Daniel Schreiber

Im Alleinsein nicht allein

von Jörg-Peter Schmidt

Im ausverkauften Gießener Kulturkeller „Ulenspiegel“ sprang bei der Lesung von Daniel Schreiber der Funke zwischen dem Autor und den etwa 120 Zuhörerinnen und Zuhörern sofort über. Offensichtlich interessiert das Thema seines Buches „Allein“ sehr viele Menschen – nicht nur wegen der Pandemie.

Gedanken über die Einsamkeit

Zwar geht der Schriftsteller, der aus Mecklenburg-Vorpommern stammt und heute in Berlin wohnt, durchaus auf durch Lockdowns bedingte Einsamkeit ein. Aber er beschäftigt sich in seinem im Hanser-Verlag erschienenen Essay auch mit anderen Bedingungen, die Einsamkeit verursachen: Beendete Beziehungen oder der Verlust eines Freundes. Nicht wenige Leute möchten aber allein leben.

Moderatorin schuf einfühlsam eine Brücke

In der Veranstaltung des Literarischen Zentrums Gießen (LZG) stellte die Gießener Kulturjournalistin, Übersetzerin und Theaterkritikerin Sabine Heymann, die einfühlsam eine Brücke zwischen dem Schriftsteller und dem Publikum schuf, zunächst den Gast des Abends vor. Der 1977 geborene Autor ist auch als Journalist erfolgreich, in Beiträgen unter anderem in der taz, in der Zeit, in den Magazinen Monopol und Cicero  oder im Hörfunk auf Deutschlandradio Kultur, ebenso im Netz.  In seinen bisherigen Büchern beschäftigte er sich beispielsweise mit der renommierten US-amerikanischen Autorin Susan Sontag,  in „Nüchtern“ mit dem “Trinken und dem Glück“ sowie  in „Zuhause“  unter anderem mit seiner Homosexualität, die in „Allein“ ebenfalls thematisiert wird.

Oft werden Alleinstehende nicht ernst genommen

Zum Thema Alleinsein zitierte Sabine Heymann aus einer (in dem im „Ulenspiegel“ präsentierten Buch als Fußnote enthaltenen) Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2019, wonach 17,3 Millionen Menschen in Deutschland in einem Einzelhaushalt leben. Sowohl der Schriftsteller als auch die Moderatorin wiesen darauf hin, dass Alleinstehende von vielen Menschen nicht ausreichend oder gar nicht respektiert werden. Der Zwischenapplaus des Publikums für diese Kritik zeigte,  dass solche Negativerfahrung kein seltenes Phänomen  ist.   

Man kann auch als Alleinstehender Momente genießen

In den drei Kapiteln, aus denen der mit dem Mannheimer Literaturpreis (2. Platz) ausgezeichnete Autor las, verdeutlichte Daniel Schreiber auch, dass man im Alleinsein Momente genießen kann, wenn man die Augen weit öffnet.  Diese wunderbaren Augenblicke  hat er sich – trotz so mancher trauriger Zeiten für ihn  – selbst beschert. Er wirft allerdings niemandem vor, wenn er halt nicht die Phantasie und Begabung hat, sich selbst mit sich zu beschäftigen und im Alleinsein kreativ ist.

Von der Schönheit der Gärten

Wie also begegnet der Erfolgsautor der Gefahr, sich seelisch herunterziehen zu lassen, wenn das Alleinsein eine gewisse Panik bzw. Traurigkeit mit sich bringt? Den Kopf frei bekommt er etwa durch das Wandern, der Begegnung mit der Natur. Apropos Natur. 

Daniel Schreiber liebt Gärten, besucht gern berühmte Anlagen wie die von Piet Oudolf (hier der Gräfliche  Garten Bad Driburg).  (Fotoquelle: Wikipedia, Christopher Figge).

In „Allein“, das keineswegs wie eine Ratgeberbroschüre geschrieben ist, offenbart er seine Liebe zu Gärten. Freunden hilft er, ihr Grundstück  mit vielerlei Pflanzen liebevoll umzugestalten. Und er freut sich jedes Mal aufs Neue, wenn er in Bornim bei Potsdam den beindruckenden Garten des Staudenzüchters Karl Foerster anschauen kann.

Wie er schreibt, liebt er es, in Versailles stundenlang  durch Jean-Baptiste de la Quintinies „Potager du roi“ spazieren  gehen (diese phantastische Gartenanlage wurde im Auftrag des Sonnenkönigs Ludwig XIV angelegt). Er schätzt „die wilde Schönheit“ der Gärten des Niederländers Piet Oudolf. Im Übrigen findet Daniel Schreiber Seelenruhe beim Stricken oder auch bei Yoga.

Freundschaften spielen eine bedeutende Rolle

Und da sind die Freundschaften, die in guten und  schlechten Zeiten Stabilität verleihen können. Sie spielen eine große Rolle im Leben Daniel Schreibers, der Freundschaften als sehr wichtig empfindet,  aber im Kapitel „Uneindeutige Verluste“ zu bedenken gibt: „Ich versuchte auch, mich von der Vorstellung zu verabschieden, dass meine Freundinnen und Freunde so etwas wie eine fehlende Liebesbeziehung sein könnten, dass meine Freundschaften mich vor dem Alleinsein retten würden.“ Aber  schon wenige Zeilen später macht er sich wieder selbst Mut – eine Eigenschaft, die er offensichtlich nie verliert und  ihn stark macht: „Langsam begann ich, das Strickstück meines Lebens aufzutrennen, um aus dem Faden etwas Neues zu machen. Ich wusste nur nicht, was.“

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Wer spätestens jetzt auf das Buch neugierig geworden ist: Es ist, wie bereits erwähnt, beim Hanser-Verlag erschienen, kostet 20 Euro und ist auch als Hörbuch bei Fine Voices erhältlich.

Titelbild: Der Autor Daniel Schreiber und die Moderatorin Sabine Heymann freuten sich, dass die Resonanz beim Publikum sehr gut war. (Foto: Jörg-Peter Schmidt)

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