt. Sie flüchtet in die Schweiz, wo sie sich nur befristet aufhalten darf und keine Arbeitserlaubnis erhält. Zweimal reist sie nach Palästina. Von ihrer dritten Reise 1939 in „ihr Hebräerland“ kann sie nicht mehr zurückkehren. Die Schweiz verweigert ihr die Einreise. 1938 hatten ihr die Nationalsozialisten die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.
Bis 1945 lebt Else Lasker-Schüler in Jerusalem. So schillernd sie sich in ihrem Werk eine eigene Welt geschaffen hatte: Ihre letzten Jahre im Exil verbringt sie verarmt und weitgehend isoliert. Sie spricht kein Hebräisch. „Immer noch als Prinz Yussuf verkleidet, wurde sie unter Siedlern und Intellektuellen zum Spottobjekt“ (Wikipedia). Ihr letzter Gedichtband „Mein blaues Klavier“ erscheint 1943. Ihr Werk widmet sie „meinen unvergesslichen Freunden in den Städten Deutschlands und denen, die wie ich auf der ganzen Welt verband und zerstreut wurden.“ (Wikipedia) Else Lasker-Schüler stirbt am 22. Januar 1945. Sieben Jahre später nennt sie Gottfried Benn in einem Epitaph: „die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte.“
Die Protagonisten
Edgar M. Böhlke, seit mehr als 30 Jahren im Vogelsberg beheimatet, studierte Evangelische Theologie, Germanistik und Theaterwissenschaften. Nach seiner Schauspielausbildung in München stand er unter anderem am Schauspiel Düsseldorf, am Nationaltheater Mannheim und am Schauspiel Frankfurt auf der Bühne. Böhlke wirkt außerdem seit 40 Jahren bei Film-, Rundfunk- und Hörbuchproduktionen mit. Von 1987 bis zu seiner Pensionierung 2005 war er Professor für Schauspiel an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt.
Der gebürtige Russe Roman Kuperschmidt, Jahrgang 1974, spielt bereits seit seinem siebten Lebensjahr Klarinette. Sein erstes Solo-Konzert mit der Russischen Staatsphilharmonie Kazan absolvierte er im Alter von zwölf Jahren. Kuperschmidt studierte zunächst am Russischen Staatskonservatorium und in Deutschland in Karlsruhe und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. In 2006 schloss der „Russische Edelstein“, wie er in der Presse genannt wird, sein Aufbaustudium mit Auszeichnung ab. Gemeinsam mit Musiker-Kollegen tritt der Klarinettist auch in einer Klezmer-Band. „Er ist an seiner Klarinette ein einfühlsamer Erzähler, der mit der Sprache seines Instruments die Texte von Lasker-Schüler sowie die Erzählungen von Edgar M. Böhlke kommentieren wird“, heißt es in der Ankündigung für den 7. Dezember.
Die Veranstaltung beginnt um 20:00 Uhr. Karten sind im Vorverkauf unter Fritz.Fratz@gmx.net (Kulturfreunde / Dörthe Herrler) erhältlich.
Titelbild: Else Lasker-Schüler als Prinz Yussuf. (Bildquelle : Wikipedia)