Gewerkschaften wollten hoch hinaus
Von Bruno Rieb
Vor 90 Jahren baute sich der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) in Frankfurt in bester Lage ein prächtiges Haus. Es zeigt die Macht der Arbeiterbewegung, ist Beton gewordene Gewerkschaftsgeschichte. Sein Schicksal dokumentiert das Auf und Ab der Gewerkschaftsbewegung. Am 12. Juli 2021 feiert der DGB das Jubiläum seines Hauses.Ursprünglich residierte der ADGB seit 1901 in einem Haus an der Ecke Allerheiligenstraße/Stoltzestraße in Frankfurt. Schon bald nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses Haus zu klein und Ende der 1920er Jahre wurde eine neue Gewerkschaftszentrale geplant: ein neungeschossiges, 31 Meter hohes Gebäude in bester Lage im Villenviertel zwischen Untermainkai und Bürgerstraße. Es sollte das damals zweithöchste Haus der Stadt werden. Den Villenbesitzern gefielen die Baupläne nicht und sie zogen vor Gericht. Doch der ADGB setzte sich in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Frankfurt durch. Allerdings untersagte das Gericht einen Hotelbetrieb und ein Gartenrestaurant.
Provokation für das Bürgertum
Nach neunmonatiger Bauzeit wurde das Gewerkschaftshaus im Juli 1931 in Betrieb genommen, ein Stahlskelettbau mit Flachdach und etwa 4000 Quadratmetern Bürofläche, 1,7 Millionen Reichsmark teuer (umgerechnet etwa 6,9 Millionen Euro, laut Wikipedia). Das Hochhaus im Baustil der neuen Sachlichkeit mitten im Bürgerlichen Villenvirtel am Main sei „ein Zeichen des Aufbruchs und des Selbstbewusstseins der Arbeiterbewegung und zugleich eine Provokation für das Bürgertum“ gewesen, heißt es in der Einladung des DGB zur Jubiläumsveranstaltung.
Die Freude der Gewerkschaften an ihrem prächtigen Haus währte nicht lange. Die Nazis hatten ihren Siegeszug begonnen und verboten Anfang 1933 die freien Gewerkschaften. Die Deutsche Arbeitsfront der Nazis besetzt am 10. Mai 1933 das Gebäude.
Erst 1946 erhielten die neu gegründeten freien Gewerkschaften ihr Haus zurück. Die Straße, an der das Gewerkschaftshaus liegt, wurde zur Erinnerung an den Gewerkschaftsführer in Wilhelm-Leuschner-Straße umbenannt.
Bei seiner Errichtung vor 90 Jahren dominierte das Gewerkschaftshaus die Frankfurrter Skyline, nur das I.G-Fraben-Haus war mit 35 Metern vier Meter höher. Heute wir das Stadtbild der Main-Metropole von den Hochhäusern der Banken und Konzerne dominiert. Das Gewerkschaftgshaus fällt nicht mehr auf.
Zukunft des Hauses und der Gewerkschaften
Bei der Jubiläumsveranstaltung am 12. Juli wird Dieter Wesp, Vorsitzender des Vereins für Frankfurter Arbeitergeschichte, die Entstehungsgeschichte des Gewkschaftshauses schildern. Von „Innenleben und Außenwirkung ab den 90er Jahren“ erzählt Harald Fiedler, der von 1995 bis 2016 Frankfurter DGB-Chef war und um den Fortbestand der hessischen DGB-Zentrale kämpfte. Er erreichte, dass die neu gegründete Mammut-Gewerkschaft Verdi einzog. Heute ist das Gewerkschaftshaus Sitz des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen und Region Frankfurt-Rhein-Main sowie des Bezirks Frankfurt am Main und Region der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi). Der neue Frankfurter DGB-Chef Philipp Jacks spricht über „Gewerkschaften und Haus mit Zukunft“, und zwar mit Ausrufezeichen.
Die Jubiläumsveranstaltung „90 Jahre Frankfurter Gewerkschaftshaus“ beginnt am Montag, 12. Juli 2021 um 19 Uhr im DGB-Haus, Wilhelm-Leuschner-Strße 69-77, 60329 Frankfurt. Coronabedingt dürfen nur etwa 30 Personen in den großen Saal. Anmeldung per E-Mail an Frankfurt-Main@dgb.de. Die Veranstaltung wird allerdings im Internet öffentlich unter dgb-frankfurt.de/90Jahre übertragen. (Der Link wird erst einige Tage vor der Veranstaltung aktiviert).