Jugendstilbad und Mühlenmodelle
Von Corinna Willführ und Bruno Rieb
Hohe Ehre für die Friedberger Hallenbadfreunde: Am Samstag, 10. September 2016, eröffnet Hessens Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein (CDU) im Alten Hallenbad den Hessischen Denkmaltag. Es ist das Beispiel für kollektive Denkmalrettung. Weitere Highlights in der Wetterau: In Niddaer Ortsteil Michelnau kann der Steinbruch besichtigt werden und im Ranstädter Ortsteil Bellmuth präsentiert Manfred Egloff seine Mühlenmodelle und .
Bürgerschaftlicher Gemeinsinn
„Zusammen ist man weniger alleine – gemeinsam Denkmäler erhalten“ ist das Motto des diesjährigen Denkmaltags. Die Hallenbadfreunde in Friedberg setzen es beispielhaft um: gemeinsam retten sie das über 100 Jahre alte Jugendstilbad indem sie es zum Theater umbauen. Es wird gerettet wie es 1909 errichtet wurde: durch Initiative der Bürger. Private Stiftungen hatten den Bau damals erst möglich gemacht. Das Gebäude sei „nicht zuletzt ein Denkmal bürgerschaftlichen Gemeinsinns“, würdigt die Denkmaltopographie für die Bundesrepublik Deutschland.
Das Programm
Boris Rhein eröffnet den Denkmaltag am Samstag, 10. September 2016, im Alten Hallenbad, Haagstraße 29. Die Veranstaltung beginnt um 16 Uhr mit dem Vokalensemble „LaCapella“. Es folgen Grußworte von Uli Lang, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde Theater Altes Hallenbad“ und Bürgermeister Michael Keller (SPD). Um 16.20 Uhr ist Boris Rhein an der Reihe, anschließend spricht Markus Harzenetter, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen. Um 16.45 Uhr präsentieren die Wetterauer Slam-Poeten Thorsten Zeller, Dominik Rinkart und Andreas Arnold Bühnenlyrik zum Motto „Gemeinsam statt einsam“. Zum Thema „Denkmäler zum Schwingen bringen – die Aktion ‚Hör-mal‘ im Denkmal“ spricht um 17.15 Uhr Bettina Riehl, Referentin der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. Die Veranstaltung endet um 17.20 Uhr mit einem Chor aus „Fidelio“.
Am Sonntag, 11. September 2016, werden im Alten Hallenbad von 11 bis 18 Uhr Führungen angeboten. Außerdem ist an diesem Tag von 13 bis 17 Uhr im Garten den Friedberger Burg die Aktion „Friedberg zum Anbeißen“. 50 Sitzplätze an betuchten und dekorierten Kaffeehaustischen mit Blick auf den Adolfsturm direkt am nördlichen Eingang, laden zum Verweilen ein. Hackauff`s Gemüsesuppen und Mörler`s Blechkuchen mit saisonalem Obst aus der Wetterau stehen auf der Karte des „Burggarten-Cafés“. Eric Herrmannsdörfer, Geschäftsführer und ausgebildeter Kaffeesommelier der in Friedberg ansässigen Firma Barista, baut seine mobile Bar auf und kredenzt italienische Kaffee-Köstlichkeiten. Kjetil Dahlhaus bietet unter seiner Marke „Born in the Wetterau – my local stöffche“ nicht nur Apfelwein pur, sauer, süß-gespritzt oder ganz gewagt mit Cola, sondern auch eine eigene Apfelsaftschorle an. Die Hochbeet-Paten zeigen von 14 bis 15 Uhr an ihren hochgestellten Beeten, was man so Schmackhaftes mit dem in den letzten Monaten gezogenem Gemüse, Obst oder Kräutern anstellen kann. Der Adolfsturm der Burg ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet, um 12 und um 16.15 Uhr beginnen hier die Führungen „Denkmalschutz und Denkmalnutzung“. Eine Führung durch den „Fürstenbahnhof“, Hanauer Straße 42, ist um 14.30 Uhr. Alle Veranstaltungen sind kostenlos und können ohne Anmeldung besucht werden.
Steinbruch Michelnau: Ein Fenster in die Erdgeschichte
Blaugrauer Basalt ist das Gestein, das den Vogelsberg – vor Millionen Jahren ein Vulkan – prägt. Das Gestein im Steinbruch des Niddaer-Stadtteils Michelnau, ebenfalls im Tertiär entstanden, ist indes rot und gilt in seiner Farbe und Struktur in Europa als einzigartig. Über 150 Jahre bis in die 1990er Jahre wurde das poröse Erdmaterial dort abgebaut. 2010 kümmern sich die Freunde des Steinbruchs Michelnau um den Erhalt dieses Denkmals der Industriekultur – das mit seiner vielfältigen Flora auch ein interessanter Ort für Botaniker ist.
Am Wingertsberg am Rande des Niddaer Stadtteils Michelnau befindet sich ein Ort, der europaweit einzigartig ist: der Michelnauer Steinbruch mit seinem roten Basalt. Bis zu 30 Meter hinauf ragen die roten Basaltwände, steht man auf dem Abbaugelände. „Noch immer ist viel davon erhalten, was zusammen als Industriekulturdenkmal unter Schutz gestellt wurde: Gebäude, Geräte, Abbauspuren an den Wänden“, erklärt Lothar Noll, Vorsitzender des Vereins der Freunde des Michelnauer Steinbruchs. Seit 2010 ist es dessen Anliegen, das Denkmal der Industriekultur zu erhalten und seine Geschichte der Öffentlichkeit publik zu machen. Bei Führungen für interessierte Gruppen – und zum Tag des offenen Denkmals für die Öffentlichkeit. Führungen, die nicht nur für Geologen, Vulkanologen oder Kulturhistoriker interessant sind, sondern auch für Botaniker, hat sich doch nach dem Ende der Produktion eine Vielfalt von Pflanzen das Areal (zurück)erobert.
Der letzt Derrik-Holzkran in Betrieb
Zwar lässt sich auch von oben – auf einem ausgeschilderten Pfad, der auf eigene Gefahr zu begehen ist, ein Eindruck von dem Gelände gewinnen, doch das „Innere“ des Steinbruchs kann nur mit Führungen erkundet werden. Führungen, die sich lohnen. „Denn wir haben hier den letzten noch in Betrieb befindlichen Derrick-Holzkran Deutschlands“, sagt Lothar Noll. Wie er funktioniert, ist am Sonntag, 11. September 2016, zum Tag des offenen Denkmals zu erleben. Ebenso, wie zu Produktionszeiten ein Schrämmschwert beim Abbau des Gesteins zum Einsatz kam. Sigrid und Klaus Straßheim stellen zu dem besonderen Anlass ihre Fotoaufnahmen aus und von dem Steinbruch aus. Und Kinder können sich an dem porösen Material ihre Fähigkeiten als „Steinhauer“ testen. Gruppen, die sich für eine Führung außerhalb des Tages des offenen Denkmals interessieren, sind herzlich willkommen. „Sie sind sehr nachgefragt“, so der Vereinsvorsitzende der Freunde des Steinbruchs Michelnau. Schließlich gibt es während dieser auch ein ganz besonderes Filmdokument des Hessischen Fernsehens aus dem Jahr 1961 zu sehen, das von der damaligen Produktion berichtet.
Der Michelnauer Steinbruch ist zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 11. September 2016 von 10.30 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen um 10.30 und 13.30 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, gutes Schuhwerk empfehlenswert.
www.steinbruch-michelnau.de
Mühlen erzählen Geschichte
Am Sonntag sollen die Murmeln rollen, wenn Manfred Egloff aus Ober-Mockstadt zum Tag des offenen Denkmals erstmals seine Kugelmühle präsentiert. Die Inspiration für sein aktuelles Mühlen-Modell hat der 67-Jährige über eine Fernsehsendung bekommen. „Da hat man gesehen, dass Kugelmühlen in Bad Reichenhall immer noch in Betrieb sind.“ Ausgefeilte mechanische Konstruktionen, die allein mit Wasserkraft und ständiger Bewegung Felsbrocken in Steinkugeln verwandeln. In Steinkugeln, die zum Beispiel als Dekoration in Gärten verwendet werden.
Rund 30 Mühlen-Modelle hat Manfred Egloff in den vergangenen Jahren mit oft einfachsten Mitteln gebaut. So hat er schon mal die aufgesägten Teile einer Blechdose zu Schaufelrädern umfunktioniert. Ein detailgetreuer Maßstab, ist nicht das Maß für den Hobby-Modellbauer. Für ihn gilt: „Sie müssen funktionieren.“ Sei dies der Nachbau einer Elbschiffsmühle um 1780, des Schwalheimer Rads (heute noch zu sehen im gleichnamigen Bad Nauheimer Stadtteil) oder einer persischen Windmühle.
38 verschiedene Mühlen-Typen, sagt der Autodidakt habe es einst in hiesigen Breiten gegeben. „Weltweit sind es etwa 180.“ Das Prinzip, das sie unterscheidet, ist die Energie, mit der sie angetrieben werden: Wasser, Wind oder „Muskelkraft“. Wobei „Muskelkraft“ einst die von Esel, Ochse, manchmal auch Pferd bedeutete, auf dass aus Korn Mehl gemahlen werden konnte. Doch die Mühlen vergangener Zeiten dienten nicht nur dem Müller, sondern auch der Produktion von Öl oder der Papierherstellung. Zudem der Energiegewinnung. Wie heute die Windkraftanlagen.
Von Windrädern, Hammerschmieden und Flutermühlen
Wenn der gelernte Kaufmann, der viele Jahre als Selbstständiger einen Getränkevertrieb hatte und aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in seinem Beruf arbeiten konnte, seine Modelle in einer Ausstellung zeigt, sind sie immer mit Informationstafeln verbunden. Auf denen man lesen kann, dass Flutermühlen zum Entwässern der Polder in Norddeutschland benutzt wurden. Dass das erste Western-Windrad von Daniel Halladay 1854 entstand, dass Hammerschmieden einst im Eisenerzabbau im Vogelsberg den Menschen zu Diensten waren. Oder dass Handdrehmühlen bereits von den Kelten und Römern benutzt wurden. „Und niemals gepfändet werden durften, weil sie überlebensnotwendig waren.“ Die Handmühle und der Reibstein, sagt Manfred Egloff „sind gerade für Kinder immer wieder ein Anziehungspunkt.“
„Wetterpilot“ für den Hessischen Rundfunk
Wenn der Ober-Mockstädter seine Modelle „live“ präsentiert, ist es der Wasserstand, der entscheidend ist. Sei es der des Eichelbachs oder des Laisbachs. Bei dem Modellbau von Windmühlen kommen dem Rentner seine, ebenfalls autodidaktisch erworbenen Kenntnisse als Hobby-Meteorologe zugute. Gibt Manfred Egloff doch regelmäßig die in Ober-Mockstadt gemessenen Daten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Wolkenbildung an den Hessischen Rundfunk weiter. Früher als „Wetterfrosch“ für HR4 „da waren wir live auf Sendung“, heute als „Wetterpilot“ für HR1. Ehrenamtlich engagiert sich der 67-Jährige auch als Botschafter der TourismusRegion Wetterau. Die Posaune, die er vor Jahren im örtlichen Musikverein spielte, hat zurzeit Ruh. Nicht aber Kohle, Farben oder Kamera, zu denen er greift, wenn er nicht gerade an einem neuen Mühlenmoll bastelt: Um Szenen und Bilder aus seiner Heimat festzuhalten – und auch in Ausstellungen zu präsentieren.
Dafür wird er sicherlich bis zum 11. September wenig Gelegenheit haben. Denn zum Tag des offenen Denkmals wird Manfred Egloff in Bellmuth im Wasser stehen. Dieses Mal im Laisbach, wird allen Interessierten erläutern, was so faszinierend ist an den Mühlen und ihrer Geschichte. Für Mitte November ist eine Vitrinen-Ausstellung mit seinen Arbeiten im Friedberger Kreishaus geplant.
Die Freiluft-Vorführung „Mühlen im Wandel der Zeit – 10.000 Jahre Mühlengeschichte“ zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 11. September kann man sich an der unteren Brücke in Bellmuth ansehen. Das Angebot gibt es parallel zur Präsentation der um 1731 erbauten Kapelle mit den Wandmalereien eines unbekannten Bauernmalers sowie dem 200 Jahre alten Backhaus, über die Kathrin und Andreas Kohl informieren.
Noch mehr über Mühlen kann man in der Mühlen-Modellausstellung des Kulturvereins in Ranstadt-Dauernheim, Weidgasse 12, erfahren. Sie ist – wie noch an jedem ersten Sonntag im Monat bis Dezember – auch zum Tag des offenen Denkmals von 13 bis 17 Uhr geöffnet.