Puttrich und Kartmann hören auf
Bei der hessischen CDU steht ein Generationswechsel davor. Nach dem Innenminister Peter Beuth und dem langjährigen Landtagspräsidenten Norbert Kartmann kündigte am 20. Dezember 2022 auch die Europaministerin Lucia Puttrich ihren Rückzug aus der Landespolitik an. Ihre Nachfolge ist ungewiss.CDU: Landtag ohne Puttrich und Kartmann
Überraschend hat die Hessische Europaministerin Lucia Puttrich am Dienstag, 20. Dezember 2022 ihren Rückzug aus der Landespolitik angekündigt. Zunächst werde sie „alle politischen Ämter, für die ich gewählt wurde, selbstverständlich fortsetzen und mit ganzer Kraft bis zum Ablauf der jeweiligen Wahlzeiten ausüben.“ Doch nach der Landtagswahl im September 2023 will sie aufhören.
Zur Begründung schrieb die 62-jährige CDU-Politikerin: „Im Laufe der Zeit durfte ich viel Erfahrung sammeln, viel gestalten und glaube, dass der Zeitpunkt gekommen ist, um neuen Kräften Gelegenheit zu geben, politisch zu starten.“
Für die Zeit nach dem Mandat erklärte die WetterauerCDU-Kreisvorsitzende, dass sie sich nach wie vor für die Gemeinschaft und den Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen werde. „Nur nach fast 30 Jahren eben nicht mehr im politischen Hauptamt, sondern ehrenamtlich. Alles hat seine Zeit“, begründete die Wetterauer CDU-Kreisvorsitzende ihre Entscheidung.
Schon der Vater war im Landtag
Schon als Kind erfuhr sie, wie Politik funktioniert. Ihr Vater Arnold Spruck (1934-2013) war Präsident der Handwerkskammer Wiesbaden, der CDU Mittelstandsvereinigung in Hessen und von 1976 bis 1991 einflussreicher CDU-Landtagsabgeordneter. Seine in Nidda aufgewachsene Tochter studierte Jura und Betriebswirtschaft. Mit 24 Jahren wurde sie 1985 Stadtverordnete in Nidda. Ab 1988 leitete sie gemeinsam mit ihrem Mann Hagen Puttrich dessen Papierfabrik im Stadtteil Ober-Schmitten.
1995 wurde Lucia Puttrich zur ersten direkt gewählten Bürgermeisterin in ihrer Heimatstadt Nidda. Bei der ersten von zwei Wiederwahlen erhielt sie 71,7 Prozent der Stimmen – genug, um sich für höhere Ämter zu qualifizieren. 2009 wechselte Puttrich in den Bundestag, ließ sich aber ein Jahr später als Umweltministerin nach Wiesbaden abwerben. Seit 2014 ist sie dort Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten.
Zusätzlich ist Puttrich im Bundesvorstand der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU, außerdem Mitglied des CDU-Bundesvorstands und stellvertretende Landesvorsitzende. Auf Kreisebene leitet die die Wetterauer CDU und gehört zu den Schöpfern der schwarz-roten Koalition unter Landrat Jan Weckler (CDU).
Norbert Kartmann geht Ende 2022
Schon zum Jahresende 2022 verlässt Puttrichs politischer Weggefährte Norbert Kartmann den Hessischen Landtag. Der 73-jährige Nieder-Weiseler erklärte Anfang Dezember seinen vorzeitigen Rückzug.
Der Schritt geschehe aus gesundheitlichen Gründen. Kein Politiker könne für alle Menschen das Maximum erreichen, aber die Bürgerinnen und Bürger könnten erwarten, dass die Politiker ihr Bestes versuchen. „Da ich das leider nicht mehr kann, ist es an der Zeit, mein Mandat niederzulegen und in andere Hände zu geben.“
Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, so Kartmann, und auch die Frage des Zeitpunkts sei schwierig gewesen. „Meine Familie hätte einen früheren Ausstieg begrüßt, aber es gab offene Aufgaben, die ich noch für meine Wählerinnen und Wähler erledigen wollte.“
Norbert Kartmann stammt aus einer Familie, die von Siebenbürgen nach dem Zweiten Weltkrieg in die Wetterau kam. Er arbeitete als Lehrer, bevor er in die Politik ging. In den Landtag kam er als Nachrücker für fünf Monate Ende 1982, dann dauerhaft ab 1987. Von 1999 bis 2003 war Kartmann Chef der CDU-Landtagsfraktion und von 2003 bis Anfang 2019 – also über 15 Jahre lang – der Präsident des Hessischen Landtags. Parallel wirkte er ehrenamtlich als Ortsbeiratsvorsitzender, Stadtverordneter und Stadtverordnetenvorsteher in Butzbach, als ehrenamtlicher Stadtrat und als Kreistagsabgeordneter.
Schlaganfall setzte Kartmann zu
Parallel zu den Abschieds-Ankündigungen würdigte der Wetterauer CDU-Kreisverband das Wirken von Puttrich und Kartmann. Letzterer sei trotz seiner hohen Ämter „immer einer von der Basis“ geblieben, so die Geschäftsführerin Rebecca Menzel. „So half er heute er einem lokalen Unternehmer weiter, und morgen begleitete er einen ausländischen Mitbürger beim Gang zur Behörde, bevor er sich tags darauf wieder für die internationale Verständigung einsetzte.“
Die Wetterauer Union habe sich sehr gefreut, als Norbert Kartmann sich nach seinem Schlaganfall Mitte 2019 zurückkämpfte und sein Mandat wieder ausüben konnte. Lucia Puttrich: „Wir haben aber auch volles Verständnis und großen Respekt für seine jetzige Entscheidung, sein Mandat niederzulegen. Gleichzeitig sind wir froh, dass uns Norbert Kartmann als Ehrenvorsitzender der CDU Wetterau auch weiterhin im Kreisvorstand mit seinem Rat begleiten wird.“
Für die letzten zehn Monate bis zur Landtagswahl sucht die hessische CDU nun nach einem Nachrücker für Norbert Kartmann. Das ist wichtig, weil die schwarz-rote Mehrheit im Landtag nur eine Stimmer mehr als die Opposition hat.
Schwierige Suche nach einem Nachrücker
Doch der Mann, der vorne auf der Ersatzliste steht, will nicht nach Wiesbaden. Manfred Jordis aus Bad Nauheim verzichtet auf sein Mandat. Er wolle nicht das Risiko eingehen, nach der Landtagswahl auf einen anderen Posten im Schuldienst versetzt zu werden. Ein weiteres Landtagsmandat bekommt er nicht, weil in seinem Landkreis Annette Wetekam schon nominiert wurde.
Der nächste auf der Nachrückerliste ist der ehemalige Sozialminister Stefan Grüttner aus Offenbach. Der ist allerdings schon 65 Jahre alt und hat einen neuen Job als Berater der Kassenärzlichen Vereinigung. Wenn er nicht antritt, sind die Darmstädterin Irmgard Klaff-Isselmann und danach der Kasseler Regierungspräsident Mark Weinmeister für ein Kurzzeit-Mandat im Landtag gefragt.
Für die südliche Wetterau wird es im Landtag dagegen wohl kaum Überraschungen geben. Das Mandat hat schon seit 2008 der Bad Vilbeler Tobias Utter für die CDU inne. Die Partei nominierte den 60-jährigen auch für die nächste Landtagswahl.