Bad Salzhausen

Die Södergeschichte

Von Elfriede Maresch

Saro Vohl und Gerhard Welzig erforschen die Södergeschichte von Bad Salzhausen. Am Sonntag, 5. Mai 2024, bieten sie eine Führung zur Geschichte des Söder- und des Bäderwesens an.

Den Kurbetrieb ins Bild gesetzt

Lässt sich die grüne Weite des Kurparks als „Industrierevier“ denken? Abgerissene Gebäude, restlos abgeräumte Produktionsstätten – sind sie für immer im Nichts verschwunden? Auf faszinierende Art machen Saro Vohl und Gerhard Welzig Salzhausens Södergeschichte wieder anschaulich.

Computeranimation des Siedehauses. Gestützt auf historische Fachliteratur hat Saro Vohl den Zweckbau von 1776 rekonstruiert.

Das Ehepaar hat in umfangreichen Recherchen und mit Unterstützung von Gerhard Erk, Aktivist des Vereins Heimatmuseum Nidda e.V., Informationen zur Söderzeit zusammengetragen. Saro Vohl verwandelt mit Hilfe des open source-Konstruktionsprogramms Blender diese Befunde in dreidimensionale Bilder, nimmt Betrachter zu einem virtuellen Spaziergang durch historische Salzgewinnungsanlagen mit. Selbst den bescheidenen Beginn des Kurbetriebs hat sie ins Bild gesetzt: Salinenrat Karl Friedrich Langsdorf durfte Anfang des 19. Jahrhunderts auf eigene Kosten eine Bademöglichkeit in einem der Siedhäuser einrichten – der Blick in eine schmale Kammer mit einem einzigen Holzzuber tut sich auf.

Führungen durch die Söderzeit

Für Welzig und Vohl ist die Bezeichnung „Neubürger“ ist nicht ganz glücklich. Sie wohnen zwar erst seit gut fünf Jahren dauerhaft hier, aber der Kurort ist ihnen zur zweiten Heimat geworden und sie bringen sich engagiert ein, etwa beim Weihnachtsmarkt. Gerhard Welzig ist Mitglied des Ortsbeirats, gehört dem Vorstand des Vereins „Freunde der Landesgartenschau“ an, beide sind Mitglieder im Verein „Denkmal Bad Salzhausen“. Gemeinsam bieten sie seit der Saison 2022/23 historische Ortsführungen an. Man muss von „Führungen der besonderen Art“ sprechen, denn Welzigs berufliche Qualifikation fließt dabei ein: er ist Maschinenbau-Ingenieur mit dem Schwerpunkt Anlagenbau und Schmelztechnik und arbeitet in einem entsprechenden französischen Produktionsbetrieb. Als das Ehepaar im vergangenen Jahr mehrfach unterschiedliche Anfragen zu Führungen durch Salzhausen bekam, entwickelten sie die Idee zu gruppenorientierten Formaten. Die Wandlungen des Kurwesens im Oberen, die Entwicklung der Södertechniken, der „industriellen zweieinhalb Jahrhunderte“ des Ortes im Unteren Kurpark werden vorgestellt. Das geschah zum Beispiel am Tag des offenen Denkmals und ihre Führungen fanden auch Eingang in das Programm der „Tage der Industriekultur RheinMain“.

Saro Vohl kann mit Unterstützung der Kirchengemeinde, deren Vorstand sie angehört, ihre Rekonstruktionen und Gebäudedarstellungen in einem Raum des evangelischen Gemeindezentrums, Justus Liebigs ehemaligem Labor, zeigen. „Etwas zum Bild werden lassen, was nicht mehr ist“ – dieser Gedanke fasziniert Saro Vohl. Sie hat Germanistik und evangelische Theologie studiert, war fast zwei Jahrzehnte Deutsch- und Religionslehrerin an einem Kronberger Gymnasium und ist jetzt an der Hessischen Lehrkräfteakademie für die Weiterbildung der UBUS-Kräfte tätig (unterrichtsbegleitende Unterstützung durch sozialpädagogische Fachkräfte). Ihre Rekonstruktionszeichnungen entstehen auf der Basis akribischer Recherchen und der Nutzung historischer Literatur, etwa der Werke des frühneuzeitlichen „Vaters der Metallurgie“ Georg Agricola oder – in näherer Beziehung zu Bad Salzhausen – Johann Wilhelm Langsdorfs „Ausführlichere Abhandlung zur Anlegung, Verbesserung und zweckmäßiger Verwaltung derer Salzwerke nebst einem Anhang von denen Rechten und Befugnissen eines Landesherrn auf Salzquellen und auf den Alleinhandel des Salzes“ von 1781. Ebenso werden aktuelle Publikationen genutzt, etwa Jürgen Dauernheims „Kurz gefasste Geschichte Oberhessens“. Beiden Ehepartnern gemeinsam ist die Wertschätzung von digital frei zugänglichem Kulturerbe, etwa den Beständen der Deutschen Nationalbibliothek.

Grüner Park als Industrierevier? Saro Vohls Planrekonstruktion führt in die Blütezeit der Salzgewinnung.
Keine idyllische „gute alte Zeit“

Was ist auf Saro Vohls „virtuellem Spaziergang durch die Söderzeit des 17. bis 19. Jahrhunderts“ zu sehen? Johann Wilhelm Langsdorfs ab 1776 erbautes Siedhaus, Lagepläne der damaligen Saline mit sieben Gradierbauten, Ortsansichten in alten Kupferstichen und Zeichnungen, die gemauerte Unterkonstruktion der Siedepfannen, die mit massiven Pfannen- und Bordhaken am darüberliegenden Pfannenbaum befestigt sind, deren einer sich im Ortswappen wiederfindet, der Aufbau der großen Siedepfannen, von denen eine 19 Fuß, 3,5 Zoll lang, 14 Fuß, 1 Zoll breit, also fast sechs Meter lang und vier Meter breit war, die Nebenräume zum Nachtrocknen des Salzes, das Salzlager, die Sicht auf die ganze Anlage bei abgehobenem Dach, die Einbettung des Siedhauses in das industrielle Gebäudeensemble des Unteren Kurparks. Fazit der beiden historischen Spurensucher: „Damals war eine Welt der mühsamen körperlichen Arbeit – von idyllischer `guter alter Zeit´ keine Spur!“

Saro Vohl und Gerhard Welzig konnten noch lange nicht alle Geheimnisse von Salzhausens Vergangenheit entschlüsseln. Etwa: Wie konnten in den Siedhäusern 10.000 Liter Sole in die Siedpfannen gepumpt werden? Waren die Soleleitungen unter- oder überirdisch verlegt? Hatte das Siedhaus Fensterläden, um es in der Ruhezeit im Winter abzusichern? „Idyll Bergwerksteich“: Wo ist der Hauptförderschacht des Untertage-Bergwerks hin verschwunden? Gibt es noch ein Exemplar des fossilen Froschs „Rana salzhausensis“ in irgendeiner Sammlung? Welzig und Vohl freuen sich über Hinweise, historisches Material oder Erinnerungen von Senioren.

Der Salzhäuser Heimatforscher Otto Lentz („Bad Salzhausen in alter und neuer Zeirt“, 1970) fand im Buch von Johann Wilhelm Langsdorf genaue Daten einer Probesiedung vom 20. September 1779. Insgesamt 15.750 Liter mit 16-lötiger (16-prozentiger) Sole wurden in einem 60-stündigen Siedeprozess verdampft. Mehrere Söderknechte waren im Einsatz, der Gesamtpersonalaufwand betrug 182 Arbeitsstunden. Zehn Raummeter Holz waren dazu nötig. Das Ergebnis bestand aus 21 Zentner Vorschuss, dem wertvollsten Salz, 17 Zentnern Nachsalz und einen halben Zentner Vieh- bzw. Bittersalz. 2020 kalkulierte Gerhard Welzig die Betriebskosten durch, kam auf 850 Euro für das Brennholz, bei einem Stundenlohn von 20 Euro auf 3.640 Euro Lohnkosten und damit auf einen Salzpreis von 2,36 Euro pro Kilo – nur zur Kostendeckung. Trotz Inflation und Energiekrise liegt 2024 der Preis selbst bei Jodsalz deutlich darunter!

Am Sonntag, 5. Mai führen Saro Vohl und Gerhard Welzig auf einer Exkursion zur Geschichte des Söder- und des Bäderwesens durch Bad Salzhausen. Treffpunkt ist um 14 Uhr vor der Kur- und Touristikinfo, Quellenstraße 2. Voranmeldung dort ist empfehlenswert (06043-96330).

Titelbild: Saro Vohl und Gerhard Welzig rekonstruieren Bad Salzhausens Söder- und Bädergeschichte. (Foto: Maresch)

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