Coronessen

Blick in die Küche

Von Klaus Nissen

Corona wirkt sich seit neun Monaten auf fast alle Bereiche unseres Lebens aus. Der Neue Landbote hat sie seit März 2020 beschrieben. Im Januar 2021 beleuchtet nun eine ganze Serie den Einfluss der Epidemie auf unsere Ernährung. Gekocht und gegessen wird fast nur noch zu Hause. Wir führen hier ein sehr subjektives Tagebuch über den Einkauf, die Kosten und das mehr oder weniger gelungene Selfmade-Essen. Und freuen uns sehr über manierliche Kommentare und Beiträge unserer Leserinnen und Leser. Den Anfang macht – natürlich – das tägliche Brot.

Das Brot kommt nicht mehr vom Bäcker

Es gibt kaum etwas Schöneres, als morgens in ein frisches Käsebrot zu beißen. Allerdings habe ich dabei als gebürtiger Norddeutscher in der hessischen Diaspora ein Problem. Woher bekomme ich ein echtes, frisches Vollkornbrot? Also ein möglichst dunkles, malziges Gebäck mit ganzen Körnern, die so weit durch sind, dass sie einem nicht die Plomben knacken?

Das erste selbstgebackene Brot meines Lebens.

Die Hessen halten – mit Verlaub – hellbraune Teigpampe für echtes Vollkornbrot. Vollkornbrot hat ganze Körner, keine geschroteten. Solche Brote gibt es südlich von Göttingen nur sehr vereinzelt. Beispielsweise als in Cellophan verschweißte und mit Konservierungsstoffen imprägnierte Importware aus Niedersachsen. Oder als misslungenen Feldversuch. Ein Wetterauer Bäcker, der in der Eigenwerbung seiner Backkunst ein hohes Lied singt, hat zwar Brote mit vollem Korn ins Regal gelegt, doch beim Anschneiden bricht das Innere in Bröseln aus der Kruste heraus. Es ist schlicht nicht lange genug „gegangen“ – so fehlt der innere Zusammenhalt, und das Frühstücksbrot zerbröselt dem Kunden unter den Fingern. Sehr ärgerlich.

Hessen tun sich mit Körnern schwer

Eine Biobrot-Kette bietet ebenfalls Vollkorn-Laibe an, die erstmal manierlich aussehen. Sie werden auf alten Dachziegeln geformt und sind nach der Hitze unverwechselbar und vor allem an den dünnen Krustenseiten derart hart, dass man sie vor Genuss wässern oder mit dem Meißel bearbeiten muss. Ich habe allerdings nur ein Probeexemplar erstanden, dessen Inneres mir beim Anschnitt ebenfalls entgegen bröselte. Nie wieder!

Als Licht in der Brotwüste ist an dieser Stelle die Filialkette Moos zu loben („Ohne Moos nichts los“). Denn an drei oder vier Tagen der Woche bietet sie wohlgeratene und schmackhafte Vollkornbrote feil, die keine fünf Euro kosten und sogar ein ganzes Kilo wiegen. Moos setzt damit den Kontrapunkt zum allgemeinen Verkauf von Minibroten. Nahezu alle Läden bieten immer häufiger einpfündige Laibchen an, die als bessere Brötchen anzusehen sind, aber deutlich teurer sind. Vielleicht ist das nicht nur dem Gewinnstreben geschuldet, sondern auch dem Irrglauben vieler Hessen, dass man jeden Tag ein neues Brot brauche. Werch Illtum! Denn in Wirklichkeit braucht Brot Zeit! Im richtigen Behältnis – bei mir ist es ein 80-jähriger Porzellankasten mit Kanten aus Birkenholz – hält sich ein Laib fast eine Woche lang frisch.

Warum macht man das Brot nicht selber?

Länger noch tun dies die legendären Vollkornbrote des Untergrundbäckers H., die dieser Mann seit Jahrzehnten regelmäßig persönlich seinen Kunden ins Haus bringt. Das stets ohne Bon ausgelieferte Gebäck zeigt zeigt erst in der zweiten Woche eine Tendenz zum Austrocknen, ist dann aber immer noch als Hartbrot genießbar und nach weiteren Wochen sogar unbegrenzt als Notvorrat oder für Expiditionen verwendbar. Trotzdem habe ich dieses Brotabo eines Tages gekündigt, weil die Vollkorn- und die Sonnenblumen-Variante so nahrhaft war, dass ich nicht mehr zum Kauf anderer Brote kam. Und das wurde auf Dauer zu eintönig.

Doch warum sollte man Brote immer kaufen? Erst im siebten Lebensjahrzehnt kam mir der Gedanke, selbst einmal ein Brot zu backen. Die Schwägerin hatte ihren teuren Backautomaten vorgeführt, der tatsächlich leckere Exemplare ausbrütet. Ich begnügte mich für den Anfang mit dem Kauf einer Fertigbackmischung aus Bad Wimpfen, die im Supermarkt für gerade mal 59 Cent zu haben ist. Trockenhefe ist schon drin. Ich rührte den Teig an, klatschte ihn aufs Blech und schob ihn in den Ofen. Keine Stunde später kam das hier abgebildete Exemplar heraus und war ruckzuck aufgegessen. Es hat zwar keine vollen Körner – aber die werde ich in den folgenden Experimenten selber hinzufügen, neben anderen Zutaten, die mir gerade kommod erscheinen. Ein ganz neues Betätigungsfeld!

Ein Gedanke zu „Coronessen“

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